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PRO: Zeit für Modernisierung

von Sebastian Fellner

Die österreichische Staatsbürgerschaft ist kein Privileg. Sie wird jedes Jahr zehntausende Male verschenkt – und zwar an alle Kinder von Menschen, die bereits einen österreichischen Pass haben. Die politische Entscheidung, alle anderen hier geborenen Kinder von der Staatsbürgerschaft auszuschließen, fußt auf einem völkischen Grundgedanken, der zu einem modernen Staat einfach nicht passt. Im 21. Jahrhundert kann sich die Republik ihre Bürger nicht auf Basis genealogischer Argumente aussuchen.

Wer den Großteil seines Lebens in Österreich verbracht hat, soll bestimmte Rechte haben, mitentscheiden dürfen – und nicht als Kind mitten in der Nacht von der Polizei in ein fremdes Land gebracht werden können. Seit Jahren wächst jener Teil der Bevölkerung, der zwar hier lebt, an der Gesellschaft teilnimmt, Gesetze befolgt und Steuern zahlt, aber bei Wahlen nicht mitentscheiden darf. Das ist ein demokratiepolitisches Problem, das uns noch auf den Kopf fallen wird. Zumal der Zugang zur Staatsbürgerschaft zuletzt immer weiter erschwert wurde.

Ja, diese Umstellung würde einiges komplizierter machen. Die Regierung müsste vor allem ihren (selektiven) Widerstand gegen Doppelstaatsbürgerschaften aufgeben. Aber andere Länder wie die USA zeigen, dass ein Geburtsortprinzip möglich ist. Gerade ein Einwanderungsland wie Österreich braucht dringend eine aktualisierte Definition dessen, wer sein Souverän ist. (Sebastian Fellner, 2.2.2021)

KONTRA: Nicht allein der Geburtsort

von Eric Frey

In einem großen Land mit wenigen Nachbarn hat ein striktes Geburtsortsprinzip für den Erwerb der Staatsbürgerschaft eine gewisse Berechtigung. Aber auch in den USA führt das "ius soli" zu Problemen wie etwa einer regen Schwangerschaftsmigration: Werdende Mütter versuchen, über eine Geburt auf amerikanischem Boden einen Anker für die Einbürgerung der ganzen Familie zu gewinnen. Dabei gefährden sie oft die eigene Gesundheit und die ihres Kindes.

In einem Binnenland wie Österreich wäre das noch einfacher. Das wäre nicht nur riskant, sondern auch unfair. Die Geburt in Österreich sollte ein Faktor für das Recht auf Einbürgerung sein, aber nicht der entscheidende. Warum soll ein Kind, das erst mit sechs Monaten ins Land kam und dann hier aufwächst, weniger Anrecht haben als eines, das hier geboren wurde, aber sonst weniger Verbindungen zu Österreich hat?

In der EU verfolgt kein Staat ein reines Geburtsortsprinzip: In Deutschland müssen die Eltern acht Jahre vor der Geburt rechtmäßig im Land leben; in Frankreich gilt es nur für die zweite im Land geborene Generation.

Für ein Bleiberecht der zwölfjährigen Tina spricht, dass sie hier völlig integriert und in Georgien ziemlich fremd ist, nicht die Geburt in Österreich. Wir brauchen dringend ein liberaleres Einbürgerungsrecht, ein Geburtsortautomatismus ist allerdings der falsche Weg dorthin. (Eric Frey, 2.2.2021)