Diese Silhouette befindet sich im Innenhof der Universität und wurde von Iris Andraschek gestaltet, der Titel: "Der Muse reicht's". Damit soll auf die bislang nicht erfolgte Ehrung der Leistung von Wissenschafterinnen hingewiesen werden.

Foto: HERTHA HURNAUS

Seit Dezember brodelt es im akademischen Mittelbau. Über 500 Stellungnahmen sind zur Novellierung des Universitätsgesetzes eingegangen, die Reformpläne der Bundesregierung sorgen für anhaltenden Unmut bei Studierenden und Wissenschafter*innen. Speziell Nachwuchsforscher*innen fürchten einen Karriereknick – der insbesondere Frauen treffen könnte.

Im Fokus der geschlechterpolitischen Kritik steht die Änderung der Kettenvertragsregelung, Paragraf 109. Wie die Novelle vorsieht, dürfen wissenschaftliche Mitarbeiter*innen künftig nur noch acht Jahre, Lehrbeauftragte maximal sechs Jahre befristet an einer Universität angestellt werden. Wer danach keinen unbefristeten Vertrag erhält, ist an der betreffenden Hochschule de facto gesperrt. Sogenannte Kettenverträge sind zwar schon jetzt beschränkt, Universitäten umgingen sie jedoch mit einer "Anstellungspause". Danach konnte ein neuer befristeter Vertrag vergeben werden. Die türkis-grüne Reform soll dem akademischen Mittelbau nun neue Perspektiven bieten. "Wer sechs Jahre an einer Universität lehrt und gewollt wird, bei den Studierenden beliebt ist, den könnte man doch guten Gewissens entfristen", sagte Eva Blimlinger bei der Pressekonferenz im Dezember.

Leaky Pipeline

Wissenschaftliches Personal jahrzehntelang in befristeten und damit prekären Dienstverhältnissen zu belassen, dagegen stellt sich auch Stefanie Widder, Systembiologin an der Medizinischen Universität Wien. Die Neuregelung des Paragrafen 109 bringe jedoch keine Verbesserung, ist die Wissenschafterin überzeugt. Widder ist Sprecherin des Elise-Richter-Netzwerks – ein Exzellenzprogramm des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF –, gemeinsam mit Kolleginnen hat sie eine kritische Stellungnahme verfasst. "Für uns ist es ein Schlag ins Gesicht", sagt sie. Die Neuregelung treffe den Mittelbau – und damit insbesondere Frauen. Nach wie vor ist der Gender-Gap an den österreichischen Universitäten enorm. "Leaky Pipeline" nennt sich das Phänomen des absinkenden Frauenanteils auf der wissenschaftlichen Karriereleiter. Während Frauen mittlerweile die Mehrheit der Universitätsabsolvent*innen stellen, ist nur ein Viertel der Professor*innen weiblich. "Wenn sich die Situation für den Mittelbau weiter zuspitzt, bedeutet das auch einen massiven Einschnitt für die Karriereentwicklung von Frauen", sagt Widder.

Ein Befund, dem auch Susanne Hochreiter zustimmt. Hochreiter ist Literaturwissenschafterin am Wiener Institut für Germanistik, als Vorsitzende des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen kennt sie die Karriereverläufe junger Wissenschafterinnen. "Niemand ist zufrieden mit der aktuellen Situation, natürlich wollen wir mehr Forscher*innen in unbefristete Arbeitsverhältnisse bringen. Aber die Novelle bietet kein Konzept dafür", sagt Hochreiter. Schon jetzt könnten Universitäten die Beschäftigungsverhältnisse exzellenter Wissenschafter*innen verstetigen – entsprechende Anreize fehlen offenbar.

Vom neuen Universitätsgesetz wäre auch eine Kollegin Hochreiters unmittelbar betroffen. Als Postdoc forscht die Nachwuchswissenschafterin in einem FWF-Projekt, aufgrund einer vorhergehenden Beschäftigung würde sie an der Universität Wien kaum Chancen auf eine Anstellung haben. "Ich kann dann auch kein Folgeprojekt beantragen, denn mit ihr geht die spezifische Expertise verloren", sagt Hochreiter.

Braindrain

Die UG-Novelle werde "zu einem erheblichen Abbau exzellenter Forschung und Lehre in Österreich führen", so das Fazit der Stellungnahme des Elise-Richter-Netzwerks.

Im Gegensatz zu Deutschland etwa beschränke sich die Universitätslandschaft in Österreich auf wenige große Player. "Wenn ich mich wissenschaftlich spezialisiere, habe ich oft gar keine Möglichkeit, anderswo anzudocken", sagt Stefanie Widder. Die Systembiologin befürchtet einen massiven Braindrain, exzellente Forscher*innen wie jene des Elise-Richter-Programms würden ins Ausland abwandern oder ihre wissenschaftliche Karriere abbrechen.

Im ohnehin hochkompetitiven Wissenschaftsbetrieb stünden Forscherinnen in männerdominierten Feldern zusätzlich unter Druck. "Wenn ich mit Nachwuchswissenschafterinnen aus der Mathematik oder der Informatik spreche, höre ich oft: Ich brauche eine Perspektive, damit ich mich auf diesen Weg einlasse", sagt Susanne Hochreiter. Ein Familienleben mit Kindern und eine wissenschaftliche Karriere lassen sich für Frauen nach wie vor kaum vereinbaren. "Diese Situation noch weiter zu verschärfen ist aus gleichstellungspolitischer Sicht fatal", sagt Hochreiter.

Prekäre Lektorinnen

Auch Lehrende machen gegen die UG-Novelle mobil. Am Grazer Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft hat sich eine Gruppe von Institutsmitarbeiter*innen formiert – und schlägt Alarm. Rund hundert externe Lektor*innen würden pro Semester an der frauendominierten Translationswissenschaft lehren, sie decken rund die Hälfte der Pflichtlehre ab. Würde die Neuregelung von Paragraf 109 rückwirkend in Kraft treten, könnten Lektor*innen schlagartig vor dem Aus stehen. Dass die Universität den Betroffenen unbefristete Verträge anbieten werde, bezweifelt auch die Grazer Initiative.

Zwölf Sprachen werden am Institut angeboten, darunter Sprachen autochthoner Minderheiten wie Ungarisch, Kroatisch und Slowenisch. "Wir sehen keine Möglichkeit, die langjährig aufgebaute Expertise und Vernetzung durch einen plötzlichen Austausch des Lehrpersonals zu ersetzen", heißt es in der Stellungnahme.

Für Unmut sorgt bei den Translationswissenschafter*innen auch das Vorgehen der Regierung. Mitten in einer Pandemie sei es schwierig, Protest zu organisieren, sagt Clara Ebner, die Begutachtungsfrist zur Novelle erstreckte sich über die Weihnachtsferien. "Man versucht da vielleicht, mit guter Absicht etwas zu verändern, aber es wird auf dem Rücken jener passieren, die an den Universitäten jetzt schon das Nachsehen haben", sagt Ebner.

Dialogbereitschaft signalisierte Eva Blimlinger bereits im Dezember. "Ja, vielleicht ist der Vorschlag noch nicht fertig entwickelt – dazu gibt es das parlamentarische Begutachtungsverfahren", schrieb die grüne Wissenschaftssprecherin in einem STANDARD-Kommentar.

Stefanie Widder vom Elise-Richter-Netzwerk zeigt sich zuversichtlich, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. "Unsere Stellungnahme hat enormen Zuspruch bekommen. Ich hoffe sehr, dass das Ministerium die Kritik ernst nimmt und sich noch bewegt." Faire Chancen unabhängig vom Geschlecht – dieses Ziel müsse Universitätspolitik stets vor Augen haben. (Brigitte Theißl, 31.1.2021)