Bei Schimpansen und Pavianen ist die Sache eindeutig: Wenn erwachsene Weibchen ihre fruchtbaren Tage haben, durchlaufen sie sichtbare Veränderungen. Ihr Genitalbereich schwillt stark an, den Männchen entgeht das Signal nicht – und je stärker dieses ausfällt, desto größer ist die Schar der konkurrierenden Verehrer. Auch bei vielen anderen Tierarten ist die weibliche Empfängnisbereitschaft durch äußere Reize erkennbar. Warum der Eisprung bei Frauen im Verborgenen stattfindet, beschäftigt Biologen seit Jahrzehnten.

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Wann eine menschliche Eizelle zur Befruchtung bereitsteht, lässt sich aus dem weiblichen Zyklus ableiten oder durch Hormontests eruieren, aber nicht von außen erkennen.
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Viele Forscher nehmen an, dass es auch bei frühen Menschen sichtbare Fruchtbarkeitsmerkmale gegeben haben könnte, die sich im Lauf der Zeit zurückbildeten. Dafür hat sich vor allem eine Erklärung etabliert. Der "versteckte Eisprung" des Homo sapiens könnte sich demnach im Laufe der Evolution durchgesetzt haben, weil er Frauen einen größeren Fortpflanzungserfolg durch mehr partnerschaftliche Verlässlichkeit brachte.

Da die Männer nicht wissen konnten, wann genau der aussichtsreichste Zeitpunkt für die Fortpflanzung war, blieben sie länger an der Seite einer Sexualpartnerin. Dadurch wuchs die Paarbindung und stieg die Wahrscheinlichkeit, dass sich der potenzielle Vater später um den Nachwuchs kümmern würde. Das wiederum verbesserte die Überlebenschancen der Kinder.

Frauen in den Fokus

Dieser sogenannten Male-Investment-Hypothese widerspricht nun ein Forscherteam um Athena Aktipis von der Arizona State University und Jaimie Arona Krems von der Oklahoma State University. Nicht das Verhalten der Männer sei die wahrscheinlichste Erklärung für die Entstehung der versteckten Fruchtbarkeit, schreiben sie im Fachblatt "Nature Human Behaviour". Vielmehr dürfte die unauffällige Ovulation Frauen vor Konflikten mit weiblichen Konkurrentinnen geschützt und den Fortpflanzungserfolg dadurch verbessert haben.

"Die evolutionsbiologische Forschung hat sich lange stark auf die männliche Perspektive konzentriert und Anpassungen von Frauen immer in Bezug auf Männer betrachtet", sagte Aktipis zum STANDARD. "In jüngerer Zeit rücken aber Konkurrenz und Sozialverhalten von Frauen untereinander in den Fokus, und das ist sehr spannend, denn auch diese Beziehungen spielten eine wichtige evolutionäre Rolle."

Die Psychologin und Biologin Athena Aktipis plädiert für einen Perspektivenwechsel in der Evolutionsforschung.

Programmierte Partnerschaft

Für ihre Studie entwickelten Aktipis und ihre Kolleginnen eine sogenannte agentenbasierte Modellierung. Bei dieser Methode wird am Computer ein System aus "Agenten" simuliert, die jeweils ein Individuum repräsentieren. Für jedes Individuum werden bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen festgelegt, und dann wird analysiert, wie sie in ihrer virtuellen Welt interagieren. Im Modell von Aktipis und Kollegen gab es Männer und Frauen, die sich hinsichtlich ihres Bewegungsmusters, ihrer Attraktivität und ihres Sexualverhaltens unterschieden.

Bei den weiblichen Agenten fand der Eisprung entweder versteckt oder für andere klar erkennbar statt. Zweiteres machte sie für Männer kurzfristig deutlich attraktiver. Die Frauen konnten sich auch aggressiv gegenüber Rivalinnen verhalten, Opfer solcher Aggressionen erschienen den Männern unattraktiver. Die männlichen Agenten wurden wiederum entweder als promiskuitiv definiert und verließen Partnerinnen nach dem Sex, oder aber sie blieben in einer Beziehung und halfen bei der Versorgung der Kinder.

Erfolgreich unauffällig

Das Ergebnis: Frauen mit verstecktem Eisprung schnitten in Sachen Fortpflanzung deutlich besser ab. Sie bekamen mehr Nachwuchs, hatten stabilere partnerschaftliche Beziehungen und wurden seltener von Konkurrentinnen attackiert oder ausgegrenzt als ihre offen "ovulierenden" Konkurrentinnen.

Doch lag das nun eher an den Männern oder an den Frauen? Im nächsten Schritt unterbanden die Forscherinnen aggressive Interaktionen zwischen den weiblichen Agenten. In diesem Szenario brachte der versteckte Eisprung keine klaren Vorteile – die Forscherinnen schließen daraus, dass die Rivalität zwischen den Frauen der stärkere Faktor gewesen sein dürfte.

Aktipis hofft, dass andere Forscher die Hypothese überprüfen und neue Perspektiven einbringen werden. "Nur so lernen wir mehr über die weibliche Entwicklung – und damit auch über uns selbst." (David Rennert, 2.2.2021)