An einer großen Reform des Mietrechts scheitern die jeweiligen österreichischen Regierungen seit vielen Jahren.

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Die Mieten steigen; im letzten Jahr laut Statistik Austria um 4,1 Prozent. Wohnen war damit wieder einer der "Preistreiber" bei der Jahresinflationsrate, die selbst nur 1,4 Prozent betrug.

Letzteres wird dazu führen, dass es – und das ist die gute Nachricht – in einem Teilsegment des Wohnungsmarktes, bei den Richtwertmieten, im April nur moderat nach oben gehen wird (siehe dazu auch dieser Artikel).

Befristungen nehmen überhand

Die schlechte Nachricht ist: Das nichtgeförderte Segment des Wohnungsmarkts wird weiterhin sich selbst überlassen, und dadurch verstärken sich negative Tendenzen wie etwa die zahlreichen Befristungen bei Mietverträgen nur noch. Laut Statistik Austria (Mikrozensus) waren 2019 bereits 22 Prozent aller bestehenden Mietverträge in Österreich (also inklusive der in aller Regel unbefristet vermieteten Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen) befristet, 2010 waren es erst 14,5 Prozent. Im privaten Segment ist bei einem Neuabschluss eine Befristung heute die Regel.

Die Möglichkeit, Neubauwohnungen ohne finanzielle Einbußen befristet vermieten zu können, ist der eine Grund, warum der Wohnbau in Städten wie Wien und Graz derzeit fest in der Hand institutioneller Investoren ist. Die Befristung erlaubt es ihnen, die Mieten schneller anzuheben, als dies sonst möglich wäre.

Wohnbau für Investoren

Der andere Grund ist der freie Mietzins ohne Preisdeckel, der nach derzeitiger Rechtslage bei freifinanziert errichteten Wohngebäuden über deren gesamte Lebensdauer gilt. In den vergangenen Jahren hat sich das auch unter deutschen Investoren herumgesprochen.

Und weil nun der freifinanzierte Wohnbau insbesondere in Wien seit 2017 boomt und die Altbau-Mietwohnungen durch Abbrüche oder Umwandlungen in Eigentumswohnungen sukzessive weniger werden, geht der Anteil jener privaten und gewerblichen Mietwohnungen in Österreich, die einer Preisregulierung unterliegen, in schwindelerregendem Tempo zurück: Laut einer Mikrozensus-Auswertung, durchgeführt von der Arbeiterkammer, waren es im Jahr 2009 noch 54 Prozent (317.000 von 587.000), 2019 aber nur noch 43 Prozent (312.000 von 726.000).

Die SPÖ schlug 2014 vor, dass auch Neubauten nach 20 oder 30 Jahren unter ein wie auch immer geartetes Preisregime fallen sollten (sie stellte damals ihren Entwurf für ein "Universalmietrecht" vor). Doch das war damals mit der ÖVP nicht zu machen.

Lange geplante Enqueten

Die türkis-blaue Koalition der Jahre 2017 bis 2019 wollte im Rahmen eines Konvents das Mietrecht reformieren und hatte zuvor noch Eingriffe ins bestehende Mietrecht geplant und auch schon ausverhandelt (siehe Artikel). Das scheiterte u. a. an Ibiza. Türkis-Grün hat sich nun vorgenommen, gleich das gesamte Wohnrecht zu reformieren, ebenfalls mithilfe von Konventen und Enqueten.

Kurz nach Amtsantritt begann dann bekanntlich die Pandemie; um Mieter zu unterstützen, gab es im Frühjahr 2020 befristete mietrechtliche Eingriffe, es wurden u. a. Stundungen und die monatsweise Verlängerung von befristeten Mietverträgen ermöglicht. Ansonsten wird an einer Novelle des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) und des Maklergesetzes (Stichwort: Bestellerprinzip) gearbeitet, Entwürfe sollte es eigentlich längst geben, doch die Vorhaben ziehen sich in die Länge.

Vom Wohnrechtskonvent ist ohnehin weit und breit noch nichts zu erkennen. Wer weiß, wie lange solche Diskussionsprozesse dauern können, ahnt schon wieder Schlimmes.

"Da läuft nichts"

Dass im Wohnrecht nichts weitergeht, ärgert auch die Opposition in hohem Maße. "Da läuft nichts, da kommt nichts, und da ist derzeit nicht einmal das Reden über die Senkung von Wohnkosten möglich", sagt die SPÖ-Abgeordnete Ruth Becher. Als Vorsitzende des Bautenausschusses im Parlament bemüht sie sich seit vielen Monaten um einen Sitzungstermin. Der Ausschuss hat seit mehr als einem Jahr nicht mehr getagt, die letzte inhaltliche Sitzung gab es im Juni 2019. Mehr als 20 Verhandlungsgegenstände harren einer Debatte.

Weil die Politik bisher nichts weiterbrachte, wurde der Verein Forum Wohn.Bau.Politik 2019 mit einem digitalen Wohnrechtskonvent aktiv. Im Februar 2020 wurde ein Kompendium namens "Agenda für ein neues Wohnrecht" veröffentlicht (PDF), in dem Handlungsstränge dargelegt und der Politik die entscheidenden Fragen quasi auf dem Silbertablett serviert werden. Etwa jene, ob es wirklich hauptsächlich vom Alter eines Gebäudes abhängen soll, ob ein Preisdeckel gilt oder nicht, oder nicht vielmehr (auch) von der energetischen und damit klimarelevanten Qualität.

"Heraussanieren" immer wieder ein Thema

Schlecht gedämmte Wohnungen in hässlichen Bauten aus den 1980er-Jahren können heute völlig frei vermietet werden, auch befristet ohne jeden Abschlag; für die beliebten Gründerzeit-Zinshäuser aber gilt das strenge Richtwertsystem, inklusive 25-prozentigem Abschlag bei einer Befristung, und oft ist hier auch kein Lagezuschlag erlaubt.

Dass man sich als Hausbesitzer aus dem Richtwert zumindest begrenzt "hinaussanieren" können soll, wurde schon vor Jahren vorgeschlagen, die Idee findet sich auch in der "Agenda" wieder. Das wäre ein Anreiz, die Sanierung vieler Altbauten endlich anzugehen, der Abbruch würde unattraktiver werden.

Altbaumieten neu regeln

Generell muss auch das aus dem Jahr 1994 stammende Richtwertsystem, wenn es schon nicht abgeschafft wird, dringend saniert werden, darin sind sich alle Experten einig. Unklare Formulierungen sorgen seit einigen Jahren für ein starkes Prozessaufkommen im Altbausegment. Diverse Anwaltskanzleien haben sich auf die Aushebelung des Lagezuschlagsverbots in Gründerzeitvierteln spezialisiert, das beschäftigt zwar zahlreiche Gutachter, hinterlässt aber ansonsten viele genervte Mieter und Vermieter.

Ein "großer Wurf" sollte endlich her, oder zumindest ein paar kleinere. Denn zu den relativ dringenden Punkten zählt Wohn.Bau.Politik-Obfrau Barbara Ruhsmann etwa auch die Frage, wer die Mehrkosten übernimmt, wenn es – wie von Umweltministerin Gewessler (Grüne) geplant – ab 2022 zu einer CO2-Bepreisung kommt.

In Deutschland, wo seit Jahresbeginn eine Abgabe von 25 Euro pro emittierter Tonne CO2 fällig ist, einigte sich die Koalition nun darauf, dass die Vermieter diese Kosten nur etwa zur Hälfte den Mietern verrechnen dürfen, abhängig davon, wie der energetische Zustand des Gebäudes ist.

Diese Diskussion wird auch in Österreich geführt werden müssen, so Ruhsmann – und zwar bald. (Martin Putschögl, 6.2.2021)