Der Vice President von Google Stadia, Phil Harrison, hat am Montag bekanntgeben, dass man die beiden internen Studios für Spieleentwicklung mit sofortiger Wirkung schließt. Eigene Entwicklungen für den Cloud-Gaming-Service werde es künftig nicht mehr geben, die Plattform selbst bleibe aber bestehen. In welcher Form, das bleibt abzuwarten.
Veteranen verpflichtet
Als Google 2019 mit Stadia in die Gaming-Welt eintauchte, strotzte man nur so vor Selbstvertrauen. Mit dem Briten Harrison holte man sich eine Galionsfigur der Konsolenwelt, die zuvor schon unter anderem bei Sony und Microsoft in wichtigen Positionen Verantwortung übernehmen konnte. Mit der vor allem durch den ersten Teil der Assassin's Creed-Reihe bekannten Spieleentwicklerin Jade Raymond wollte man zeigen, dass man auch eigene Studios mit erfahrenen Persönlichkeiten vorantreiben wollte.
Knapp anderthalb Jahre später klingt das Statement von Harrison schon fast wie das Eingeständnis einer Niederlage. "Wir haben Stadia mit dem Ziel gestartet, eure Lieblingsspiele überall zur Verfügung zu stellen", erklärte Harrison. Das Erscheinen von Cyberpunk 2077, die Verfügbarkeit auf iOS-Geräten und die zunehmende Youtube-Integration seien starke Zeichen, dass Stadia auf dem richtigen Weg sei. Dennoch habe man sich entschieden, die beiden eigenen Studios in Montreal beziehungsweise Los Angeles zu schließen.
An weiteren Absätzen erkennt man, dass die Aussendung primär an Spielefirmen gerichtet ist. "Die Schaffung von Top-Titeln erfordert viele Jahre und ein erhebliches Investment. Unser Fokus liegt auf der Bereitstellung der Stadia-Technologie sowie auf dem Aufbau und der Verbesserung unserer Geschäftsbeziehungen mit starken Partnern. Deshalb haben wir uns entschieden, dass wir nicht mehr in eigene, exklusive Titel investieren werden." Raymond werde das Unternehmen verlassen, bei anderen Mitarbeitern sei man gerade auf der Suche nach neuen Positionen im Unternehmen.
Neuorientierung
Stadia-Kunden schlucken bei dieser Nachricht, schließlich sind Exklusivtitel für jede Plattform ein starkes Zeichen und vielleicht sogar überlebensnotwendig. Harrison betont, dass der Plan von Google mit Stadia ein langfristiger sei und man an einem "nachhaltigen Business" arbeite, "das der Gaming-Industrie hilft zu wachsen". Alle Spieler, die Stadia oder Stadia Pro nutzen, können das laut Harrison weiterhin tun. "Wir werden auch künftig Titel anderer Hersteller auf die Plattform bringen und sind der Idee des Cloud-Gamings weiterhin verpflichtet."
Die Gamer sind aber eben nicht die Hauptzielgruppe von Harrisons Statement. Der Fokus auf die verstärkte Zusammenarbeit mit Partnern wird so oft betont, dass es schon fast zu auffällig ist. Ziel von Stadia könnte also sein, Serviceanbieter für andere Firmen zu werden. Das ist keine neue Idee, sondern wurde etwa schon von dem Service Gaikai vor etwa zehn Jahren versucht, als man Firmen wie Electronic Arts Server für Streamingdienste verkaufen wollte. Im Advisory Board von Gaikai saß damals ein gewisser Phil Harrison.
Damit wäre der Weg für Stadia klar vorgezeichnet. Nachdem man nun offen ausgesprochen hat, dass man mit den großen Spielefirmen nicht mehr in Konkurrenz steht, könnte man für Partner wie Ubisoft Technologieprovider werden und die Marke Stadia mittelfristig aufgeben. Das Scheitern des Projekts müsste man dann nie zugeben.
Seit Dezember in Österreich
Seit 7. Dezember ist Google Stadia auch in Österreich verfügbar. Es handelt sich dabei um einen Cloud-Gaming-Dienst, bei dem man Spiele wie Assassin's Creed oder Hitman 3 auf den Fernseher, das Handy oder den Laptop streamen kann. Eine gute Internetverbindung ist dabei die größte technische Hürde. Die Hardware, damit auch Spiele wie Cyberpunk 2077 toll aussehen, liefert Google. (aam, 2.2.2021)