Diese Schule soll Tina künftig besuchen. Die georgische Schrift muss sie laut ihrem Anwalt von Grund auf lernen. Das Distance-Learning mit ihren Klassenkollegen aus dem Wiener Gymnasium wird vorerst noch aufrechterhalten – man hofft auf ihre Rückkehr.

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Hinweis: Inzwischen hat sich herausgestellt, dass die Bilder, die Embacher dem STANDARD zur Verfügung gestellt hat, irreführend waren.


Am Montag telefonierte Rechtsanwalt Wilfried Embacher mit Tina, jener Schülerin, die vergangenen Donnerstag mit ihrer Mutter und ihrer Schwester nach Georgien abgeschoben wurde. Und Embacher staunte nicht schlecht, als ihm die Zwölfjährige davon erzählte, unter welchen Umständen sie künftig lernen solle. Sie besuche nun eine augenscheinlich heruntergekommene Dorfschule in einer Abwanderungsgemeinde. Dort lebt ihre Großmutter. Diese unterrichtet in der Schule, von der die Familie über Embacher Bilder an den STANDARD übermittelte. In der Schule gebe es nur drei weitere Schüler, die Tinas Jahrgang entsprechen. Etwa 50 Kinder sollen dort unterrichtet werden – die Altersklassen seien durchgemischt.

Nicht auf Tina vorbereitet

Die Schule, in der nur teilweise ausgebildetes Lehrpersonal arbeitet, sei auch nicht darauf eingestellt, dass das junge Mädchen noch von Grund auf Georgisch schreiben lernen muss. Bis vor kurzem war Tina in der 3B des GRG 1 Stubenbastei in Wien. Ihre Muttersprache ist Deutsch. Die nächstbessere Lehrstätte vermutet Embacher in der georgischen Hauptstadt Tiflis. Die soll aber etwa achtzig Kilometer von Tinas Dorf entfernt sein.

Dieser Kontrast zeige aus Embachers Sicht, dass das Bundesamt für Fremdenrecht und Asyl (BFA) die Qualität der Schulmöglichkeiten im Vorfeld der Abschiebung nicht geprüft haben kann und wider das Kindeswohl gehandelt wurde. Der direkte Vergleich zwischen den beiden Schulen werde wohl zugunsten der Stubenbastei ausgehen. "Angesichts dieser Situation hätte die Abschiebung niemals stattfinden dürfen", sagt Embacher.

Aus dem Innenministrium heißt es dazu auf Anfrage, dass das Kindeswohl in jedem Verfahrensschritt geprüft werde. In diesem Fall habe das Bundesverwaltungsgericht geurteilt, dass eben dieses trotz "allfälliger ungünstigeren Entwicklungsbedingungen im Ausland" nicht gefährdet sei.

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Aber nicht nur das ärgert den Rechtsanwalt. Sondern auch, dass das Innenministerium und das BFA kürzlich in einer gemeinsamen Aussendung darauf hinwiesen, "zur strengen Einhaltung der Gesetze verpflichtet" zu sein – bezogen auf diesen Fall auf die ehestmögliche Abschiebung. Am 12. Mai 2020 habe Tina allerdings einen Antrag auf humanitäres Bleiberecht eingebracht. Dieser hätte ohne unnötigen Aufschub und spätestens nach sechs Monaten behandelt werden müssen. Die Behörde sei dieser Frist allerdings nicht nachgekommen. Die letzten negativen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts beziehungsweise des Verwaltungsgerichtshofs stammen aus dem Jahr 2019.

Nur zum Wohl der Kinder

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) schob die Verantwortung bezüglich Kindeswohl zuletzt Tinas Mutter zu. Die habe selbiges durch ihr mehrmaliges Beantragen von Asyl, trotz fehlender Aussichten, ignoriert, sagte er in der ZiB 2.

Das stimme absolut nicht, sagt der Vater von Tina, der als Möbelmonteur mit gültigem Aufenthalt in der Slowakei lebt. Seine Ex-Frau habe stets zum Wohl ihrer Töchter gehandelt. Auf die Frage, warum sie trotz mehrmaliger Ablehnungen immer wieder Asyl beantragt habe, sagt Tinas Vater: "Weil uns unsere Anwälte dazu geraten haben."

Einer davon war Michael Vallender. Er hat die Vertretung der Familie, nach eigenen Angaben, 2019 übernommen. Der Darstellung von Innenminister Nehammer, es seien immer wieder aussichtslose Asylanträge gestellt worden, widerspricht er.

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Der Fluchtgrund, den Tinas Mutter bei den mehrmaligen Asylanträgen angab, hat mit einer Gewalttat im Familienkreis zu tun. Mehr kann man zum Schutz der Familie dazu nicht sagen. Verlassen habe sie Georgien jedenfalls aus Angst um ihr Leben, gab sie bei einer Einvernahme an. Eine Anzeige bei der Polizei in Tiflis sei nicht aufgenommen worden, sagt Vallender. Es stimme zwar, dass die folgenden Asylanträge auf dem gleichen Fluchtgrund basiert haben, es seien gegenüber der Mutter aber auch immer wieder neue Drohungen aus Georgien dazugekommen, sagt der Anwalt. Ob die Familie deshalb eine Chance auf Asyl gehabt hätte ist unklar.

Schlussendlich ändert auch dies nichts an der Tatsache, dass Tina und ihre Schwester in Österreich geboren wurden und hier aufgewachsen sind. Allein deshalb hätten sie humanitäres Bleiberecht bekommen müssen, meint Embacher. (Jan Michael Marchart, Johannes Pucher, 1.2.2021)