Während der Staatspräsident hektisch nach einer neuen Regierung sucht, werden die Geschäfte und Restaurants wieder geöffnet in Italien.

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Rom – Italien lockert die Anti-Covid-Maßnahmen. Ab kommendem Montag werden elf der 20 italienischen Regionen von orange auf gelb herabgestuft. Dies bedeutet, dass Lokale tagsüber wieder öffnen können. Personen erhalten damit auch mehr Reisefreiheit. Das gilt auch für die Lombardei, die von der Epidemie am stärksten betroffene Region. Virologen warnen vor der Gefahr, dass die Infektionszahlen wieder zunehmen könnten. Das Virus sei noch nicht besiegt.

Ab kommender Woche wird keine der 20 italienischen Regionen mehr als rote Zone eingestuft, teilte das Gesundheitsministerium am Freitagabend mit. In keiner Region werden daher Teil-Lockdowns gelten. Lediglich Südtirol, Umbrien, Apulien, Sizilien und Sardinien wurden als orange eingestuft. Dort sollen die Menschen in der Regel ihre Orte nicht verlassen. Restaurants und Bars dürfen Gäste nicht am Tisch bedienen, erlaubt ist nur noch zeitweiser Außer-Haus-Verkauf.

Warnung vor Optimismus

Virologen warnten vor zu großem Optimismus, die Epidemie sei noch nicht zu Ende. "Zwar hat das Ampelsystem die Infektionen eingegrenzt, das Coronavirus ist noch nicht besiegt", erklärte Massimo Galli, Direktor der Abteilung für Infektionskrankheiten des Mailänder Krankenhauses "Sacco".

Italien macht sich inzwischen wegen Engpässen bei den Impfungen Sorgen. So muss das Land wegen Problemen bei der Lieferung von Vakzinen die Zahl seiner täglich durchgeführten Impfungen halbieren. Wegen der Kürzungen bei den Impfstoff-Lieferungen sei es unmöglich, eine Massenimpfung durchzuführen, klagte der für die Impfkampagne zuständige Regierungskommissar Domenico Arcuri. Italien habe 300.000 Impfdosen weniger erhalten als erwartet. Dabei sei Italien bis zum 15. Jänner das EU-Land gewesen, das die meisten Vakzine verabreicht hatte, 200.000 mehr als Deutschland.

Suche nach eigenem Impfstoff

Italien, das bereits 1,7 Millionen Personen geimpft hat, will sich angesichts der Lieferungsprobleme stärker um einen eigenen Impfstoff bemühen. Daher plant die Regierung, mit einer 30-prozentigen Beteiligung in den in Rom beheimateten Pharmakonzern ReiThera einzusteigen, der einen Anti-Covid-Impfstoff an Freiwilligen testet. Italien bemüht sich auch um Impfdosen des Pharmakonzerns Johnson&Johnson, die jedoch noch von der EU-Pharmabehörde EMA zugelassen werden müssen.

Suche nach Regierung

Parallel dazu wird in Rom hektisch nach einer neuen Regierung gesucht. Der mit Sondierungsgesprächen zur Regierungsbildung beauftragte Präsident der italienischen Abgeordnetenkammer Roberto Fico startet am Samstagnachmittag Gespräche mit den Parteien, die eine neue Regierung in Rom unterstützen könnten. Fico prüft dabei die Möglichkeit, ein neues Kabinett aus Sozialdemokraten (PD/Partito Democratico) und seiner eigenen Fünf Sterne-Bewegung auf die Beine zu stellen.

Neue Mitte-Links-Allianz?

Ficos Ziel ist es, eine neue Mitte-links-Allianz zu bilden und den Regierungskurs mit dem parteilosen Juristen Giuseppe Conte fortzusetzen, nachdem der Ministerpräsident am Dienstag seinen Rücktritt eingereicht hatte. Bis Dienstag muss Fico Staatsoberhaupt Sergio Mattarella über das Ergebnis seiner Sondierungen berichten. Angesichts der Pandemie und der akuten Wirtschaftskrise in Italien dürfe man keine Zeit verlieren, mahnte Mattarella.

Unklar ist, ob es zu einer Wiederbelebung der Allianz aus Sozialdemokraten, Fünf Sterne und Italia Viva, der Splitterpartei um Expremier Matteo Renzi, kommen wird. Renzi, der vor zwei Wochen im Streit um EU-Hilfsgelder die Koalition platzen ließ, erklärte sich zum Neueinstieg in die Koalition bereit, stellt jedoch einige Forderungen. So drängt Renzi, dass der seit 2018 amtierende Conte durch einen anderen Ministerpräsident ersetzt wird. PD und Fünf Sterne unterstützen dagegen den parteilosen Juristen.

Auslöser der Regierungskrise waren Auseinandersetzungen um ein Konjunkturpaket im Volumen von 222,9 Milliarden Euro zur Überwindung der Corona-Krise. Sollte Fico keine Lösung für den politischen Wirrwarr finden, würde Italien auf Neuwahlen zusteuern – zwei Jahre früher als regulär geplant. Darauf drängen die oppositionellen Rechtsparteien Lega und Fratelli d'Italia (Brüder Italiens), die darauf hoffen, vorgezogene Parlamentswahlen im Bündnis mit Forza Italia um Expremier Silvio Berlusconi zu gewinnen. (APA, red, 30.1.2021)