Dieses Wochenende werden sich wohl trotz Untersagungen einige Demonstranten in Wien versammeln.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

15 von 17 Demonstrationen, ein großer Teil davon gegen Anti-Coronamaßnahmen gerichtet, hatte die Polizei für Samstag und Sonntag untersagt. Trotzdem stand der Exekutive ein ereignisreiches Demo-Wochenende bevor: Szene-Protagonisten mobilisierten trotz der Untersagungen weiterhin für die Versammlungen.

Die FPÖ meldete am Freitag aus Protest gegen die Untersagungen eine neue, eigene Kundgebung für Sonntag an. Wie die Polizei Samstagmittag bekanntgab, wurde dann auch die Versammlung der FPÖ untersagt. "Die Erfahrungen der letzten Wochen bei Versammlungen dieser Art haben gezeigt, dass weite Teile von Versammlungsteilnehmern das Gebot des Tragens eines eng anliegenden Mund- und Nasenschutzes sowie die Einhaltung des Mindestabstandes schlichtweg ignorieren, sodass geradezu erwartbar ist, dass es bei diesen Versammlungen zu Gesetzwidrigkeiten in großem Ausmaß kommen wird", hieß es von seiten der Landespolizeidirektion Wien.

Überdies habe die rechtliche Beurteilung ergeben, dass die Hintanhaltung großer Gefahr für die "Volksgesundheit" schwerer wiege als das Interesse daran, eine solche Versammlung abzuhalten. Noch vor der Untersagung der eigenen Kundgebung zeigte sich FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl davon überzeugt, in den bisherigen Untersagungen der LPD Wien "die Handschrift Nehammers" erkannt zu haben, wie er im Rahmen einer Pressekonferenz darlegte. Der Sinn der FP-Kundgebung hätten sein sollen, den ursprünglichen Veranstaltern eine Plattform zu bieten, so Kickl zuvor.

Kleine Versammlung am Samstag

Einige Aktivisten fanden sich unbeirrt bereits am Samstagnachmittag im Bereich Heldenplatz/Burgtor ein. Jennifer Klauninger – sie wurde im Zusammenhang mit "Querdenker"-Demos bekannt, weil sie eine Regenbogenfahne auf einer Bühne zerriss – rief ihre Anhänger im Vorfeld zum Kommen auf: "Ja, die Demos finden auf jeden Fall statt", kündigte sie in Social-Media-Gruppen an. Samstagmittag wurde Klauninger dann wegen wiederholter Missachtung der Covid-Bestimmungen im Bereich des Heldenplatzes festgenommen.

Insgesamt gestaltete sich die Lage jedoch relativ ruhig. Es fanden sich nur etwa hundert Personen zum Protest ein. Die Polizei ging streng vor und führte zahlreiche Identitätsfeststellungen durch, wenn sich Personen nicht an die Abstandsregel oder die Maskenpflicht hielten. Immer wieder versuchten einzelne Grüppchen zu "spazieren", wurden jedoch aufgehalten.

Die Bilanz der Exekutive am Samstag: "Die Wiener Polizei konnte ihre Ziele, das Aufeinandertreffen rivalisierender Gruppen und das konsequente Einschreiten bei Verstößen gegen die Co-vid-19-Bestimmungen, erfolgreich umsetzen." Es kam zu zwei Festnahmen gemäß Verwaltungsstrafgesetz, einer Anzeige gemäß Verbotsgesetz, 213 Anzeigen gemäß COVID-19-Maßnahmengesetz, 13 verwaltungsrechtlichen Anzeigen, 222 Identitätsfeststellungen und einer Sicherstellung.

Anzeige nach "Sieg Heil"-Ruf

Einen Vorgeschmack für Sonntag in Kleinformat könnten (angemeldete) Kundgebungen liefern, die noch am Freitag in Baden bei Wien stattfanden: Dort kam es zu 14 Anzeigen nach dem Covid-Maßnahmengesetz und einer nach dem Verbotsgesetz, da ein Teilnehmer "Sieg Heil" gerufen haben soll. Der Angezeigte war, wie die APA berichtet, ein Begleiter des Neonazis Gottfried Küssel, der auch schon bei der letzten Großdemonstration vor zwei Wochen mit von der Partie war. In einer einschlägigen Telegram-Gruppe rund um Küssel wurde zur Teilnahme bei der Demo am Sonntag trotz Verbots aufgerufen.

Die "Querdenker" verschärften nach der Bekanntgabe ihrer Demo-Untersagungen jedenfalls noch einmal ihre rhetorische Gangart: So zeigt man sich jetzt überzeugt davon, in einer Diktatur zu enden, wenn die Demonstrationen dieses Wochenende ausfallen würden. Klauninger rief ihre Anhänger zudem explizit dazu auf, es auch bei den anwesenden Polizeibeamten mit Überzeugungsarbeit zu versuchen: "Wir brauchen die Polizisten auf unserer Seite. Wir brauchen auch das Militär."

Neue Versammlung offenbar Finte

Doch auch für Sonntag wird weiterhin mobilisiert. Bei der für morgen untersagten Großversammlung rechnete die Polizei mit bis zu 15.000 Teilnehmern.

In jedem Fall ruft Szene-Protagonist Martin Rutter dazu auf, zu "marschieren." Und prophezeite, dass am Sonntag die "Regierung wegen dem Druck des Volkes zurücktreten" werde. Zudem wurden seit gestern Nachmittag eine weitere neue Versammlungsanzeige aus der Szene eingebracht: Es handelt sich um zwei Autokonvois, die am Vormittag durch die Stadt fahren sollen. Angekündigt wurden 1.000 bis 2.000 Fahrzeuge. Die Polizei geht trotz des Titels der Versammlung ("Unmenschliche Abschiebung gut integrierter Kinder und Familien muss aufhören!") davon aus, dass es sich um eine Anzeige aus dem Anti-Coronamaßnahmen-Milieu und bei dem Titel um eine Finte handelt.

Auch Gegendemo untersagt

Die Untersagungen seitens der Landespolizeidirektion Wien trafen jedoch nicht nur das "Querdenker"-Milieu, sondern auch sowohl einen entsprechenden Gegenprotest als auch eine davon unabhängig Versammlung. Es geht um eine Demonstration der Österreichischen Hochschüler_innenschaft an der Uni Wien (ÖH Uni Wien), die sich gegen die jüngste Novelle des Universitätsgesetzes richten sollte. Die ÖH zeigt sich empört und kündigte rechtliche Schritte gegen die Untersagung an.

Ebenso betroffen ist eine Demonstration der "Plattform für menschliche Asylpolitik" unter dem Motto "Gegen Coronaleugner und die FPÖ", die beim Schottentor starten hätte sollen und bei der etwa tausend Teilnehmer erwartet wurden. In dem Untersagungsbescheid, der dem STANDARD vorliegt, wird die Untersagung mit Verweis auf die Untersagung der ÖH-Demo begründet.

Kritik an Untersagung

Und zwar so: Da die von der ÖH Uni Wien angemeldete Demo untersagt wurde und dort nach Ansicht des Verfassungsschutzes "Personen aus der linksextremistischen Szene" zu erwarten gewesen wären, sei die Bildung eines "Schwarzen Blocks sehr wahrscheinlich" gewesen. In einem derartigen Fall sei nicht davon auszugehen, dass zwei Meter Abstand eingehalten würden, heißt es weiter. Und nachdem die Versammlung der ÖH untersagt wurde, sei nun davon auszugehen, dass sich die angesprochenen Personen der Demonstration der "Plattform für menschliche Asylpolitik" anschließen würden– weshalb davon auszugehen sei, dass die Einhaltung des Zwei-Meter-Abstands dann auch bei diesem Marsch nicht möglich sei. Verwiesen wird zudem auf eine Stellungnahme des Gesundheitsdienstes der Stadt Wien, der in einer Stellungnahme die erhöhte Übertragungsgefahr bei Nicht-Einhaltung des Zwei-Meter-Abstands darlegt. Insgesamt sei diesen Ausführungen folgend davon auszugehen, dass an der Demonstration dann "mehrere hundert bis zu mehrere tausend Personen" teilnehmen würden. Eine "Einhaltung des (...) Mindestabstands (...) ist bei einer derartigen Großversammlung schlichtweg unmöglich", wird ausgeführt.

Bei der Plattform zeigt man sich entsetzt darüber, "in einen Topf mit gewaltbereiten Neonazis, der FPÖ und Faschisten" geworfen zu werden. Den Einwand der Veranstalter, dass sämtliche in der Vergangenheit abgehaltenen Versammlungen friedlich verlaufen seien und zudem ein Sicherheitskonzept vorliege, befand die LPD als "nicht geeignet", die Entscheidung zu beeinflussen. "Wir sind empört, warum unser antifaschistischer Protest untersagt wurde. Und niemals wurde bislang Kritik an unseren Sicherheitskonzepten im Rahmen der Pandemiebekämpfung geübt. Wir finden dieses Vorgehen demokratiepolitisch höchst bedenklich", heißt es seitens des Sprechers der Plattform und des Direktors der Volkshilfe, Erich Fenninger, zum STANDARD. Die Veranstalter kündigten an, Beschwerde einzulegen. (Vanessa Gaigg, Laurin Lorenz, 30.1.2021)