Yoga in der Freizeit, um für den Job fit zu sein und sich wohlzufühlen? Der neue Imperativ: Wohlbefinden als integrative Basis für die Arbeit selbst.

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Nach fast einem Jahr Pandemie inklusive Lockdowns, Homeoffice und Mobile Work mit all den folgenden Schwierigkeiten und Zusatzbelastungen, formt sich in der internationalen Business-Welt jetzt ein neues Dogma heraus, das als Erfolgshebel für eine prosperierende Organisation gelten will: Wellbeing. Etwas hinkend und unzureichend übersetzt: Wohlbefinden. Das Wohlbefinden der Mitarbeitenden soll jetzt Ausgangspunkt für alles sein, was an Adaption, Resilienz und uneingeschränktem Engagement in der neuen Arbeitswelt gebraucht wird.

Alte Glaubenssätze, wie etwa das Passion Principle (Steven Jobs), wonach es um die Leidenschaft für und im Job geht, sind demnach wohl überholt. Von gestern sind damit auch die Konzepte einer Work-Life-Balance, also eines gesunden Ausgleichs zwischen Arbeit und Privatleben. Letzteres hat sich offenbar im Homeoffice so nachhaltig in der Arbeit aufgelöst, dass nun propagiert wird: Wohlbefinden muss basaler und integraler Bestandteil der Arbeit selbst sein. Das klingt fast so, als wäre die Arbeit künftig das bessere Privatleben. Zumindest mag seiner Firma gut dienen, wer das verinnerlicht.

Das Menschliche im Mittelpunkt

Konkret: Das internationale Beraterhaus Deloitte hat auch jetzt wieder die globalen Personaltrends abgefragt – mehr als 6000 Befragte, gut die Hälfte davon höherrangiges Führungspersonal. Worum geht’s in der Corporate World? "From survive to thrive" – also die Unternehmen suchen Wege, um vom Überlebensmodus in den Prosperitätsmodus zu gelangen. 61 Prozent sagen, dass sie dafür die Arbeit ihrer Leute völlig neu denken wollen.

Ausgangspunkt dafür ist demnach das unverwechselbar Menschliche – "Mut, Kreativität, Pragmatismus". Dazu setzt sich auch die Erkenntnis durch, dass mit ein wenig situativem "Upskilling" und "Reskilling" keine prosperierende Zukunft zu schaffen ist. Schulung bewegt sich also tendenziell weg vom aktuell fachlichen Handwerk hin zu Persönlichkeit, zur Selbstorganisation rundum.

Bedürfnis nach Lebensqualität

Dort, wo solche Prozesse stattfinden, scheint es zäh zu sein, denn das muss von unten nach oben, von den jeweiligen Mitarbeitern selbst entwickelt werden. "Unabhängig von Hierarchie und Jobprofil die Belegschaft in die Gestaltung ihrer Arbeit einbeziehen", formuliert es Deloitte-Partner Julian Mauhart. Dazu müssten sich Unternehmen zuerst auf das erden, sich besinnen, was Menschen brauchen und was sie ausmacht: Sinn, Ethik, Fairness, Wachstumschance.

Dann müssten Courage, Urteilsfähigkeit und Flexibilität aller gefördert werden, um durch anhaltend "turbulente Realitäten" erfolgreich zu navigieren. Im Zentrum steht Wellbeing: Zusatzkurse in Yoga und Ernährung seien zwar gut, aber tatsächlich sei das Wohlbefinden tief innen in das Design der Arbeit und ihrer Abläufe zu integrieren. Es gehe um Antworten der Arbeitswelt auf das menschliche Bedürfnis nach Lebensqualität. Eine spannende und nicht ungefährliche Entwicklung. (Karin Bauer, 29.1.2021)