Reden hilft – und ist die erste Maßnahmen, die man ergreifen sollte, wenn die Nachbarn zu laut musizieren.

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Es waren einmal zwei Paare, die lebten Tür an Tür. Doch es gab ein Problem: Während in der einen Wohnung eine Konzertpianistin residierte, wohnte in der anderen eine Ärztin – mit regelmäßigen Nachtschichten. Was wie ein Märchen im Wiener Bezirk Simmering begann, endete deshalb vor dem Obersten Gerichtshof (OGH). Denn die Pianistin übte vier bis sechs Stunden täglich, was es der Ärztin unmöglich machte, nach den Nachtdiensten geruhsamen Schlaf zu finden. Am Ende legte der OGH fest, dass Klavierspielen im großstädtischen Raum mit maximal vier Stunden täglich ortsüblich sei. Das war im Jahr 1998.

Fünf Jahre später kam es wieder anders. Der OGH entschied damals in einem weiteren Fall, in dem sich ein Nachbar gestört fühlte, dass in der Großstadt wohl eher nur zwei Stunden zumutbar seien – schließlich sind die wenigsten musizierenden Nachbarn auch talentierte Konzertpianistinnen.

Womit zu rechnen ist

Wesentlich ist dabei auch, was als ortsüblich gilt. In Wohnvierteln müsse man mit Klavier-, Blockflöte- und Ziehharmonikaspielern rechnen, so der OGH. Problematisch wird es allerdings mit Trompetern oder Schlagzeugern; sie üben meistens eher in Proberäumen.

Und wie geht man nun am besten vor, wenn das siebenjährige Nachbarskind täglich lautstark Trompete übt? "Zuallererst sollte man das Gespräch mit den Nachbarn suchen, möglicherweise kann so ein Zeitraum vereinbart werden, in dem das Kind üben kann", empfiehlt Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der Wiener Mietervereinigung.

Generell gilt, auch das hat der OGH festgelegt, dass am Wochenende zwischen 15 und 20 Uhr und unter der Woche auch am Vormittag, allerdings nicht während der Ruhezeiten, musiziert werden darf.

Mediation als Lösung

Sollte eine Einigung nicht gelingen, führt der nächste Schritt zur Hausverwaltung. Diese könne darauf hinweisen, dass eine Beeinträchtigung vorliegt und das laute Musizieren zu unterlassen ist, so Hanel-Torsch. Auch ein Mediationsgespräch wäre eine weitere Option.

Fruchtet auch das nicht, bleibt nur eine Unterlassungsklage. Sie kann von den Nachbarn erwirkt werden, wenn zwei Punkte vorliegen: Das Musizieren ist nicht ortsüblich, und die Nutzung des Nachbargrundstücks oder der -wohnung ist durch den Lärm wesentlich beeinträchtigt. Das heißt: Ist niemand da, der sich gestört fühlt, oder ist das Musizierzimmer gut gedämmt, ist auch längeres Spielen erlaubt.

Apropos Dämmung: Auch die Stadt Wien gibt Musikerinnen und Musikern Tipps für weniger Stress mit den Nachbarn. Denn oft sind es schon kleine Dinge in der Wohnung, die einen Unterschied machen können. Das Musikzimmer lässt sich etwa mit abgehängten Zwischendecken, Vorsatzschalen an den Wänden oder Matten unter großen Instrumenten schalldämmen.

Mehr Beschwerden

Dass es trotzdem nicht immer reibungslos läuft, weiß man bei der Mietervereinigung. "Musizierende Nachbarn sind nicht unbedingt der häufigste Grund, warum die Menschen zu uns kommen, aber Beschwerden wegen Lärm allgemein haben in den Lockdowns stark zugenommen", sagt Hanel-Torsch. Denn was vielen in "normalen" Zeiten – also vor Corona – nicht aufgefallen ist, weil sie tagsüber in der Arbeit waren, wirkt jetzt umso störender, weil man sich im Homeoffice gut konzentrieren muss. Da passt es einem gar nicht, wenn die Nachbarn gerne laut musizieren.

Am Ende bleibt aber natürlich auch immer noch die Möglichkeit, dass die Musik bei den Nachbarn nicht auf Ablehnung, sondern sogar auf Anerkennung stößt. Immerhin ist eine Klaviersonate lange nicht so nervtötend wie Getrampel oder lautes Geschrei.

Wohnen mit Musik

Ein Haus, in dem Musik sogar erwünscht und Teil des Konzeptes ist, entsteht gerade im Wiener Sonnwendviertel. Im Projekt "Music-Box am Arsenalsteg" des Österreichischen Siedlungswerks, der Kunst- und Kommunikationsagentur Artphalanx und der Landschaftsarchitektur Carla Lo entstehen Wohnungen zur Kurz- und Langzeitmiete dezidiert für die Bedürfnisse und Ansprüche von Musikschaffenden, etwa Ensemblemitgliedern. Auch ein Veranstaltungsraum, eine Musikschule und Proberäume sind geplant. Die Fertigstellung soll im Sommer erfolgen. Mit Beschwerden der Nachbarn ist dort, bei so viel Musikbegeisterung in einem Haus, wohl eher nicht zu rechnen. (Bernadette Redl, 31.1.2021)