Weghaupt war dabei der Erste, der sein Brot fesch ummantelte und Belegschaft sowie Shop durchdesignte.

Foto: Ian Ehm

Burgschleinitz ist ein Ort mit einer kleinen Christbaumfarm und einem großen Beton-Holz-Gebäude mit Blick auf die nachwachsenden Weihnachtsfreuden. Der bootsähnliche Bau aus Holzpfählen und Glas, der inmitten eines Meeres aus Feldern und Wiesen emporragt, ist das Flaggschiff von Joseph Brot. Seit vier Jahren entstehen an dieser Stelle im Waldviertel, etwa eine Stunde vor Wien gelegen, alle Brote, die Joseph-Brot-Liebhaber in Wien kaufen können.

Natürlich ist so ein Bau, der Fermentationskammern in Wohnzimmergröße und Teigmischmaschinen wie Badewannen beheimatet, in Wien eine gar kostspielige Angelegenheit. Das ist aber nicht allein der Grund, warum Josef Weghaupt, der Gründer von Joseph Brot, diesen Standort als Geburtsstätte für seine Brote gewählt hat.

Denn etwa 15 Minuten von Burgschleinitz entfernt ist der heute 40-Jährige aufgewachsen. Ein bisschen ist er aus Großwiesendorf, ein bisschen aus Favoriten. Der Sohn eines Eisenbahners und einer Hausfrau, ein Kind von dreien, wollte auch mit seinen Broten wieder zu seinen Wurzeln zurückkehren.

Fesch ummantelt

Die Hard Facts zu Joseph Brot sind schnell erzählt: Es war irgendwann im Jahr 2009, als es dem Qualitätsmanager eines Industriebäckers, Josef Weghaupt, mit Kommastellenzählen und Gedanken fernab von Qualitätsansprüchen, wie er sagt, zu bunt wurde, und er kündigte. Dann fing er an, mit einem befreundeten Meisterbäcker seine eigenen Brötchen zu backen.

Diese schmeckten wohl allen, aber um den Preis, der sich aus Handarbeit und hochwertigen Zutaten ergab, kaufte 2009 niemand Brot. Mit Ausnahme von Gastronom Bernd Schlacher. Er war der erste Abnehmer von Joseph Brot, für all seine Restaurants. Das war Josef Weghaupts Ticket zum Erfolg und die Möglichkeit über die kritische Menge, die er zum Überleben brauchte, zu produzieren.

Handsemmeldrehen im Akkord
Foto: Ian Ehm

2011 folgte die erste Filiale von Joseph Brot in der Naglergasse im ersten Bezirk in Wien. Das ist heuer zehn Jahre her. Weghaupt war dabei der Erste, der sein Brot fesch ummantelte und Belegschaft sowie Shop durchdesignte.

Freilich aus einem Vermarktungsgedanken heraus, aber auch deswegen, wie Weghaupt es formuliert: "Wieso soll ich mein Brot, wenn ich so viel Mühe, Wissen und Geld in die Entwicklung stecke, dann auf Pressspanplatten präsentieren?"

Brot als Lebensstil

Seitdem hat der gelernte Lebensmitteltechniker mit Claudia Stöckl gefrühstückt, Brot im Designpaket aus Inszenierung und Aufmachung als erste treibende Kraft zum Lifestyle-Objekt gemacht und sein Brotimperium um sechs Dependancen sowie eine Firmenzentrale in seiner Heimat erweitert. Soweit der Faktencheck.

Dass der Mensch Josef Weghaupt aber zwischen Broten ein anderer ist als der, den man aus Interviews kennt, wird erst vor dem gartenhausgroßen, mit Öl befeuerten Ringrohrofen ersichtlich, in dem täglich bis zu 1000 Joseph-Brote ihre knusprige Kruste bekommen.

Dann geht es darum, beim Formen der Brote zum Jedi-Ritter zu werden. Weghaupt: "Wir sagen immer, wer das richtig formt, ist ein Jedi-Ritter, weil es wirklich eine große Kunst ist, das Brot so zu falten, wie ich es mir für Joseph Brot vorstelle."

Das Ergebnis nach acht Minuten im Ofen.
Foto: Ian Ehm

Zeit ins Brot bringen

Im gebackenen Zustand ist die Jedi-Kunst nur noch an der Vielzahl knuspriger Spitzen erkenntlich. Im Making-of ist sie eine Origami-Faltvariante, die an einem Weizenteigklumpen mit Roggensauer von 1250 Gramm angewandt wird. "Beim Backen gehen 200 Gramm verloren, daher die 1,25 Kilogramm für ein Kilo Joseph-Brot", sagt Weghaupt, während er den nächsten weichen Teig formt, umdreht und auf den Abzieher verfrachtet.

Dort bekommt er noch ein wenig Zeit, um sich zu entfalten, bevor es in den Ofen geht. Im ersten Durchgang wohlgemerkt. Denn die Brote in Burgschleinitz backen zweimal, für die perfekte Kruste und das luftdurchzogene Innere. Das Ziel des zwischen Blechen, Teigmischmaschinen und Fermentationskammern herumturnenden Josef Weghaupt ist dabei immer das gleiche: Wie bekomme ich mehr Zeit ins Brot? Und das mit dem Denken eines Lebensmitteltechnikers.

Weghaupt: "Ich bin kein gelernter Bäcker, sondern Fleischer und Lebensmitteltechniker. Daher weiß ich, wie Mikroorganismen arbeiten. Das ist für Brot enorm wichtig und wird Bäckern viel zu wenig vermittelt." Eineinhalb Jahre tüftelte er an der Rezeptur für sein Joseph-Brot aus Weizen und Roggensauer. Erst dann war die Säure perfekt, wurden die Lufteinschlüsse Weghaupts Ansprüchen gerecht, und der pH-Wert stimmte.

Der Unterschied zu normalem Brot

Ein Brot im Industriebetrieb bekommt vom Zusammenmischen bis zum Ausliefern in die Filialen gerade einmal neunzig Minuten Zeit. Das schließt die Arbeit mit Sauerteig von vornherein aus. Kräftige Industriehefen, die schnell werkeln, kommen hier zum Zug.

In Burgschleinitz braucht gut Ding Weile, bis es für den Backofen fertig ist. Der Vorteig und der Sauerteig rasten einen Tag, um dann mit Brotmaische, den restlichen Mehlen und Roggensauer für zwei weitere Tage in die Fermentationsphase zu gehen.

Josef Weghaupt macht diesen Unterschied verständlich, indem er die Fermentationskammer öffnet und die Tür des Raums, der bis oben hin mit Teig gefüllt ist, hinter sich schließt und sagt: "So, und jetzt die Maske herunter. Das riecht unglaublich, oder?" Und tatsächlich, wer schon einmal im Sherry-Gebiet war, wo Wein unter einer Hefeschicht reift, kennt den Geruch. Der Geruch von werkenden Hefen, die im Raum und im Brot präsent sind. Leicht säuerlich und nach frischem Brot, wenn man die Nase tief in den Wecken steckt.

Nur hochwertiges Getreide wie der Purpurweizen bringt auch die richtigen Klebereigenschaften mit.
Foto: Ian Ehm

Sehen, wie es wird

Das Getreide, das hier verbacken wird, hat mit dem in Industrielaiben ebenso nichts gemein. Das zeigt der Bäcker mit einem Griff in die Purpurweizenschüssel. Das Mehl lässt sich formen wie ein super Schneemannschnee. Die Farbe ist leicht rötlich, weil auch die Körner dieser alten Sorte etwas Purpur in sich haben. Gemeinsam mit Heidelbeersaft aus Linz und der Brotmaische geht das Mehl in die Symbiose, um als Endergebnis zum PurPur-Wecken zu werden.

Nebenan werden Bioweizenkeim-Kaisersemmeln mit der Hand geschlagen. Durch die Zugabe der Weizenkeime zum Mehl will der Semmelteig noch länger ruhen. Das führe zu einem volleren Geschmack, so der Bäcker-Quereinsteiger. Es ist ein Rezept, das aktuell nur für die Filiale in Währing zubereitet wird.

Ein bisschen zu viel Mehl ist für Josef Weghaupt an den Semmeln haften geblieben. Das gehört noch verbessert. Aber jetzt muss einmal die nächste Charge Joseph-Brot in den Ofen. Lukas, der Leiter der Backstube, ist an diesem Tag nicht in Burgschleinitz. So kann Weghaupt nicht wie sonst, wenn Lukas die Produktion überwacht, an seinen Ideen tüfteln.

Auch wenn das ein Mehr an Anpacken und an Fragen an die Belegschaft für Weghaupt bedeutet, es scheint ihn kaum zu stören. Geduldig stürzt er die Purpur-Wecken aus den Zellulosekörben, bis sich jemand findet, der mit ihm das zwei Meter lange Brotblech in den Ofen verfrachtet. "Das macht er am liebsten", flüstert da Betriebsleiter Christoph. "Beim Brot sein und sehen, wie es wird." (Nina Wessely, RONDO, 4.2.2021)

Wie die warmen Semmeln

Von der stylishen Brot-Boutique im urbanen Raum über traditionelle Familienbetriebe bis zu Bio-Vollkorn-Bäckereien gibt es im ganzen Land köstliches Gebäck. Eine Auswahl.


Öfferl

Die Öfferl-Bäckerei in der Wiener Wollzeile
Foto: Bäckerei Öfferl

Als die Öfferls 2019 in der Wiener Wollzeile ihr stylishes Geschäft samt Bistro eröffneten, bildeten sich Menschenschlangen. Schließlich galt das Brot – der Stammbetrieb ist in Gaubitsch im Weinviertel – schon davor als eines der besten. Mittlerweile gibt es das handgemachte Biobrot auch in Filialen in der Währinger und der Mariahilfer Straße zu kaufen.

Wollzeile 31
1010 Wien


Gragger

Helmut Gragger bäckt Biogebäck (besonders empfehlenswert: die Buttersalzstangerln) im Holzofen. 2019 eröffnete er im 2. Bezirk im Nordbahnviertel mit Christoph Chorherr und Anna Holzinger eine Bäckerei inklusive Café als Sozialprojekt. Das Gebäck wird von dort auch mittels Brotrad an die Kundschaft gebracht. Derzeit gibt es zusätzlich Pop-ups.

Spiegelgasse 23, 1010
Schweidlgasse 25, 1020 Wien


Ströck Feierabend

In den beiden Feierabend-Filialen der Großbäckerei Ströck setzt man besonders auf Regionalität und Bio-Produkte und bietet auch Brotspezialitäten an, die nur dort erhältlich sind. Manche werden dann auch ins generelle Ströck-Sortiment aufgenommen. Im Gastro-Bereich wird Gemüse aus dem eigenen Garten verarbeitet.

Landstraßer Hauptstraße 82, 1030
Rotenturmstr. 6, 1010 Wien


Motto Brot

Viennoiserie von Mottobrot
Foto: Lukas Lorenz

Wenn Gastronom Bernd Schlacher, Brotexpertin Barbara van Melle und Starbäcker Claudio Perrando gemeinsame Sache machen, kommt Motto Brot heraus. Seit Dezember 2020 entstehen auf der Mariahilfer Straße in Wien Brote und Patisserie nach jahrhundertealten Rezepten unter Verwendung von ursprünglichen Getreidesorten und Sauerteig.

Mariahilfer Straße 71 A
1060 Wien


Kasses

Erich Kasses setzte schon vor vier Jahrzehnten auf Sauerteig und lange Teigführung. Er baut auch selbst Getreide an. Seine Brote sind nicht nur daheim im Waldviertel, sondern auch in Wiener Feinkostläden wie Meinl am Graben oder Pöhl am Naschmarkt erhältlich. Mit Jahresbeginn übergab er den Betrieb an die Töchter Laura und Lena.

Hauptstraße 11, 3842 Thaya


Bäckerei Brandl

Regionale Zutaten, keine Fertigmischungen, alte Familienrezepturen und ausschließlich Handarbeit – damit ist die Linzer Bäckerei Brandl bereits seit 1891 erfolgreich. Meisterbäcker Franz Brandl führt das Familienunternehmen in vierter Generation und bietet in seinen zwei Filialen im Zentrum von Linz Semmeln, Mohnflesserln und anderes köstliches Gebäck an.

Bismarckstraße 6
Landstraße 48
4020 Linz


Itzlingers

Die Bio-Bäckerei Itzlinger ist in Salzburg heiß begehrt. Benannt ist sie nach dem Bäcker Jakob Itzlinger, der die Backstube und Mühle in Faistenau in Kreislaufwirtschaft betreibt. Das herrliche Roggenvollkornbrot aus Natursauerteig gibt es donnerstags auf der Schranne oder den anderen Salzburger Märkten und bei ausgewählten Vertriebspartnern zu kaufen.

Karlmühlweg 9
5324 Faistenau


Liebe Sonne

In der Bäckerei Liebe Sonne in der Altstadt von Hall in Tirol wird Brot verkauft, das Bäckermeister Egon Weissteiner nach alter Tradition bäckt – ganz ohne industrielle Zusatzstoffe. Ein besonderer Tipp – nicht nur für die Grillsaison – sind die absolut köstlichen Burger-Buns, die man hier auf Bestellung gebacken bekommt.

Stadtgraben / Ecke Guarinonigasse
6060 Hall in Tirol


Ciabatta

Die Vorarlberger Bäckerei Waltner hat sich in Bregenz am Standort Rathausstraße, gleich in der Nähe des Vorarlberger Landesmuseums, der Ciabatta verschrieben. Von Vollkorn- über Rosmarin- bis zu Kartoffel-Ciabatta reicht die Angebotsvielfalt. Es gibt aber nicht nur Ciabatta, sondern auch diverse Baguettes und eine große Auswahl an Croissants.

Rathausstraße 37
6900 Bregenz


Waldherr

Süßes von Waldherr
Foto: Stephy Zinz-Ewers / Waldherr

Geht es um Vollkorn und Gebäck, das für Menschen mit Unverträglichkeiten geeignet ist, kommt man an Clemens Waldherr nicht vorbei. Er stellte 1994 die Eisenstädter Familienbäckerei – nach der Lehre beim Vollkornpionier Gradwohl – komplett auf die Verarbeitung des ganzen Korns um. Filialen betreibt er in Wien und Graz.

Kleinhöfleiner Hauptstraße 39
7000 Eisenstadt


Bäckerei Wienerroither

Auch ein Traditionsunternehmen kann mit der Zeit gehen. Die Kärntner Bäckerei Wienerroither hat unter anderem auch veganes, weizenfreies und Dinkelgebäck im Sortiment. Zwanzig verschiedene Weckerln und fast so viele Brotsorten bietet der Familienbetrieb, der seit 1937 besteht und heute zwölf Filialen sowie das Stammhaus in Pörtschach umfasst.

Filialen in Pörtschach, Klagenfurt, Velden und Villach


Martin Auer

Die Auer-Filiale am Jakominiplatz in Graz
Foto: moodley brand identity / Martin Auer

"Gib dem Brot die Seele zurück", hat Martin Auer in mühlsteingroßen Lettern über die älteste Bäckerei der Stadt Graz geschrieben. Seit 1688 bäckt man hier Brot, seit Martin Auer, der Bäcker mit Mehl-Allergie, am Werk ist, mit hochwertigen Zutaten und nach bekömmlichen Rezepten. Das Ergebnis geht fesch verpackt und flott beschriftet über den Tresen.

Dietrichsteinplatz 13, 8010 Graz

(RONDO, 4.2.2021)