Homeoffice geht in Kombination mit Hausarbeit und Kinderbetreuung mittlerweile vielen an die Substanz.

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Auf dem Esstisch türmen sich Arbeitsunterlagen, Schulsachen und das Frühstücksgeschirr. Gleich steht der nächste Video-Call an, aber die Kinder brauchen auch noch schnell Hilfe. Nach fast einem Jahr Pandemie bringt das Arbeiten von zu Hause aus viele Menschen an ihre Grenzen. Sie fühlen sich ausgebrannt, erschöpft, arbeiten rund um die Uhr. Was ist da schiefgegangen?

Viele, viele Jahre vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie hieß Homeoffice Telearbeit. "Man hat damals herausgefunden, dass diese Arbeitsform eine positive Auswirkung auf die Arbeitszufriedenheit und auf die Arbeitsleistung hat", sagt der Wiener Arbeitspsychologe Andreas Fida-Taumer. Nachsatz: "Aber nur tageweise, nicht wochen- oder monatelang."

Genau in dieser Situation befinden sich im ganzen Land aber gerade viele Menschen. Und niemand weiß, wie lange es noch dauert, bis wieder so etwas wie Alltag ins Büroleben zurückkehrt. Diese Ungewissheit ist es, die die Situation so schwierig macht, erklärt Fida-Taumer.

Was vielen zu Hause derzeit außerdem fehlt, ist die soziale Einbindung: "Einsamkeit ist ein ganz großes Thema." In manchen Unternehmen werde zwar versucht, das Mittagessen oder den Tratsch mit den Kolleginnen und Kollegen in den virtuellen Raum zu verlegen. Aber jeder, der das ausprobiert hat, weiß: Es ist nicht dasselbe.

Daheim ins Burnout rutschen

Besonders schwierig ist die Isolation für Menschen, die schon vor Corona an psychischen Erkrankungen – Depressionen, Angststörungen, Suchterkrankungen – gelitten haben. Auch Burnout-Gefährdete stehen im Homeoffice verstärkt unter Druck. Das sind dem Arbeitspsychologen zufolge eher Menschen, die eine "hohe Verausgabungsbereitschaft" haben, die also grundsätzlich gern viel arbeiten und für ihren Job regelrecht brennen: "Viele übersehen derzeit aber, dass sie sich auch wiederaufladen müssen."

Denn im Büro kann man sich anschauen, wie die Kollegen mit schwierigen Situationen umgehen und Pausen machen. Das fällt zu Hause am Küchentisch oft weg, weil sich viele die Zeit nicht mehr nehmen. Aber auch andere Korrektive – Treffen mit Freunden, kreative Tätigkeiten – sind oft nicht möglich.

Noch ein Problem sieht Fida-Taumer: "Viele Führungskräfte sehen gar nicht, wie es den Mitarbeitern geht." Es sei schwierig, in virtuellen Konferenzen zu erkennen, dass sich jemand gerade weit über die Belastungsgrenze hinaus verausgabt. Anrufe, in denen man sich nach dem Befinden der Mitarbeiter erkundigt, werden wiederum mitunter als Kontrollanrufe ausgelegt. Und Betroffene selbst würden oft nicht um Hilfe bitten, weil sie sich schämten.

Depressive Symptome

Hilfreich könnten da schon Diskussionen zur Unternehmenskultur sein – und auch neue Regeln, um die Gesundheit der Mitarbeiter besser zu schützen. Etwa indem man festlegt, dass keine E-Mails mehr nach den Arbeitszeiten beantwortet werden oder man in der Mittagspause nicht erreichbar ist.

Depressive Symptome, Ängste oder Schlafprobleme sind in der Bevölkerung jedenfalls auf dem Vormarsch. Das zeigen Studien. Experten betonen daher: Wer mehrere Wochen mit schlechter Stimmung, Antriebslosigkeit oder Schlafstörungen kämpft, sollte professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Das geht auch digital.

Gegen die vorübergehende Erschöpfung daheim kann aber auch eine Nachdenkpause helfen: "Man sollte sich überlegen, was früher immer geholfen hat", sagt Psychologe Fida-Taumer. Für den einen ist das Musik, für den anderen Radfahren oder ein Telefonat. "Es kann auch helfen, sich zu sagen: Du bist nicht allein. Wir sind alle betroffen. Es ist nicht deine Schuld", sagt der Experte.

Helfen kann jetzt aber auch die Hoffnung darauf, dass die Zeiten wieder besser werden – und auch das Wetter. Denn die Tage und die Sonnenstunden werden wieder länger. Das wirkt sich auf den Hormonhaushalt aus – und hebt die Stimmung. (Franziska Zoidl, 30.1.2021)