Königshofer: "Viele haben gedacht: ‚Was der kann, kann ich auch.‘ Viele haben es nicht geschafft."

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Der Specht hat das offenbar Unabwendbare auf Vor- und Nachteile abgeklopft und ist zu dem Schluss gekommen, dass die prinzipiell unerfreuliche Situation auch Positives bringen könnte. Roland Königshofer, dreimaliger Bahnrad-Weltmeister und zeit seiner Karriere wegen seiner zwei natürlichen Haarfarben Specht genannt, bedauert, gelinde gesagt, den Abriss des Ferry-Dusika-Stadions in Wien. Und er bemängelt, quasi noch gelinder gesagt, dass die diesbezüglich naheliegende Kommunikation mit dem organisierten Radsport im Vorfeld unglücklich gelaufen ist.

Roland Königshofer müde, aber glücklich im Juli 1988 als Sieger des Steher-Europacups im Ferry-Dusika-Stadion.
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Andererseits sieht der 58-jährige Niederösterreicher im Verschwinden der gegenwärtig einzigen Radbahn Österreichs eine Chance für Projekte, die "seit Jahren in Schubladen liegen". In St. Pölten und Graz könnten Bahnen entstehen, ebenso wieder in Wien. Konkret existieren Pläne für Aspern. Gespräche zwischen dem Radsportverband und der Stadt Wien sind avisiert.

Bahn als Schule

Dass der Bahnradsport abgesehen von der reichen Tradition seine Berechtigung hat, steht für Königshofer außer Zweifel. "Radfahren ist ja hinsichtlich Technik, Taktik, Fahrgefühl und Rennhärte sehr komplex. Dazu kommt, dass Training auf der Straße bis zum zwölften Lebensjahr problematisch ist." Königshofer, als Sports-Marketing-Manager von Adidas immer noch im Spitzensport daheim, sucht und findet einen Vergleich im Volleyball: "Richtig gute Beachvolleyballer kommen zumeist aus der Halle."

Selbst kommt Königshofer ursprünglich aus Grünbach am Schneeberg, allerdings zogen seine Eltern nach St. Pölten, als er ein Jahr alt war. Die Familie ist nicht extrem sportlich, fördert aber Sportlichkeit, der Bub probiert viel aus und interessiert sich speziell für den Radsport, auch weil die Niederösterreich-Rundfahrt immer St. Pölten besucht. Bei einem Event auf der längst nicht mehr existierenden Trabrenn- und Speedwaybahn der späteren Landeshauptstadt wird Roland Königshofer nicht unbedingt für den Radsport entdeckt, aber vom Verein Union Wilhelmsburg rekrutiert: "Ich war kein Riesentalent, aber sie brauchten Mitglieder."

Lockendes Oval

Königshofer ist als Nachwuchsfahrer durchaus erfolgreich, vor allem aber ist er hartnäckig. Er bricht wegen des Trainings- und Wettkampfaufwands die Hak nach einem Jahr ab, beginnt eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann und kommt so öfter nach Wien, wo eine 250 Meter lange Radbahn aus Holz im Ferry-Dusika-Stadion zum Üben einlädt.

Im Bundesleistungszentrum Südstadt findet der Radamateur gerade so Aufnahme. Dass er bleiben kann, resultiert auch aus einer klugen Entscheidung. Königshofer widmet sich neben dem Straßenrennsport der Steherei in der Halle – Radfahren hinter schweren Motorrädern, exotisch und damals noch ein wenig im Ruch, ein Altherrensport zu sein, weil Ehemalige noch lange nach ihrem sportlichen Höhepunkt ganz gerne im Windschatten der heißen Eisen auf bremsenlosen Rädern treten und dabei immer noch den Rausch der Geschwindigkeit in vollen Zügen auskosten können.

Tatsächlich erfordern Steherrennen auf hohem Niveau zunächst viel Mut. Königshofer benutzt dafür eine Metapher, hat aber auch Zahlen parat: "Der Unterschied zwischen 70, dem Seniorentempo, und mehr als 100 km/h macht viel aus." Für Gespann gegen Gespann auf der Bahn braucht es zudem eine brillante Technik und taktisches Feingefühl.

"Als ich erfolgreich wurde, haben viele gedacht: ‚Was der kann, kann ich auch.‘ Aber viele haben es nicht geschafft. Es ist auch schwer, zu Rennen zu kommen, schließlich können die Starterfelder auf der Bahn nicht beliebig groß sein wie auf der Straße."

Einmaliger Igl

Und keiner der Nachahmer hatte einen Partner auf dem Motorrad wie Roland Königshofer im Wiener Karl Igl. "Er hatte die Möglichkeit durch seinen Job im E-Werk, er hatte die Ausbildung, sich ums Spezialmaterial zu kümmern. Und zusammen haben wir Erfahrung gesammelt und wurden etabliert."

So sehr, dass Königshofer/Igl dreimal Weltmeister wurden in einer Sportart, die heute in Österreich nicht mehr existent ist. In einer erzwungenen Pause wegen der Renovierung des Duskia-Stadions in den 90er-Jahren wurde amtlicherseits der bahneigene Motorradpark für Steher in Bausch und Bogen verkauft. Umbausätze für die 500er-Honda sind unwiederbringlich, "das will sich heute keiner mehr leisten", sagt Königshofer. In Deutschland, wo es noch mehr als 100 Bahnen gibt, der Schweiz, in Ländern des ehemaligen Ostens, Spanien und vor allem Italien wird der Stehersport noch gepflegt.

Vor allem die Duelle mit der italienischen Elite verhalfen Königshofer/Igl Ende der 80er, Anfang der 90er zu großer Popularität. Auch das Dusika-Stadion war zuweilen voll, wenn der Specht und sein Igl (der im Vorjahr seinen 75er feierte) gegen die "italienische Mafia" antraten.

Die vom Boulevard derart verunglimpften Gäste waren oft, weil in Überzahl, im Vorteil. Das änderte sich, als Roland Königshofers um mehr als sechs Jahre jüngere Bruder Thomas zum Steher wurde. Mit Schrittmacher Günter Kerger schmückte er just jene drei WM-Finalläufe en suite (1989 Lyon, 1990 in Maebashi, Japan, und 1991 in Stuttgart), die Königshofer/Igl gewannen.

Der Action-Opa

Roland Königshofer, der auch auf der Straße gute Figur machte, etwa einmal die Griechenlandrundfahrt gewann und bei allen seinen 13 Österreich-Radrundfahrten das Ziel sah, stieg 1996 nach insgesamt zehn Steher-WM-Medaillen vom Rad. Der Vater des Fußballtorhüters Lukas Königshofer, der aktuell beim deutschen Drittligisten KFC Uerdingen engagiert ist, lebt seinen Drang nach Bewegung und neuen sportlichen Erfahrungen weiter aus. Für seinen achtjährigen Enkel Fabio ist der Specht schlicht der "Action-Opa".

Nicht ausgeschlossen, dass er den Bub auch einmal auf eine Radbahn mitnimmt – wenn die Pläne, von denen der Specht weiß, aus den Schubladen gekommen, auf Durchführbarkeit abgeklopft und umgesetzt sind. (Sigi Lützow, 30.1.2021)