Helly Nahmad auf der Art Basel 2015: zu diesem Zeitpunkt stand er noch unter Hausarrest und durfte nur mit einer richterlichen Sondergenehmigung an der Kunstmesse teilnehmen.

Foto: Imago / Eibner

Das Griss um ein von Donald Trump erteiltes Generalpardon war ja gegen Ende seiner Amtszeit als US-Präsident ein großes. Auf der am 20. Jänner veröffentlichten Liste fanden sich schließlich 73 Begnadigte. Neben seinem ehemaligen Chefstrategen Steve Bannon (Betrug) oder Rapper Lil Wayne (unerlaubter Waffenbesitz) auch der Spross einer über die amerikanischen Grenzen hinaus bekannten Kunsthändlerdynastie: Hillel "Helly" Nahmad, der seit 2001 in der Madison Avenue eine Galerie betreibt. Den Rufnamen teilt er sich übrigens mit seinem ebenfalls als Kunsthändler in London tätigen Cousin.

Auf dem internationalen Kunstmarkt steht der Name Nahmad synonym für einen weltweit tätigen Clan, der in den 1960er-Jahren aus Syrien in den Westen emigrierte und sein Vermögen über Immobilien- und Bankgeschäfte mehrte. Vorerst. In den 1970ern stiegen die Brüder David (Vereinigte Staaten) und Ezra (Großbritannien, Monaco) in das Kunstbusiness ein, und mittlerweile traten die Söhne in deren Fußstapfen.

Im Laufe der Jahrzehnte hat die Familie eine der größten Sammlungen impressionistischer und moderner Werke der Welt angehäuft, mehr als 3000 insgesamt, die mehrheitlich in einem Zollfreilager bei Genf lagern. Bereit 2013 kursierten dazu Wertangaben in der Höhe von bis zu fünf Milliarden Dollar.

Helly Nahmad selbst war groß im Geschäft, nicht immer legal, wie sich herausstellen sollte. Innerhalb weniger Jahre hatte sich der leidenschaftliche Pokerspieler ein ums andere Apartment im 51. Stock des Trump Tower für insgesamt fast 22 Millionen Dollar erworben. Für das letzte hatte er im Jänner 2013 der Vorbesitzerin acht Millionen Dollar hingeblättert.

Geldwäsche und Panama Papers

Wann genau das FBI mit seinen Ermittlungen begann, ist unbekannt. Im April desselben Jahres erfolgten Hausdurchsuchungen. In weiterer Folge stellte sich heraus, dass vom Trump Tower aus ein Glücksspiel- und Geldwäschering betrieben wurde. Nahmads Galerie spielte dabei, laut den Ermittlern, nicht nur eine Finanzierungsrolle.

Im Zuge der Rockefeller-Auktion ersteigerten die Nahmads im Mai 2018 für 115 Mio. Dollar Pablo Picassos "Mädchen mit Blumenkorb" (1905). So das Gemälde nicht als Leihgabe auf einer Ausstellung gastiert, wird es im Genfer Zollfreilager verwahrt.
Foto: Christie's 2018 (Archiv)

Dahinter stand eine Organisation, die mehr als 100 Millionen Dollar an Erträgen aus dem Glücksspielgeschäft von Russland und der Ukraine über Strohfirmen und Bankkonten in Zypern in den Vereinigten Staaten gewaschen hatte. Einer der führenden Köpfe war der russische "Geschäftsmann" Alimzhan Tokhtakhunov. Bis heute bieten die US-Behörden eine Belohnung von bis zu vier Millionen Dollar für Informationen, die zu seiner Festnahme und/oder Verurteilung führen.

Nahmad wurde im April 2014 zu einem Jahr und einem Tag Gefängnis verurteilt, nachdem er sich im Zuge der bundesweiten Glücksspielanklage schuldig bekannt hatte. Weiters löhnte er eine Geldstrafe von 30.000 Dollar, zudem wurden ein Gemälde von Raoul Dufy (Karneval in Nizza) sowie rund 6,5 Millionen Dollar an nachgewiesenen Gewinnen aus dem Glückspiel konfisziert.

Sondererlaubnis für Reise nach Basel

Fünf Monate später wurde er aus dem Gefängnis entlassen und für den Rest seiner Strafe unter Hausarrest gestellt. Für die Teilnahme an der Art Basel im Juni 2015 hatte er für Geschäftszwecke eine Sondererlaubnis vom Bundesgericht bekommen. Eine Weiterreise nach Europa wurde ihm damals untersagt.

Seit seiner Verurteilung "wegen eines Vergehens im Bereich Sportwetten" habe "er ein vorbildliches Leben geführt und sich für das Wohl seiner Gemeinde eingesetzt", lautete die Standardisierte Begründung des Weißen Hauses, dank der Helly Nahmad nun vollständig rehabilitiert wurde. Für künftige Delikte gilt das freilich nicht.

So war im Umfeld der Enthüllungen der Panama Papers im Frühjahr 2016 etwa bekannt geworden, dass die Familie Nahmad das Modell einer Briefkastenfirma nutzt, um Eigentumsverhältnisse von Kunstwerken zu verschleiern. Etwa auch im Falle eines Gemäldes von Amedeo Modigliani, das man 1996 bei Christie’s in London für 3,2 Millionen Dollar ersteigerte.

Der Haken: Die damaligen Provenienzangaben waren falsch gewesen. Das Bild aus dem Jahr 1918, das einen sitzenden älteren Mann mit Hut und Schnauzer zeigt, der sich mit beiden Händen auf einen Spazierstock stützt, gehörte einst Oscar Settinger, einem jüdischen Kunsthändler in Paris. Im Herbst 1939 hatte er sich aus Angst vor dem Einmarsch der Nationalsozialisten in die Dordogne zurückgezogen. Seine Privatsammlung und Galerieware wurde vom Vichy-Regime beschlagnahmt und über einen Verwalter verwertet.

Rechtsstreit um NS-Raubkunst

So wurde der Modigliani im Juli 1944 verkauft und blieb nach dem Krieg verschollen. 2008 gelangte das Werk bei Sotheby’s in New York mit detaillierteren Angaben über die Herkunft zur Auktion, die den Settinger-Nachfahren eine aus ihrer Sicht zweifelsfreie Identifikation ermöglichte. Das auf 18 bis 25 Millionen Dollar geschätzte Bild war unverkauft geblieben.

Seit 2011 kämpfen die Erben eines französischen Kunsthändlers gerichtlich um dieses in der NS-Zeit entzogene Gemälde von Amedeo Modigliani. Die Nahmads bestritten die Eigentümerschaft, bis diese 2016 über die Panama Papers bewiesen werden konnte.
Foto: Wikipedia

Auf Anfragen reagierte die Familie Nahmad nicht. 2011 beschritten die Settinger-Erben schließlich den Rechtsweg. Vor Gericht erklärten David und sein Sohn Helly allerdings, das Gemälde Modiglianis befände sich nicht in ihrem Eigentum, sondern gehöre dem in Panama ansässigen Unternehmen International Art Center (ICA).

2016 stellte sich im Zusammenhang mit den Panama Papers heraus, dass die ICA den Nahmads gehörte. Ursprünglich waren daran mehrere Familienmitglieder beteiligt, seit Jänner 2014 nur noch David Nahmad. Das rief wiederum Schweizer Behörden auf den Plan. Bei einer Durchsuchung des Genfer Zollfreilagers wurde das Gemälde sodann beschlagnahmt. Im Zuge des Prozesses wurde bekannt, dass sein Sohn Helly in der Causa der Hauptansprechpartner für Sotheby’s war. Auch in den Jahren nach dem missglückten Verkaufsversuch, wie Dokumente aus dem Jahr 2010 belegten.

Keine Einigung absehbar

Der juristische Disput ist bis heute nicht beendet, obwohl die Herkunft des Gemäldes vor 1996 längst rekonstruiert werden konnte. Laut einem französischen Ermittlungsbericht von 1947 hatte ein Mann namens Van der Klip das Bild am 3. Juli 1944 bei einer öffentlichen Auktion ersteigert und anschließend weiterverkauft. Der neue Besitzer habe es angeblich an einen US-Offizier abgetreten.

Tatsächlich hatte er mit diesen Aussagen eine falsche Fährte gelegt, denn der Modigliani war bis 1996 in Frankreich verblieben. Einem Bericht von The Art Newspaper im Jänner 2020 zufolge hatten die Tochter und der Enkel von Van der Klip das Gemälde Christie’s zur Versteigerung übergeben. Das ergaben Nachforschungen der Mondex Corporation, ein kanadisches Unternehmen, das Erben und Opfern der Nazi-Raubzüge hilft, ihr gestohlenes Eigentum wiederzuerlangen.

Eine Einigung zwischen den Parteien scheint vorerst nicht absehbar. David Nahmad behauptet mittlerweile, dass "sein" Modigliani ein anderes Gemälde sei als jenes, das Stettinger gestohlen wurde. Dessen Erben bestreiten das, auch auf Basis eines Schriftstücks im Archiv des Wildenstein-Instituts in Paris: Eine handschriftliche Notiz vom April 1950: "Modigliani. Familie Settinger. Gestohlen. Gesucht in Amerika", die sich zusammen mit der Fotokopie des Kunstwerkes in einem Akt fand. (Olga Kronsteiner, 30.1.2021)