Der Neue im US-Außenministerium: Antony Blinken erklärte humanitäre Hilfe für den Jemen zur Priorität. In einer Pressekonferenz attackierte er die Huthi-Rebellen, erwähnte aber auch Saudi-Arabien kritisch.

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Auf den Eifer, den US-Außenminister Mike Pompeo in den letzten Tagen der Trump-Präsidentschaft an den Tag legte – fast täglich kamen neue wichtige Entscheidungen aus dem State Department –, scheint der Neue im Amt, Antony Blinken, erst einmal mit einer Vollbremsung zu antworten. Einige Schritte, die "spät in der letzten Regierung" gefallen seien, würden nun geprüft, um "in jedem Fall sicherzustellen, dass wir die Basis für die getroffenen Entscheidungen verstehen", sagte Blinken bei einer Pressekonferenz am Mittwoch.

Tatsächlich führten Links zu Pompeo-Kommunikationen aus den letzten Tagen seiner Amtszeit bereits am Tag nach der Angelobung von Präsident Joe Biden (20. 1.) ins Nichts: "archiviert". Das mag bei Transitionen von einer Präsidentschaft zur anderen so üblich sein, die Rasanz fällt jedoch auf.

Auf der Revisionsliste stehen auch Kernstücke der Nahostpolitik Trumps, nämlich Waffenlieferungen an arabische Verbündete. Auf der Pressekonferenz nach seiner Priorität gefragt, nannte Blinken den Jemen: Am Tag vor dem Wechsel im Weißen Haus waren die Listung der Ansar Allah, besser bekannt als Huthi-Rebellen, als Terrororganisation und damit strenge Sanktionen wirksam geworden. Nicht nur die Uno kritisierte, dass damit die humanitäre Unterstützung für die in den Huthi-Gebieten lebende jemenitische Bevölkerung zusammenbrechen würde.

Hilfe für den Jemen

Blinken hat nun Ausnahmen für Lieferungen genehmigt, und diese Regelung wird bis zum 26. Februar gelten: Das heißt, die Terror-Designation der vom Iran unterstützten Huthis bleibt erst einmal aufrecht, aber der Erlass wird "repariert". Blinken betonte die Menschenrechtsverletzungen und "Gräueltaten" durch die Huthis, erwähnte aber auch den Beitrag der saudisch geführten militärischen Jemen-Intervention "zu dem, was viele für die derzeit schlimmste humanitäre Katastrophe weltweit halten".

Saudi-Arabien und auch die saudisch unterstützte anerkannte jemenitische Regierung hatten lange auf die US-Terrorlistung der Huthis hingearbeitet, mit der sich Trump und Pompeo lange Zeit ließen. Aus dem US-Kongress kam immer wieder Druck, die Waffenlieferungen an Saudi-Arabien zu revidieren, weil dessen Luftkrieg im Jemen so viele zivile Opfer forderte. US-Präsident Barack Obama hatte am Ende seiner Amtszeit die Unterstützung für Riads Intervention zurückgefahren – er war jedoch 2015 derjenige gewesen, der sie beschlossen hatte.

Nun zieht Washington wieder die Bremse an: Eine Lizenz für den Verkauf von 7500 Präzisionsbomben für Saudi-Arabien ist auf Eis gelegt, verlautete aus dem Rüstungsunternehmen Raytheon. Im Falle der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) betrifft es ein besonders aufsehenerregendes Geschäft: den von Abu Dhabi lange angestrebten Kauf von fünfzig F-35-Kampfjets, den Trump vor seinem Abtritt noch unter Dach und Fach zu bringen versuchte. Dass der Verkauf des Geräts in den Kontext der Normalisierung zwischen den VAE und Israel gehört – ein Zuckerl für Abu Dhabi –, bestätigte Blinken indirekt: Die Biden-Regierung wolle alle Verpflichtungen, die eingegangen wurden, um die "Abraham Accords" zwischen Israel und arabischen Ländern zu erreichen, voll verstehen.

Der Frage, ob das auch die von Trump vollzogene Anerkennung der Souveränität Marokkos über die Westsahara betreffe, wich Blinken aus. Die prinzipielle Unterstützung der "Abraham Accords" durch die Biden-Regierung hatte Blinken jedoch schon bei seiner Anhörung im Senat betont.

Der VAE-Botschafter in Washington, Yousef al-Otaiba, reagierte auf den vorläufigen Halt pragmatisch: Die VAE könnten mit den F-35 "eine größere Last für die kollektive Sicherheit" der Region schultern und damit US-Ressourcen "für andere globale Herausforderungen" freimachen, teilte er per Twitter mit. In der Tat ist nicht zu erwarten, dass die Biden-Regierung die US-Politik gegenüber den regionalen arabischen Partnern völlig auf den Kopf stellt, auch nicht Saudi-Arabien betreffend – zumal das US Central Command soeben vier mögliche Versorgungsstützpunkte für die US-Armee im Königreich prüft. Aber Biden wird zumindest offiziell mehr Fragen stellen als Trump.

Keine Eile beim Iran

Ganz anders, nämlich ohne jede Eile, scheinen Biden und Blinken die Frage anzugehen, ob es eine Chance auf die Wiederbelebung des Atomdeals mit dem Iran gibt: Der JCPOA (Joint Comprehensive Plan of Action) war der zentrale Teil von Obamas Nahostpolitik und wurde von Trump 2018 nicht nur verlassen, sondern beinahe gekillt, indem er die Umsetzung durch andere mit Sanktionen belegte.

Wenn Teheran meinte, durch die Wiederaufnahme der Urananreicherung auf 20 Prozent Biden dazu zu bringen, die Rettung des JCPOA zur Priorität zu machen, könnte das eine Fehlkalkulation gewesen sein. Auch wenn hinter den Kulissen einiges laufen mag: Einstweilen bleibt Washington bei seiner Forderung, der Iran müsse zu seinen Verpflichtungen, die er zuletzt substanziell gebrochen hat, zurückkehren.

Biden will sich ganz offenbar auch nicht von dem Argument antreiben lassen, es müsse eine Lösung gefunden werden, bevor der Wahlkampf um die iranische Präsidentschaft voll entbrennt. Hassan Rohani kann zu den Wahlen im Juni nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten. Es wird damit gerechnet, dass ideologische Standfestigkeit den USA gegenüber bei den Kandidaten hoch im Kurs sein wird. (ANALYSE: Gudrun Harrer, 30.1.2021)