Fidelio: Das ORF-Tochterunternehmen hat 1.500 Produktionen aus sieben Jahrzehnten aus den Bereichen Oper, Konzert, Ballett und auch Dokumentationen im Angebot.
Foto: Fidelio / www.myfidelio.at

Musik gehört gehört. Primär. Manchmal ist es aber auch gut, wenn man beim Musikhören auch etwas zu schauen hat: Das Gesamtkunstwerk Oper etwa kann nur audiovisuell vollständig genossen werden. Aber selbst im Konzertsaal schaut man gern, sieht dem Dirigenten zu, wie er den orchesterseitig auszudrückenden Emotionen mit raumgreifenden Bewegungen gestische Gestalt gibt. Würde der optische Eindruck im Konzert als komplett uninteressant oder störend empfunden, wären die Sitzreihen im Saal andersrum montiert. Dem ist aber nirgends so.

In Zeiten der pandemiebedingt geschlossenen Opern- und Konzerthäuser hat das audiovisuelle Streaming auch im Klassikbereich einen Boom erlebt. Die austrozentrische Plattform Fidelio konnte die Zahl ihrer Abonnenten im (ersten) Lockdown-Jahr 2020 nach eigenen Angaben um über 200 Prozent auf mehr als 20.000 registrierte User steigern. Bestehende Kooperationen mit renommierten Kulturinstitutionen wurden intensiviert, neue eingegangen. Bei der ersten Lockdown-Premiere – justament Christoph Waltz’ Inszenierung von Beethovens Fidelio im Theater an der Wien – überforderte das Interesse der Kulturinteressierten sogar den Server der gleichnamigen Klassikplattform.

Beim deutschen Klassikportal Takt1 konnte man 2020 eine Steigerung der Abozahlen um 20 bis 30 Prozent verzeichnen. Zu Beginn des Lockdowns war dort die Zunahme an Zugriffen am größten, dann schwächte das stetig wachsende Angebot an Gratis-Streamings das Interesse an der Bezahlplattform aber wieder ab. Wurden die Klassikplattformen zu Beginn vielerorts als Totengräber der Livekultur oder zumindest mit beträchtlicher Skepsis betrachtet, so hat sich das Verhältnis vieler Kulturinstitutionen zu den digitalen Vermittlern zum Positiven entwickelt.

Und so versteht man sich bei den Streamingdienstleistern denn auch "als Ergänzung, und nicht als Konkurrenz", erklärt Georg Hainzl. Die Opern- und Konzerthäuser könnten durch ihre Präsenz auf den Streamingplattformen neue Publikumsschichten ansprechen, so der Fidelio-Chef. Als "akzeptable ästhetische Erfahrung" beschreibt Holger Noltze von Takt1 den Musikgenuss aus dem Rechner. Klassik würde hier gegen ein geringes Entgelt für möglichst viele zugänglich gemacht.

Takt1

Takt1 gibt es seit gut drei Jahren im Netz. Auf der deutschen Streamingplattform sind über 2000 Videos vorrätig, der Bogen spannt sich auch hier von Opern (135) und Symphoniekonzerten (435) über Recitals und Kammermusik (98), Chorkonzerte (76), Alte (101) und Neue Musik (57) und Ballettproduktionen (23) bis zu Interviews und Dokumentationen (36).

Von Teodor Currentzis bis Nikolaus Harnoncourt, von Mirga Gražinytė-Tyla bis Vladimir Horowitz ist alles dabei. Die Suchfunktion kann mit mehreren Filtern präzisiert werden. Exklusive Livestreams ergänzen das Angebot.

Takt1 ist auch mit österreichischen Kulturinstitutionen verbunden: Die Wiener Symphoniker und das Wiener Konzerthaus sind – neben dem Gewandhausorchester Leipzig, dem Konzerthaus Dortmund und der Deutschen Grammophon – Partner der Plattform. Eine Besonderheit: Die Musikauswahl der Plattform wird von unabhängigen Musikjournalisten kuratiert, die sich auch interessanten Spezialthemen widmen (zum Beispiel den Opernfilmen von Walter Felsenstein), es gibt CD-Empfehlungen sowie "Geschichten und Fundstücke".

Es wird ein kostenloses Testabo für 14 Tage angeboten, das Monatsabo kostet aktuell € 7,50, das Jahresabo im Aktionspreis 75 Euro. Eine Erhöhung auf 10 bzw. 100 Euro soll bald ins Haus stehen. takt1.de

Fidelio

Fidelio hatte seinen Netzauftritt im September 2016. Das Tochterunternehmen von ORF und Unitel hat gut 1500 Produktionen aus sieben Jahrzehnten aus den Bereichen Oper, Konzert, Ballett und auch Dokumentationen im Angebot. Mit dem Wiener Musikverein, der Staatsoper und den Wiener Philharmonikern arbeitet man eng zusammen: Vom österreichischen Spitzenorchester sind über 120 Programme vorrätig. Neben allen Opern von Verdi und Mozart offeriert man auch Leonard Bernsteins Interpretationen der Mahler-Symphonien als Gustostückerl.

Oper wird auf Fidelio in die Bereiche "konservativ" und "progressiv" unterteilt – das bezieht sich auf die Inszenierungen. Die Wiener Häuser sind prominent vertreten, zuletzt wurden Produktionen der Wiener Volksoper (u. a. Axel an der Himmelstür) neu ins Angebot genommen. Auch die Styriarte und die Opernfestspiele St. Margarethen kooperieren mit Fidelio.

Spezielle Reihen beleuchten aktuelle Themen oder Jubilare, natürlich finden sich auch exklusive Livestreams (wie zuletzt von der Salzburger Mozartwoche). Der Webauftritt wirkt elegant, die Suchfunktion könnte noch optimiert werden.

Bei Fidelio gibt es neben einem kostenlosen Testabo ein Tagesticket für € 4,90, 30 Tage kosten 14,90 Euro, 90 Tage kosten 41 und ein Jahr 149 Euro. myfidelio.at

Medici.TV

Medici.TV bezeichnet sich selbst als "world’s leading music channel" und bietet mit knapp 3000 Videos das größte Angebot der drei besprochenen Formate. Diese teilen sich in Konzerte (über 1100), Opern (238), Ballett (125), Dokumentationen (über 1200) und Meisterklassen (210) auf – Letzteres wohl ein Alleinstellungsmerkmal unter der Streamern.

Die 2008 von Hervé Boissière gegründete Plattform bietet neben einem französischen Schwerpunkt mit Produktionen der Pariser Oper und vom Sommerfestival in Aix-en-Provence auch österreichische Highlights von den Salzburger Festspielen und den Wiener Philharmonikern. Aber auch das Lucerne Festival ist vertreten, das Royal Opera House, die Berliner Philharmoniker und das Concertgebouw-Orchester.

Die Startseite ist umfassend und übersichtlich konzipiert, auch Nichtabonnenten können gustieren und für zwei bis drei Minuten reinschnuppern. Die fünf Kategorien sind in unterschiedliche Untergruppen strukturiert. So kann etwa im Sektor Konzerte nach Komponisten, Interpreten, Epochen und Instrumenten gesucht werden. Das Archiv reicht 75 Jahre zurück, jeden Monat kommen nach eigenen Angaben gut 20 neue Beiträge dazu. Es gibt eine Playlist der Woche.

Das Monatsabo kostet 9,90 Euro, das Jahresabo im ersten Jahr 69,30 und danach 99 Euro. medici.tv (Stefan Ender, 1.2.2021)