Die Ehrengarde in Hanoi während des 13. KP-Parteitags.
Foto: EPA/LUONG THAI LINH

Der Parteitag hätte noch einen Tag länger dauern sollen. Da aber in Vietnam – nach 55 Tagen ohne Neuerkrankungen – wieder Corona-Fälle auftraten, beendeten die überwiegend älteren 1.600 Delegierten den 13. Parteitag der Kommunistischen Partei einen Tag früher als geplant. Zum neuen, alten Chef wurde der 76-jährige Nguyen Phu Trong gewählt, er tritt somit eine dritte Amtsperiode an.

Die KP ist die einzige legale Partei in dem 97 Millionen Einwohner zählenden südostasiatischen Land. Wie einst in der Sowjetunion finden ihre Parteitage nur alle fünf Jahre statt und feiern zeremoniell den Machtanspruch. Sie ziehen Bilanz und legen eine Marschroute fest.

Die Wahl des ultrakonservativen Literaturwissenschafters Trong verstößt formell zweimal gegen die KP-Statuten: Erstens sehen sie für einen Parteichef ein Höchstalter von 65 Jahren vor. Und zweitens lassen sie nur zwei Perioden zu. Dass sich die Delegierten dennoch auf den Mann einigten, der seit einem Schlaganfall 2019 Hilfe seiner Personenschützer zum Gehen benötigt, liegt daran, dass die Vertreter seines dogmatischen Parteiflügels mit einer personellen Neubesetzung nicht nur einen Richtungswechsel fürchten würden, sondern auch die Rache ihrer Kontrahenten vom Wirtschaftsflügel.

Mehrere Vertreter dieser in die Defensive geratenen Faktion, darunter viele lokale Parteichefs, wurden wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht gestellt und zu lebenslangen oder langjährigen Haftstrafen verurteilt.

Das traditionelle Agrarland, das nach wie vor Reis, Kaffee und Pfeffer für den Weltmarkt produziert, hat sich seit den 1990er-Jahren auch zu einem Industriefertigungsland entwickelt. Inzwischen werden dort nicht mehr nur billigste Textilien und Schuhe produziert, sondern auch Elektronik, etwa Handys. Vietnam profitierte dabei von Donald Trumps Zollkrieg gegen Peking: Viele US-Investoren zogen aus China ab. So verzeichnete Vietnam selbst im Corona-Jahr 2020 ein Wirtschaftsplus von knapp drei Prozent.

Bild nicht mehr verfügbar.

Präsident Nguyen Phu Trong ist zum dritten Mal Parteichef der KP.
Foto: REUTERS/Kham

Aber nicht alle profitieren davon: Bauern werden enteignet, wenn ihre Häuser und Reisfelder für Industrieprojekte benötigt werden. Sie ziehen verarmt in die Städte. Die Tourismusbranche liegt Corona-bedingt am Boden.

Vietnam nennt sich zwar sozialistisch, das hat aber wenig mit dem zu tun, was man hierzulande unter sozialer Gerechtigkeit versteht: Es werden Schulgeld und Studiengebühren eingehoben. Pension und Krankenversicherung gibt es nur für ganz wenige. Bei Krankheit und im Alter ist man auf Solidarität der Großfamilie angewiesen; wer keine hat, bleibt auf der Strecke. Vietnam zeichnet sich zudem durch Pressezensur aus und ist einer der Staaten weltweit, die die Todesstrafe am häufigsten anwenden.

Internetpranger für Kontaktpersonen

Dank rigoroser Abschottung seit fast einem Jahr und einer disziplinierten Bevölkerung hat Vietnam Corona gut im Griff. Es gibt offiziell nur rund 1.700 Corona-Fälle und 35 Tote. Ein Erfolgsrezept: Wer einreisen will, muss ohne Ausnahme eine zweiwöchige Quarantäne unter staatlicher Kontrolle absolvieren.

Kommt es dennoch zu Corona-Fällen, dann werden Kontaktpersonen bis zum vierten Grad abgesondert. Die Methoden dazu sind gewöhnungsbedürftig: Daten von noch nicht gefundenen Kontaktpersonen werden an eine Art Internetpranger gestellt, um sie zu finden. (Marina Mai, 1.2.2021)