Auch in St. Petersburg (Bild) kam es am Sonntag wieder zu großen Demonstrationen.

Foto: Sergei Mikhailichenko

Menschenrechtler in Russland haben die Massenfestnahmen bei den Kundgebungen für den inhaftierten Kreml-Kritiker Alexej Nawalny als beispiellos kritisiert. In mindestens 87 Städten seien mehr als 5.100 Demonstranten in Polizeigewahrsam gekommen, berichtete das Portal "Owd-Info" in der Nacht auf Montag. So viele Festnahmen habe es seit der Gründung der Organisation vor neun Jahren noch nie gegeben.

Die Menschenrechtler beklagten zudem ein "unverhältnismäßig brutales Vorgehen" der Sicherheitskräfte gegen friedliche Demonstranten. Mehr als 50 Menschen seien bei ihrer Festnahme geschlagen worden. Zudem seien mehr als 90 Journalisten in 31 Städten Russlands festgenommen worden. "Die Polizei mischte sich absichtlich in die Arbeit der Presse ein, die über die Proteste berichten wollte", hieß es.

Nawalnys Team ruft erneut zu Protesten auf

Die Protestwelle, die über Russland wegen Nawalny, Korruption und Justizwillkür hereinbricht, könnte weiter anhalten: Am Montag hat Nawalnys Team die Menschen dazu aufgerufen, den inhaftierten Oppositionellen am Dienstag vor dem Gericht zu unterstützen. In der Verhandlung geht es darum, ob eine frühere Bewährungsstrafe gegen Nawalny in eine echte Haftstrafe umgewandelt wird. Dem 44-Jährigen drohen mehrere Jahre Gefängnis.

Solchen Protestaufrufen will Russland allerdings ab sofort einen Riegel vorschieben: Am Montag trat ein Gesetz in Kraft, das Betreiber sozialer Netzwerke verpflichtet, Informationen über solche Demonstrationen zu suchen und diese zu blockieren. Das geht aus dem Gesetzestext hervor. Demnach sollen auch Inhalte über Terrorismus und Staatsgeheimnisse nicht mehr aufgerufen werden können.

Massendemonstrationen in 100 russischen Städten

Nawalnys Freilassung hatten Unterstützer bereits am Sonntag bei Massendemonstrationen in rund 100 Städten gefordert. Einige Beobachter meinten, dass die Proteste größer ausgefallen seien als am Wochenende zuvor. Die Aktionen waren allesamt nicht genehmigt. Bei Festnahmen droht eine Geld- oder Haftstrafe. Bereits vor mehr als einer Woche gab es bei Massenprotesten in Russland den Menschenrechtlern zufolge rund 4.000 Festnahmen. Die Behörden kommentierten diese Zahlen nicht.

Nawalny war vor gut zwei Wochen direkt nach seiner Rückkehr aus Deutschland an einem Moskauer Flughafen verhaftet worden, wo er sich fünf Monate lang von einem Giftanschlag erholt hatte. Der 44-Jährige macht Präsident Wladimir Putin und den Inlandsgeheimdienst FSB für den Anschlag verantwortlich. Putin und der FSB wiesen das zurück. (APA, red, 1.2.2021)