Frühere Studien haben bereits darauf hingedeutet, dass das Virus SARS-CoV-2 neben anderen Organen auch die Hoden befallen kann. Mögliche Folgen: eine beeinträchtigte Entwicklung der Samenzellen und eine Schädigung der Fortpflanzungshormone. Die Auswirkungen auf die Fortpflanzungsfähigkeit betroffener Männer blieben bislang unklar. Eine aktuelle deutsche Studie weist aber darauf hin, dass sich die Qualität des Spermas tatsächlich ändern könnte.

Behzad Hajizadeh Maleki und Bakhtyar Tartibian von der Justus-Liebig-Universität analysierten für ihre im Fachjournal "Reproduction" veröffentlichte Studie zwei Monate lang die Spermien von 84 Männern unter 40 Jahren, die mit SARS-CoV-2 infiziert waren und von denen die meisten an einer schweren Form von Covid-19 litten. Ihre Daten verglichen die Wissenschafter mit den Daten von 105 gesunden Männern.

Hinweise auf geringere Qualität

Bei den erkrankten Männern waren die Marker für Entzündungen und oxidativen Stress in Spermien im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich höher – ein chemisches Ungleichgewicht, das die DNA und Proteine im Körper schädigen kann. Die Autoren entdeckten zudem eine "deutlich niedrigere" Konzentration und Mobilität der Spermien – sowie deutlich mehr veränderte Spermien.

Laut Maleki weist dies auf eine "geringere Qualität der Spermien" bei den Covid-Patienten sowie auf ein "reduziertes Fruchtbarkeitspotenzial" hin. Obwohl sich diese Auswirkungen mit der Zeit wieder zu bessern schienen, blieben die Werte bei den Betroffenen "deutlich und abnormal erhöht", erklärte er.

Je schwerer die Patienten erkrankt waren, desto größer waren auch die Veränderungen, fügte er hinzu. Sie entsprächen dem Zustand einer Oligoasthenoteratozoospermie, einer pathologischen Veränderung der männlichen Spermien – die häufigste Ursache männlicher Infertilität. Maleki regte an, die WHO sollte das männliche Fortpflanzungssystem zu einem Hochrisiko-Organ bei Covid erklären.

Reaktionen

Nicht an der Studie beteiligte Experten begrüßten die Untersuchung, warnten aber gleichzeitig, dass vor voreiligen Schlüssen weitere Analysen notwendig seien. "Männer sollten nicht übermäßig alarmiert sein", erklärte Alison Campbell von den CARE-Fruchtbarkeitskliniken in Großbritannien. Noch stehe der Beweis aus, dass Covid-19 die Spermien dauerhaft schädige.

Campbell wies darauf hin, dass die Covid-Patienten im Gegensatz zur Kontrollgruppe mit Kortikoiden und antiviralen Therapien behandelt wurden. Dies könne die Ergebnisse verzerrt haben.

Allan Pacey von der Universität Sheffield mahnte ebenfalls zur Vorsicht bei der Interpretation der Daten. Die verminderte Spermienqualität könne auch auf andere Faktoren zurückzuführen sein, erklärte er und verwies darauf, dass in der Covid-Gruppe mehr Männer übergewichtig waren als in der Kontrollgruppe. Zudem sei bekannt, dass "Fieber die Spermienproduktion beeinträchtigen kann, unabhängig davon, was die Ursache ist". (APA, red, 29. 1. 2021)