Anstellen muss man sich bei Five Guys, auch wenn es regnet. Zum Glück gibt es Schirme – zumindest für die Vorderen in der Reihe.
Foto: Robert Newald

Wenn die Lockdowns der letzten Monate etwas Gutes mit sich bringen, dann ist es die Form des sich Anstellens. Womöglich wird ja aus der Pflicht eine Tugend, und vielleicht legen wir auch in Zukunft jene kultivierte Form des Wartens an den Tag, die in Großbritannien immer schon gepflegt wurde – die der Warteschlange mit ausreichend Abstand nach vorn wie nach hinten. Sich auf ein Menschenknäuel zusammenzuschieben und in der dichten Menschentraube Druck nach vorn zu machen war noch nie zielführend und olfaktorisch meist sittenwidrig. Man kommt dadurch auch nicht früher an die Reihe, es geht nicht flotter – es ist nur unangenehmer. Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht.

Die beachtlichste Warteschlange war dieser Tage vor einem neuen Burgerlokal am Wiener Graben zu bewundern. Die US-amerikanische Kette Five Guys hat eröffnet, wenn auch nur für Take-away und Lieferdienste. Gut und gerne zweihundert Meter war die Warteschlange lang, die Wartezeit nicht unter zwei Stunden. Wofür? Wer es hinauf in den ersten Stock geschafft hat, konnte sich dort Burger, Hot Dogs, Pommes frites und Vanilla Shakes, ganz nach Wunsch ausgestaltet, bestellen. Das Besondere an den Five-Guys-Produkten sei die Qualität der Lebensmittel und die Möglichkeit, sich aus vielen verschiedenen Zutaten und Saucen seinen Burger oder Hot Dog ohne Aufpreis zu pimpen, also selbst zusammenzustellen und aufzuwerten.

Der Hotdog ist kein Brotzylinder

Der kleine Bacon-Cheeseburger mit gegrillten Pilzen, gegrillten Zwiebeln, Senf, Mayonnaise und noch irgendwas war eh gut. Ausgesprochen gut war der Pure Beef Hot Dog, mit Jalapenos und scharfer Sauce. Der Hotdog ist kein Brotzylinder, sondern wird längs aufgeschnitten – so lässt sich das Teil auch leichter verzehren. Zu den Pommes ist nur Folgendes zu sagen: Besser, man kontrolliert, ob sie auch im großen, braunen Papiersackerl neben den anderen Produkten auch wirklich eingepackt sind – bezahlt hat man sie schon vorher. Die Kette wirbt damit, stets eine Extraportion Pommes frites jedem Gast zu schenken. Der Vanilla Shake mit Salted Caramel war gut, wie zerlassenes Vanilleeis, das Karamell leider zu wenig salzig. An dieser Adresse – auf drei Stockwerken, mit herrlichem Graben-Blick – wirkt die billig anmutende Ausstattung der Räume noch einmal extra beschämend. Man wird an Bahnhofstoiletten, Wartehallen oder alte Klassenzimmer erinnert. Auch das ist inklusive. Eine lange Schlange bürgt nicht für einen entsprechenden Anlass.

Noch eine Schlange

Ebenso in der Schlange warten muss man vor Abu Elabed, einem Imbissstand am Hannovermarkt in der pulsierenden Brigittenau. Der Markt selbst platzt vor Lebensmitteln und ist die Antithese zu Naschmarkt, Karmelitermarkt und Kutschkermarkt. Die Preise am Hannovermarkt sind unglaubwürdig niedrig, die Ware dreht in großen Mengen, hier wird nicht in Gramm, sondern in Kilogramm gerechnet.

Zwei vormals nach Österreich geflüchtete Syrer haben hier einen Döner Kebabstand eröffnet, der dem Begriff Döner Kebab eine dramatische Wende gibt. Es ist eher eine kleine Schaubäckerei, die ihre frischen Teige zu kleinen, höchst appetitlichen Speisen zubereitet. Spezialisiert auf Fatayer, werden hier elastische Weizenteige zu Schiffchen und Taschen geformt, gefüllt, verkauft und auch gleich verspeist. Diese Pasteten sind optisch wie gustatorisch einfach verzückend. Die Teige werden auch zu mit Za’atar gewürzten Fladen gedehnt, gedreht, belegt und einer Pizza gleich frisch im Ofen für den sofortigen Verzehr fertiggebacken.

Auch die Shawarma vom Kalb oder Huhn eröffnen neue Dimensionen, so unfassbar gut schmecken diese gerollten Kunstwerke. Der den Five Guys gegenüber dreifache Genuss kostet hier ungefähr ein Viertel.

Kein Warten

Noch nicht Schlange stehen muss man unverständlicherweise bei den Burgerbrutzlern vom winzigen XO-Imbiss Grill in Wien-Gumpendorf. Hier wird das wunderbare Fleisch XO-Beef verarbeitet. Es stammt von älteren Milchkühen und zeichnet sich durch seine geschmackliche Intensität aus. Die Buns, vulgo Laberln, sind vom Joseph Brot, das Ketchup ist selbstgemacht, und statt zähen Cheddars kommt geschmacklich explosiver Taleggio auf Wunsch in die Burger. Die Warteschlange wird Programm sein, versprochen. (Gregor Fauma, 29.01.2021)