Arbeiten, wann und wo man will? Viele Firmen nehmen das Corona-bedingte Homeoffice zum Anlass, zu überlegen, wie sie nach der Pandemie arbeiten wollen. Mancherorts soll "New Work" das neue Normal sein, mit flexiblen Arbeitsorten und -zeiten.

New Work steht nicht erst seit der Pandemie auf der Agenda vieler Personal- und Organisationsentwickler, ist von jener aber vorangetrieben worden. So etwa bei der Wien Energie. "New Work bedeutet für uns die digitale Transformation der Arbeitswelt und dazu passend innovative Arbeitsgestaltung wie dezentrales Arbeiten und agile Organisation und letztlich einen Wandel von einer Präsenz- zu einer eigenverantwortlichen Leistungskultur", sagt Katharina Polomini, Leiterin des Personal- und Organisationsmanagements des Energieversorgers.

Dahinter stecke ein Gesamtkonzept, das die Wien Energie in den vergangenen Jahren verfolgt hat und auch die Mitarbeiter binden sowie die Attraktivität als Arbeitgeber für künftige Bewerber erhöhen soll: flachere Hierarchien, ein Wandel hin zu einer Vertrauenskultur sowie neue "Bürowelten" mit Arbeitsinseln, Besprechungs- und Ruhezonen. Seit Oktober gibt es nun auch New Work als Arbeitsmodell mit drei Tagen mobilem Arbeiten und zwei Tagen Büro, bei Gleitzeit zwischen sechs und 22 Uhr. 2019 wurde der Prozess unter Einbindung der Belegschaftsvertretung und Beschäftigten gestartet und getestet. Das pandemiebedingte Homeoffice überzeugte laut Polomini auch viele, die das Modell anfangs skeptisch sahen.

60 Prozent der Wien-Energie-Belegschaft arbeiten nicht nur in Pandemiezeiten remote. Auch danach erledigen die rund 1500 Beschäftigten ihren Job an drei Tagen mobil, an zwei Tagen im Büro – die Arbeitszeit ist flexibel.
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Keine Zweiklassengesellschaft

Über 1500 Mitarbeiter – rund 60 Prozent der Belegschaft – nutzen das Modell. Sie entscheiden, wann sie zu Hause, im Café, Park oder im Büro arbeiten. Derzeit sind aber alle im Homeoffice. Nur eine einstellige Zahl der Beschäftigten lehne das Modell ab. Ohnehin gilt es nur für jene, die remote arbeiten können. Wer etwa die Kraftwerke wartet, kann das nicht. Daher werde auch für die Nicht-Bürogeher an flexiblen und gesünderen Schichtarbeitsmodellen gearbeitet. "Es ist wichtig, dass keine Zweiklassengesellschaft im Betrieb entsteht", sagt die Personalchefin. So laufe ein Betrieb Gefahr, dass in der Belegschaft Spannungen und Neid entstehen, wie eine aktuelle Umfrage des Personaldienstleisters Hays zeigt.

Remote Work ist nicht nur deshalb auch eine besondere Herausforderung für Führungskräfte, die ungern Kontrolle abgeben, wie viele Angestellte in den vergangenen Monaten erfahren haben und aktuelle Erhebungen zeigen. "Natürlich hat nicht jeder gejubelt", sagt Polomini. Hätten Chefinnen und Chefs aber genug Werkzeuge zur vertrauensvollen Führung, funktioniere es.

Zudem müssten sie nun besonders empathisch sein: "Beim Präsenzmeeting merke ich schneller, ob es meinen Mitarbeitern gutgeht oder nicht", sagt Polomini. Das sei auch relevant für den sozialen Zusammenhalt, das Vertrauen und die Motivation. Als wichtigste Führungsaufgabe erachtet Polomini daher die Kommunikation. Dazu zähle nicht nur, dass der Smalltalk nicht zu kurz kommt und mit hybriden Meetings alle auf dem gleichen Informationsstand sind, sondern auch, dass in den Kalender eintragen wird, wann wer mobil arbeitet, auf Pause oder etwa auf dem Laufband ist.

Grenzen für Ereichbarkeit

Gerade weil im Homeoffice die Grenze zwischen Job und Privat verschwimme, brauche es Regeln für die Erreichbarkeit, die sich die Teams selbst ausmachen. Manche hätten etwa geregelt, dass der Großteil während der Normalarbeitszeit tätig ist. Gerade bei Kundenkontakt müsse gewährleistet sein, dass immer jemand erreichbar ist.

"Um 21.30 Uhr muss man aber keinen Anruf mehr annehmen", sagt die Personalchefin. Die wenigsten würden so spät arbeiten, es solle aber die Möglichkeit dazu geben. Im Pilottest hätten sich viele Eltern Gleitzeit bis 22 Uhr statt 20 Uhr gewünscht, um zu arbeiten, wenn die Kinder im Bett sind – Homeoffice und Kinderbetreuung sind bekanntlich kaum vereinbar. Führungskräfte müssten besonders auf Überstunden achten und "leistungsorientierte Mitarbeiter an Pausen erinnern".

Dennoch sei die Vereinbarkeit ein großer Vorteil, sagt die Personalchefin: "Früher musste man einen Tag freinehmen, wenn der Kaminkehrer kommt. Jetzt melde ich mich für zehn Minuten ab." Das führe zu mehr Zufriedenheit und Produktivität. Seit Oktober gebe es auch weniger Krankenstände. Und es entlaste, nicht in der Rushhour zur Arbeit fahren zu müssen.

Büro als Ort der Vernetzung

Auch brauche es Datenschutzregeln, betont Polomini. So könne man nicht im Café oder in den Öffis laut über Kundendaten telefonieren, auch müsse der Bildschirm eine Sichtschutzfolie haben und unterwegs sicheres WLAN genutzt werden.

Und wozu kommt man künftig noch ins Büro? Die Corona-Zeit habe gezeigt, wie wichtig das Büro für persönliche Gespräche und Kreativität ist, sagt die Personalchefin: "Es ist ein Ort des Austauschs und der Vernetzung." (Selina Thaler, 30.1.2021)