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Félix Tshisekedi emanzipiert sich.

Foto: Reuters / Henry Nicholls

Félix Tshisekedi galt als klassische "lahme Ente" – als Präsident, der kaum mehr ausrichten kann, als seinen mächtigen Körper bei festlichen Ereignissen zur Schau zu stellen. Doch völlig unerwartet entwickelte der 57-jährige Staatschef der Demokratischen Republik Kongo im Verlauf seiner zweijährigen Amtszeit beachtliches taktisches Geschick und manövrierte seinen mächtigen Gegenspieler, den einst 18 Jahre lang herrschenden Ex-Präsidenten Joseph Kabila, ins politische Abseits.

Kennerinnen und Kenner des Landes sprechen von der wunderbaren Verwandlung einer lahmen Ente in einen scharfsinnigen Adler, der dem seit seiner Unabhängigkeit vor 60 Jahren wie kein anderes Land der Welt geschundenen Staat im Herzen Afrikas endlich eine Chance geben könnte. Ob es nun tatsächlich dazu kommt, ist allerdings fraglich.

Produkt eines faulen Deals

Tshisekedis jüngster Schachzug fand in der vergangenen Woche statt und beraubte Kabila seiner wichtigsten Figur, Premierminister Sylvestre Ilunga, der auf Geheiß des vermeintlichen Marionettenmeisters die Regierung geführt hatte. Das Parlament entzog Ilunga das Vertrauen, obwohl Kabilas "Front commun pour le Congo" (FCC) im 500-köpfigen Abgeordnetenhaus über eine riesige Mehrheit verfügte. Zuvor hatte Tshisekedi dutzende Kabila-Getreue dazu bewogen, ihrem Patron den Rücken zu kehren. Wie er das genau angestellt hatte, ist nicht überliefert. Im Kongo ist jedoch vieles gegen Geld zu bekommen.

Auch Tshisekedi selbst war lediglich durch einen faulen Deal an die Macht gekommen. Bei der Wahl vor zwei Jahren, an der Kabila wegen der Mandatsbeschränkungen nicht mehr teilnehmen durfte, schnitt der von ihm auserlesene Kandidat Emmanuel Ramazani Shadary dermaßen schlecht ab, dass er selbst durch massivste Stimmenmanipulation nicht zum Sieger erklärt werden konnte. Deshalb ließ Kabila die Stimmenauszählung aussetzen und trat in geheime Verhandlungen mit Tshisekedi ein, der nach unabhängigen Berechnungen der katholischen Kirche weit hinter dem Favoriten der Opposition, Martin Fayulu, lag. Kabilas Gespräche mit Tshisekedi führten zu der Vereinbarung, dass Letzterer die Präsidentschaft und Kabilas Bündnis FCC die Mehrheit im Parlament zugesprochen werden sollte. Entsprechend fielen dann auch die Ergebnisse des Urnengangs aus.

Kabila verrechnet sich

Thisekedi ist der Sohn des verstorbenen Étienne Tshisekedi, der jahrzehntelang die Opposition – erst gegen Diktator Mobutu und dann gegen Vater und Sohn Kabila – angeführt hatte. Er galt als politisches Urgestein, das selbst Gefängnisaufenthalte nicht kleinkriegen konnten. Ähnliche Eigenschaften wurden seinem Sohn Félix nicht nachgesagt. Und doch erreichte er in den ersten zwei Jahren seiner Präsidentschaft wesentlich mehr, als ihm selbst Parteifreunde zugetraut hätten.

Gegen den Willen Kabilas setzte Tshisekedi junior sein Recht durch, die wichtige Wahlkommission, das Oberste Gericht sowie den staatlichen Bergbaukonzern Gécamines mit seinen Kandidaten zu besetzen – und kündigte schließlich die Allianz mit Kabilas FCC ganz auf. Nur so könne das heruntergewirtschaftete Land wirklich reformiert werden, sagte der Präsident.

Sorge vor der Sezession

Zu dieser Zeit hatte Tshisekedi bereits Gespräche mit zahllosen FCC-Abgeordneten geführt. Und als er genügend Überläufer hinter sich wusste, wählte seine Partei gemeinsam mit Fayulus Abgeordneten zunächst die Parlamentssprecherin und dann den Regierungschef ab. Seitdem befindet sich Kabilas Lager in heller Aufregung: Der Pate selbst setzte sich in die Provinz Katanga ab, wo seine Familie herkommt. Die bodenschatzreiche Region liebäugelt schon seit der Unabhängigkeit des Kongo mit ihrer Abspaltung. Darauf könnte jetzt auch Kabila hinarbeiten, befürchten viele.

Kürzlich nahm Tshisekedi auch Gespräche mit dem eigentlichen Wahlsieger Fayulu auf. Doch diese sollen bereits an dessen Forderung gescheitert sein, zumindest das Amt des Premierministers zugesprochen zu bekommen. Damit sei die zum Raubvogel erstarkte Ente nicht einverstanden, heißt es in Kinshasa: Tshisekedi regiere lieber mit seiner zusammengeschusterten Parlamentsmehrheit und einem handverlesenen Premierminister weiter. Der "saubere Schnitt mit der dunklen Vergangenheit des Kongo", den der Präsident nach seinem angeblichen Wahlsieg angekündigt hatte, lässt so noch immer auf sich warten. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 2.2.2021)