Das mit der Impfung wird noch länger dauern. Bleibt also nur, sich nach anderen Überlebensstrategien umzusehen. Mitunter lässt man sich da halt von verstiegen wirkenden Theorien inspirieren. Wie wäre es etwa mit der Idee, dem Tod mithilfe ausgesucht guten Essens ein Schnippchen zu schlagen? Dem leistet eine Studie im European Journal of Allergy and Clinical Immunology Vorschub, die unter Beteiligung zahlreicher Wissenschafter aus ganz Europa entstanden ist.

Darin wird untersucht, ob die markant niedrigere Sterblichkeit in manchen Ländern (Ost-)Europas und Ostasiens während der ersten Welle mit deren gesteigertem Konsum von Sauerkraut und anderem, milchsauer vergorenem Gemüse zusammenhängen könnte. Die Studie listet vielversprechende Hinweise auf, wonach sich gewisse Inhaltsstoffe von Sauerkraut, Kimchi und Co explizit mildernd auf die gefürchteten, überschießenden Immunreaktionen in manchen Covid-Verläufen auswirken könnten.

Das Sura in der Singerstraße, im Herzen Wiens, setzt täglich Kimchi an. Und das hat nicht nur kulinarische Vorzüge.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Klingt zu schön: Dem Sensenmann eins auswischen, weil man beim Szegediner, den Krautrouladen, bei sichuanesischen Dan-Dan-Nudeln und Mapo-Tofu mit vergorenem Blattsenf, bei Kimchi Jeon und Gamjatang immer gierig brav zugelangt hat. Aber was, wenn’s doch nicht stimmt? Der Lustgewinn bleibt einem im Zweifel auch als Toter.

Selbst kochen (selbst säuern?) ist natürlich die souveränste Art, sich die kostbaren Umami-Noten und prickelnden Frischegefühle zu sichern, die milchsauer vergorenes Grünzeug in sich birgt. Klug bestellen kann aber auch was.

Beim Onlineshop des Landhauses Bacher in Mautern zum Beispiel, wo Thomas Dorfer ein sehr klassisches, mit zart schwarteligen Schulternuggets vom Schwein durchsetztes Szegediner parat hält – ein Glas reicht locker für zwei Personen.

Das Gasthaus Wolf bietet auf der Wieden Schweinebauchknödel mit exzellentem Sauerkraut, Hausmairs Gaststätte auf der Lerchenfelder führt Szegediner immerhin auf Vorbestellung.

Wer auf echte Antiquitäten wie Christian Domschitz’ rahmgeiles Hummerkrautfleisch aus dem Vestibül spitzt, muss sich hingegen bis zum Wiederaufsperren gedulden. Wobei: Das wird auf Nobel mit Frischkraut gemacht und ist somit eine Themenverfehlung.

Lustig Sarma

Also besser zum Serben, zum Beispiel ins Sokače auf der Sechshauserstraße, wo neben den gerühmten Kiloportionen vom Grill auch sehr vernünftige Krautrouladen gewickelt werden.

Solche hat aber auch Max Stiegl vom Gut Purbach im Programm, jeden Freitag und Samstag frisch beim Besengeschäft auf der Kettenbrückengasse – ein ganz herausragendes, noch zart knackiges Szegediner gibt es da ebenso. Sogar Kimchitascherl bietet der frischgebackene Koch des Jahres, seit er die Kochkunst einer chinesisch-koreanischen Mitarbeiterin entdeckt hat, die sich ursprünglich als Reinigungskraft vorgestellt hatte.

Bibimbap mit Kimchi-Variationen aus dem Sura.


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Foto: Gerhard Wasserbauer

Womit wir, endlich, beim Kimchi sind, dem Turbo-Sauerkraut aus Korea das dank Knofl, Ingwer, Gochugaru-Chiliflocken und, mit Glück, sogar Fischsauce auf ganz eigene Art mit Umami-Funk aufgeladen ist. Koreaner wollen deshalb stets eine Batterie verschiedener Gärgemüse am Tisch wissen.

Das Sura in der Singerstraße ist eine Topadresse für koreanische Küche in Wien. Seit dem Lockdown wird hier auch hausgemachtes Kimchi (siehe Bild) für daheim abgefüllt – frisch, prickelnd, alles andere als schüchtern gewürzt, ganz große Empfehlung.

Neben der Standardkarte bietet das Sura auch Home-Kits zum Selbermachen. Da lernt man am eigenen Herd, wie vielfältig die Koreaner das Sauerkraut in der Küche zu nutzen wissen, wie variantenreich auch die Aromatik der stets chiliroten Speisen ist – und wie einfach sich grandioser Geschmack auf den Teller bringen lässt. Solange nur genug Kimchi im Spiel ist.(Severin Corti, RONDO, 5.2.2021)

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