In der Serie alles gut? denkt STANDARD-Redakteur Andreas Sator über eine bessere Welt nach – und darüber, welchen Beitrag er leisten kann. Melden Sie sich hier für seinen kostenlosen Newsletter an.

Wenn zehn Prozent der Menschen aufhören, Rindfleisch zu essen, sorgt das Daumen mal Pi auch dafür, dass zehn Prozent weniger Rinder gehalten, geschlachtet und klimaschädliche Methan-Emissionen ausgestoßen werden. Hören zehn Prozent der Menschen auf, Aktien von schmutzigen Unternehmen zu kaufen, ändert das in der Regel: nichts. Nachhaltiges Anlegen kommt immer mehr in Trend. Banken verdienen damit gutes Geld. Noch bringt das Umwelt oder Klima nicht sonderlich viel. Es ist aber trotzdem nicht sinnlos, über grüne Geldanlage nachzudenken. Wie immer gilt: Es ist kompliziert. Hier besonders.

Sie lesen alles gut?, eine Serie, in der ich über eine bessere Welt nachdenke. Melden Sie sich für meinen Newsletter an – ich halte Sie auf dem Laufenden.

Kein Geld mehr in Ölaktien: Wie viel bringt das wirklich?
Foto: Imago / Müller-Stauffenberg

Ich habe hier, im STANDARD, 2017 über meine persönliche Geldanlage geschrieben (lesen Sie hier die siebenteilige Serie "Katsching" nach. Sie erklärt ganz grundsätzlich, wie das alles funktioniert.) Damals habe ich mir einen sogenannten ETF gekauft. Ein Papier, mit dem ich auf die Weltwirtschaft wette. Ich besitze Mini-mini-Anteile an riesigen Konzernen. Das minimiert mein Risiko – gehen 100 der 3.945 Firmen pleite, die dabei sind, ist das relativ egal. Das fällt nicht ins Gewicht, weil es so viele sind. Es minimiert auch Kosten: Banken verdienen daran nichts, weil mein ETF "passiv" ist, also einfach blind einen Aktienindex abbildet. Studien legen nämlich nahe, dass solch passive Fonds unter dem Strich aktiv verwaltete, teurere, schlagen.

Das einzige Problem mit dieser Form der Geldanlage: Sie ist auf dem Nachhaltigkeitsauge blind. Ich habe auch Papiere von Ölfirmen oder Amazon dabei. Geht das nicht besser?

Was heißt hier nachhaltig?

Seine Anlage nachhaltig zu machen ist alles andere als einfach. Auch wenn einem die vielen Angebote von Banken, Fonds et cetera etwas anders weismachen wollen. Fangen wir bei Papieren wie meinen ETFs an, die sich besonders für kleine Anleger eignen. Auch da gibt es viele, die von sich sagen, dass sie nachhaltig sind. Der Index MSCI World SRI wirft etwa Sündenaktien raus, darunter versteht er etwa Firmen, die mit Alkohol, Waffen oder Kernenergie ihr Geld verdienen. Das ist mein erstes Problem: Ist ein Bierbrauer wirklich sündig? Atomkraft ist auf jeden Fall auch besser als fossile Energie, die aber weiterhin im Index bleibt.

Selbst wenn man mit der Definition von Nachhaltigkeit konform gehen würde, was bringt es, wenn ich keine Aktien von schmutzigen oder sündigen Unternehmen kaufe? Leider recht wenig, wie Ökonomen und Finanzwissenschafterinnen sagen.

Kosten für schlechte Firmen

In der Theorie sollte es Firmen so schaden: Wenn weniger Leute ihre Aktien kaufen wollen, kommen die Firmen teurer an Geld. Eine Art, wie sich ein Konzern Geld holen kann, ist ja die Ausgabe von neuen Aktien. So hätten große Konzerne den Anreiz, sauberer zu werden, damit sie Geld sparen. Nur legt hier Forschung nahe, dass das nicht mehr als eine Theorie ist. Es müssten an die 60 bis 70 Prozent der Investoren koordiniert und nachhaltig handeln, um einen Effekt zu haben, sagt Josef Zechner, Finance-Professor an der Wiener Wirtschaftsuni.

Wenn nicht, kann sogar der umgekehrte Effekt eintreten: Nachhaltige Investoren sorgen dafür, dass schmutzige mehr Geld verdienen. Das liegt an der Funktionsweise von Aktien. Der Wert einer Aktie bemisst sich an den erwarteten Gewinnen, die ein Unternehmen in der Zukunft macht. Je höher die Gewinne erwartet werden, desto höher der Kurs. Wenn nun viele Anleger aus einer Aktie eines schmutzigen Unternehmens rausgehen, sinkt der Kurs. Aber die erwarteten Gewinne bleiben gleich. Wer sie kauft, verdient also mehr Geld damit!

"Die Beweislage ist dünn", sagt Hans-Peter Burghof von der Uni Hohenheim, "aber einige Studien legen nahe, dass jene, die gezielt Investments in schlechte Firmen tätigen, eine Überrendite haben. Für das Fehlen von Skrupel bekomme ich also eine Überrendite."

Gute Fonds

Aktien von Firmen nicht zu kaufen, die schmutzig sind, funktioniert also in der Regel nicht. Das heißt aber nicht, dass nachhaltiges Anlegen nicht doch möglich ist. Es gibt eine Reihe an aktiv gemanagten Fonds, die sich wirklich Mühe geben und denen Beobachter gute Zeugnisse ausstellen. So schneiden bei Stiftung Warentest, getestet auf Nachhaltigkeit, der Triodos Global Equities Impact und der GLS Bank Aktienfonds sehr gut ab.

Aktiv gemanagt heißt hier, dass es Fondsmanager gibt, deren Job es ist, Aktien von guten Firmen zu kaufen und von schlechten, nicht nachhaltigen oder nicht gut verdienenden wieder rauszuwerfen. Sie sind auch in Kontakt mit Firmen, fordern Informationen ein, mahnen an, dass sie ohne bestimmte Änderungen nicht mehr weiter Teil des Fonds sein können und so weiter. Das ist tatsächlich eine Möglichkeit, Firmen zu besserem Handeln zu bringen. (Dass es viele Fonds gibt, die sich mit dem undefinierten Nachhaltigkeitslabel ESG oder anderen, derzeit eher laschen Gütezeichen schmücken und nicht nachhaltig sind, ist eine andere Sache.)

Zwei große Aber

Nun aber zwei große Aber. Erstens haben ganz bewusst nachhaltig ausgewählte Fonds wie die oben erwähnten eine schlechtere Streuung. Der Weltaktien-ETF, den ich besitze, ist die ultimative Streuung. Das heißt: Es sind viele verschiedene Firmen aus vielen Ländern und Branchen dabei. Geht ein Sektor zugrunde, wie hoffentlich die Öl- und Kohleindustrie, dann tut das meiner Anlage wenig. Gibt es eine Wirtschaftskrise in ein paar Ländern, tut das auch nicht viel zur Sache. Bei Fonds, die oft bewusst Firmen aus bestimmten Sektoren kaufen, zum Beispiel Erneuerbare, ist die Streuung schlechter und das Risiko daher höher.

Zweitens gehen solche aktiv gemanagten Fonds ziemlich ins Geld. Wenn man jetzt einmal nur die jährlichen Gebühren vergleicht, klingt das nach nicht viel. Mein ETF kostet in der Tat nur 0,22 Prozent pro Jahr. (Mehr zu Vanguard und dazu, warum es dort so günstig ist, hier.) Die oben erwähnten Fonds kommen auf 1,5 Prozent, viele andere, nachhaltige Fonds sogar auf zwei Prozent plus. Und jetzt brauchen wir kurz ein bisschen Mathematik.

Nehmen wir an, ich lege 20.000 Euro an und die Kurse steigen jedes Jahr um vier Prozent. So steht der günstige ETF nach 25 Jahren bei 50.568 Euro. Der Fonds, der 1,5 Prozent im Jahr kostet, steht bei 37.079 Euro. Fast 13.500 Euro Unterschied! Nur wegen der Gebühren! Das ist der Grund, warum passive ETFs aktiv gemanagte Fonds im Durchschnitt schlagen. Gebühren, die jedes Jahr schlagend werden, addieren sich über die Zeit massiv auf.

Und wenn wir das höhere Risiko jetzt einmal zur Seite wischen (was Sie auf keinen Fall tun sollten), stellt sich mir die Frage: Ist der Nutzen, den so ein Fonds hat, wirklich 13.500 Euro wert? Wäre das Geld nicht anderswo besser investiert oder gespendet?

Ein gutes Geschäft?

Ein Argument, das dann oft kommt, muss ich noch aufgreifen: "Nachhaltige Investments sind einfach ein extrem gutes Geschäft! Erneuerbaren gehört die Zukunft." Ersteres war in den vergangenen Jahren ziemlich richtig, und letzteres stimmt auch. Aber das heißt trotzdem nicht, dass es für eine kleine, konservative Anlegerin gut ist, auf der Welle zu reiten.

Das liegt daran, dass ich schlauer sein muss als der Markt. Nur weil Erneuerbare in der Zukunft wichtiger werden – das bezweifelt ja niemand mehr –, werden die Kurse nicht weiter steigen. (Bei manchen Aktien wie Tesla, die explodiert sind, ist sogar das Gegenteil wahrscheinlicher.) Denn Investoren preisen die erwarteten Gewinne ohnehin in den Kurs ein. Ich muss also mehr darüber wissen, wie sich eine bestimmte Industrie entwickelt, als andere.

Dass das nicht unmöglich ist, zeigt die gute Entwicklung vieler Aktien mit dem Label "ESG". Investoren dürften in der Vergangenheit unterschätzt haben, dass soziale und ökologische Faktoren für viele Konsumenten wichtiger werden, und darum konnte man die Aktien "billig" kaufen. Ein großer Fehler wäre es aber, auf die Entwicklung der letzten zehn Jahre, etwa von Solaraktien, zu schauen, und daraus zu schließen, dass man damit auch in den nächsten zehn Jahren viel Geld machen wird. Nur als Beispiel: die Aktie Solarworld.

Nur mit Risiko

Heißt das jetzt, es ist eh alles wurscht? Nein, natürlich nicht. Wem es die Gebühren wert ist, der kann in gute Fonds gehen, die Unternehmen fördern und andere abstrafen. (Die Seite Cleanvest liefert eine gute Übersicht dafür.) Wer gerne Risiken für die gute Sache eingeht, der kann Projekte finanzieren, direkt Anleihen von guten Unternehmen kaufen und ihnen so Geld borgen, in Windparks investieren und so weiter; es gibt sehr viele Möglichkeiten. So etwas ist aber dann keine Geldanlage, die sich für durchschnittliche Bürgerinnen eignet, sondern eher ein Investment für eine bessere Welt, das auch gänzlich verlorengehen kann. Wenn, sollte so etwas nur ein kleiner Teil des Portfolios einer Anlegerin sein.

Klima- und Umweltpolitik braucht Geld

Um die Klimaziele zu erreichen, braucht es tausende Milliarden Euro, die den Umbau der auf Kohle, Öl und Gas basierenden Weltwirtschaft finanzieren. Das Geld dafür wird aber nicht von kleinen Anlegern kommen. Hier ist die Politik gefordert: Schmutzige Geschäfte müssen über CO2-Steuern und Gesetze teurer werden. Zentralbanken lassen dafür ihre Muskeln spielen. Regierungen sollten nachhaltige Investitionen subventionieren und so viel Geld von großen Anlegern anziehen. Milliardäre wie Elon Musk und Bill Gates können Start-ups anschieben, die vielleicht die nächste, weltrettende Technologie erfinden.

Finanzmärkte zu drehen ist wichtig. Für jemanden wie mich, der sein Erspartes konservativ anlegen möchte, ist da derzeit noch sehr wenig zu machen. Es dürfte einfacher werden: Die EU-Kommission macht Druck für mehr Transparenz bei grünen Finanzprodukten.

Die Stimmung drehen

Sich mit dem Thema zu beschäftigen, beim Bankberater oder Fonds nachzufragen, macht Druck und Stimmung. Die braucht es. Die Durchschnittsbürgerin, die die Welt verbessern will, ist mir ihrer Zeit aber im Moment noch bei anderen Dingen besser aufgehoben: sich mit Politik beschäftigen, wählen, E-Mails an Verantwortliche schreiben, mit dem eigenen Konsum beschäftigen, demonstrieren et cetera.

Hans-Peter Burghof von der Uni Hohenheim hat das schön in Worte gefasst: Nur weil jemand religiös ist, ist es noch keine gute Idee, sich vor dem Autofahren zu bekreuzigen. Das eine ist, was man will, und das andere, wie man es erreicht. Die Autofahrt wird durch das Kreuz nicht sicherer – und die Welt nicht nachhaltiger, wenn kleine Anleger umdenken. Wenn die Weltwirtschaft auf Druck von uns und der Politik klimaneutral wird, wird das auch meine Geldanlage. Sie bildet ja schließlich die Weltwirtschaft ab. Damit kann ich leben.

Wenn Ihnen der Beitrag gefallen hat, melden Sie sich für den Newsletter an. Ich schreibe Ihnen, wenn im Rahmen der Serie ein neuer erscheint. (Andreas Sator, 14.2.2021)

Anmerkung: Das schöne Beispiel mit den zehn Prozent vom Beginn des Artikels stammt von Isabella Kooij von der ETH Zürich.