Jetzt zeigt sich oft, wie und vor allem auch, ob wir wirklich eine wohltuende Beziehung miteinander leben können, in der beide Teile gut und freudig Platz haben, sich zu entfalten. Paarbeziehungen definieren sich neu, auch in ihrem Begehren, ihrer Lust. Seit bald einem Jahr werden so gut wie alle Beziehungen auf echte Proben gestellt, es geht gar nicht anders. Wie geht es Ihnen so?

Auf der Suche nach Sexyness

Meinen höchsten Respekt vor allen Eltern, die mit ihren Kindern – egal welchen Alters – im gemeinsamen Haushalt leben. So gut wie jede selbstverständliche und sinnvolle Infrastruktur, aber auch Ablenkung fällt weg, um auch endlich mal wieder eigene Erlebnisse und Begegnungen zu haben, vielleicht auch einfach mal Zeit für sich, um sich wieder aufeinander richtig freuen zu können.

Wenn der Raum überschaubar ist und die Kinder nicht viel zu viel Zeit mit Berieselung verbringen sollen, schaffen Eltern unglaubliche bis unmögliche Kraftakte, sind sie oft nicht nur zusätzlich Lehrerin und oft rund um die Uhr Elternteil, sondern auch noch Spielkamerad.

Da braucht es als Paar – und noch viel mehr als Eltern – plötzlich viel mehr funktionierende Kommunikation, Klarheit und auch geteilte Verantwortung, die Bereitschaft, einander zu unterstützen, vor allem ein gutes Commitment zueinander.

Zusätzlich sind wir mit unseren eigenen Schrullen intensiver konfrontiert, die vielleicht auch nicht unbedingt sexy machen – viele selbstverständliche Regulative existieren aktuell nicht. Viele haben das Gefühl von zu wenig Raum, Abwechslung, inspirierendem Austausch mit anderen, um nur einige zu nennen. All das kann aufs Gemüt und damit auf die Beziehung schlagen. Mit diesen Themen stehen Sie nicht alleine da. Wie kann es gelingen, gerne "nach Hause zum geliebten Partner zu gehen", wenn wir sowieso die ganze Zeit da sind? Jogginghosen und Sexspielzeug verkaufen sich wie die warmen Semmeln – das ist nicht dauerhaft sexy.

Wenn Sie wieder Lust auf mehr haben

Ich lege hier den Fokus klar auf Möglichkeiten, auf Wege, die Freude machen können. Ja, ich rege Sie sogar an, sich so etwas wie Freudenanker zu schaffen, etwas, von dem Sie selbst die Möglichkeit haben, es immer wieder zu genießen, auch wenn wir nicht wissen, wann sich das Leben wieder "normalisiert". Machen wir uns auf die Suche nach positiven Aspekten, die sich derzeit ergeben. Auf Möglichkeiten, die Spielräume aufmachen können – wenn Sie sie nützen.

Falls Sie sich dabei ertappen, sich zu oft auf das zu fokussieren, was aktuell alles nicht geht, frage ich Sie gleich, worauf Sie sich eigentlich heute freuen? Ja, heute, denn da gibt es doch wahrscheinlich auch etwas, zumindest etwas Kleines, vielleicht ein gutes Essen, schöne Musik oder eine Stunde zu zweit auf dem Sofa, einen Spaziergang, ein wohltuendes Telefonat, auf das Sie sich freuen können – natürlich nur, wenn Sie wollen.

Freude ist eine gute Basis für Lust. Es kann ganz einfach gelingen, zu schauen, was alles möglich ist. Wenn Sie mit der Haltung in den Tag gehen, wie Sie es für sich selbst, für Sie beide als Paar und für alle Familienmitglieder so angenehm wie möglich machen können, haben Sie schon gewonnen. Wenn es dann noch gelingt, immer und immer wieder auch Variationen einzubauen, umso besser.

So können Sie für sich alleine und zu zweit möglichst viele Gelegenheit schaffen, die Sie inspirieren, aus der Routine locken und die es möglich machen, zu genießen.

Flirtmöglichkeiten selbst gemacht

Generell wohltuend bis anregend ist es, miteinander immer wieder bewusst auch in belanglosen und alltäglichen Begegnungen zu sein. Ob einander in die Augen zu schauen, wenn Sie miteinander sprechen, oder kleine Berührungen – selbst ganz kleine, alltägliche bis zufällige vermitteln Nähe, verbinden. Wenn es gelingt, immer wieder miteinander zu lachen, sind Sie gut unterwegs – und ganz ehrlich: Für viele von uns gibt es tagtäglich viele kleine Möglichkeiten. Also: Was macht gerade Freude und wie möchten Sie sie teilen?

Das Corona-Jahr hat unseren Beziehungen viel abverlangt.
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Sieben Tipps für Eltern und Paare – von Kommunikation bis Lust

  1. Kinder – Familienzeit: Klären, wer wann die Kinder übernimmt beziehungsweise welches Kind welche Aufgabe. Je nach Anzahl, Alter und Möglichkeit wird es – bei klarem Commitment – sehr oft möglich sein, bewusst zu entscheiden: Wann sind wir gemeinsam als Eltern da, wie teilen wir uns auf? Passen Gewohnheiten und Rituale noch? Je nach Alter ist jetzt eine gute Zeit, Kindern immer mehr Aufgaben zuzutrauen, die sie übernehmen können, schließlich wollen Sie vermutlich mal eigenständige Kinder, wenn diese erwachsen sind. Kochen helfen geht fast in jedem Alter – und es macht auch noch Freude, dann gemeinsam zu genießen. Überlegen Sie, wer Sie von außen unterstützen könnte.

  2. Paarzeit: Oft wird darauf vergessen – dabei ist das doch die Grundlage der Familie. Fragen können sein: Wann, wie und wie oft schaffen Sie Raum und Zeit für sich als Paar und was ist dir, mir, uns dann wichtig?

  3. Ganz besonders wichtig: Ich-Zeit – einander Raum geben. Wie und wann können Sie einander freispielen, was ist jetzt für Sie persönlich wichtig und was nicht. Definieren Sie, was Sie gemeinsam als Paar oder Familie tun wollen, was jeder alleine tun will. Schön wäre es, wenn jeder im gemeinsamen Haushalt zumindest einen temporären Rückzugsort hat. Unterstützend können Sie klären, wann Sie lieber gemeinsam einkaufen, spazieren oder laufen gehen und wann lieber alleine. Andere können es nicht ahnen, deshalb ist es aktuell auch eine besonders gute Gelegenheit, klar zu üben, gut zu kommunizieren. Grundregeln – die oft gelingen, solange die Emotionen noch nicht hochkochen.

  4. Bewusste Kommunikation – kann einfach gelingen, wenn Sie neugierig bleiben und zuhören, aber auch klar sagen, welche Themen "zu viel" werden. Wer seinen Partner als "Mistkübel für den eigenen Unmut" verwendet, regt wohl wenig Freude an. Wenn Sie eine Dynamik entwickelt haben, die sich zu sehr auf den Mangel, das Fehlen von Freuden konzentriert, kann leicht eine negative Spirale entstehen. Klar muss raus, was stört, nervt – gerade jetzt. Die Frage ist: Wie, in welcher Intensität und wann ist es genug? Wenn Sie merken, dass Sie sich im Frust verfangen, suchen Sie bewusst Dinge, auf die Sie sich freuen können.

  5. Tipps bei großem Frust: Lieber früher und noch relativ gelassen aussprechen, welche Wünsche Sie haben und was stört, als später nur noch emotional aufgeladene Vorwürfe zu bringen. Sie können sich jederzeit dazu entscheiden, Ihren Umgang miteinander positiver und freudiger zu gestalten – warum nicht jetzt gleich? Überlegen Sie klar: Wie können Sie es sich angenehmer machen, was brauche Sie selbst, was die Partnerin, der Partner, was die Kinder? Sprechen Sie über Ihre Wünsche und Ihre Bedürfnisse, klar, lösungsorientiert und auch irgendwie messbar (statt nie Zeit in Ruhe – eine Stunde für mich!), lassen Sie Worte weg, die generalisieren (immer, nie, alle…). Ein ganz besonders wertvolles Geschenk ist auch, zuzuhören, nachzufragen, was die anderen brauchen!

    Hier lauern auch Fallen: zum Beispiel zu glauben, statt zu fragen, was die anderen brauchen; zu erwarten, dass die anderen fürs eigene Glück verantwortlich sind; zu oft das Haar in der Suppe zu suchen und zu finden, statt die Suppe zu genießen und das Haar herauszufischen; zu viel vom anderen erwarten, gemeinsam tun zu wollen, die eigenen oder die Bedürfnisse des anderen zu ignorieren, in Aktionismus über sich selbst oder andere drüberzufahren, zum Beispiel andere für eigene Bedürfnisse einzuteilen; im Büro wohnen und nicht mehr abschalten können. Sie sollten sich als Paar fragen, was Ihnen gerade guttut, was Sie dazu beitragen können und was Sie jeweils für den anderen tun können.

  6. Entspannung – Erholung: Ob als Eltern oder als Paar zu zweit – ein gutes Gespür für die eigenen Bedürfnisse zu entwickeln lässt sich jetzt gut üben. Wenn Kinder von Eltern ganz selbstverständlich vorgelebt bekommen, dass diese auch gut auf sich selbst achten, gelingt es auch den Kindern wie von alleine. Wichtig ist auch hier die Art der Kommunikation: Viel wertvoller ist es beispielsweise, zu sagen: Ich möchte mal eine halbe Stunde in Ruhe lesen! Statt: Bitte stör mich nicht oder lass mich in Ruhe! Kinder und ihre Bedürfnisse sind meist bis immer sehr in Ordnung – sie brauchen klare Regeln. Wenn diese halten, geben sie Sicherheit, so können sich Kinder gut entfalten und entwickeln, natürlich auch immer wieder dagegen ankämpfen.

  7. Ja, das Begehren … Aktuell bemerke ich: Es ist klarerweise für viele Menschen jetzt eine andere Herausforderung, erotische, lustvolle Gefühle füreinander zu entwickeln. War oft Distanz ein Motor, können es jetzt Nähe sein, Intensität – aber auch bewusst gewählte Überraschungen. Meine Anregungen für Sie: Verabreden Sie sich immer wieder zu einem "Date", auch wenn es aktuell zu Hause stattfindet. Machen Sie es sich schön, wählen Sie den geeigneten Rahmen von Musik über Licht bis zu Essen und passenden Getränken. Laden Sie einander gegenseitig immer wieder ein, vielleicht überraschen Sie einander sogar. Witzig kann es sein, wenn der "Gast" vorher eine Runde rausgeht und so tut, als käme er/sie tatsächlich zu Besuch. Bringen Sie Blumen oder Wein aus dem Supermarkt mit – nützen Sie die tagesaktuellen Möglichkeiten für ein Mitbringsel. Verabreden Sie sich klar zu einem erotischen, vielleicht auch sexuellen Date. Machen Sie sich schön, wie Sie es sonst auch taten. Wenn Sie Eltern sind: Schaffen Sie bewusst Raum, der immer wieder nur für Sie beide da ist. Also vergessen Sie nicht, den Schlüssel bei der Schlafzimmertüre mal zuzudrehen.

    Die Lust ist oft sehr irritierbar – für manche muss Druck weg, andere bauen ihren Druck beim Sex ab. Aus meiner jahrelangen Erfahrung heraus brauchen viele Menschen Entspannung, Raum und Freude miteinander, ein bisschen "Heraustreten aus dem Alltag", damit die Lust gut und auch gerne immer wieder ihren selbstverständlichen Platz finden kann. Wie ist das bei Ihnen? (Nicole Siller, 5.2.2021)