Wenige Praktikumsplätze, viele Bewerber*innen. Der Weg ins Berufsleben ist nicht ganz einfach.
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Ein neuer Tag und eine neue Absage. Das war jetzt die achte, bei dreiundzwanzig Bewerbungen. Langsam verliere ich die Hoffnung. Eine Stelle für ein Praktikum zu finden scheint schier unmöglich. Vor allem, wenn man ein Neuling auf dem Gebiet ist und momentan kaum Stellen ausgeschrieben werden. In Zeiten wie diesen überhaupt dreiundzwanzig Stellenangebote zu finden, grenzt schon fast an ein Wunder. Die aberwitzigen Anforderungen, welche es zu erfüllen gilt, machen es auch nicht besser.

Fünf Jahre Arbeitserfahrung, fließend in HTML, CSS und der gesamten Adobe Creative Suite. Adäquate Kenntnisse in Rhino und anderen 3D-Modellierungssoftwares dürfen natürlich auch nicht fehlen. Im Idealfall ist man auch noch in Ausbildung und bereit, für das nächste halbe Jahr – natürlich unentgeltlich – vierzig bis sechzig Stunden zu arbeiten. So sehen meine Jobchancen als angehende Grafikerin aus. Ein wahr gewordener Albtraum.

Lisa Anna Hager auf der Suche nach einem Praktikum. Keine einfache Aufgabe.
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Stellenausschreibungen wie diese lassen sich auf den verschiedenen Online-Jobbörsen finden. Dass ich "nur" Indesign, Illustrator und Photoshop – ein Bruchteil der Adobe Creative Suite – beherrsche und meine Kenntnisse in Auszeichnungssprachen wie HTML und CSS nicht vorhanden sind, da ich Grafik- und nicht Webdesign studiere, trägt nicht zu einer Besserung der Situation bei. Zusätzlich befinden wir uns in einer weltweiten Pandemie, welche mir – und sehr vielen anderen jungen Menschen – den Arbeitseinstieg um einiges erschwert.

Große Motivation, zu lernen, aber keine Chance, sich zu beweisen

Ich werde nun langsam mit meinem zweiten Studienabschnitt fertig und möchte das in der Theorie Erlernte unbedingt in die Praxis umsetzen, aber niemand gibt mir eine Chance. Ich weiß, wir befinden uns inmitten einer internationalen Krise, frustrierend ist es trotzdem. Warum man jetzt auch seit neuestem für ein Praktikum ein bis zwei Jahre Berufserfahrung braucht ist mir schleierhaft. Ist nicht gerade der Sinn einer solchen Stelle, zu lernen und erste Erfahrungen zu sammeln? Hätte ich die schon und würde all die oben genannten Qualifikationen erfüllen, würde ich mich für einen richtigen Job und kein Praktikum
bewerben.

Kreativwirtschaft, die moderne Sklaverei

Gerade in der Kreativbranche fühlt es sich so an, als würde man erst einmal Jahre der Ausbeutung, Geringschätzung und Überarbeitung über sich ergehen lassen müssen, bevor das Bangen um die berufliche Zukunft ein Ende hat. Es grenzt schon fast an einen Initiationsritus, ohne den man einfach nicht dazugehört. Das Schlimme daran ist. Wir machen alle mit. Der Konkurrenzkampf ist groß. Wenn man kein herausragendes Portfolio und einen lückenlosen Lebenslauf abliefert, wird man ganz schnell von dem großen Rennen um die besten – oder irgendwelche – Stellen disqualifiziert.

Mobilität, Voraussetzung für einen Start ins Berufsleben?

Als wäre das nicht alles problematisch genug, müssen wir jetzt auch noch darauf achten, wie wir international abschneiden. Dank des Phänomens der Globalisierung findet der Wettstreit um die besten Stellen auf internationaler Ebene statt. Berufliche Mobilität scheint bei uns Millennials für einen gelungenen Einstieg in das Berufsleben obligatorisch zu sein. Natürlich steigert sich dadurch die Anzahl der ausgeschriebenen Stellenangebote und Möglichkeiten. Die der Konkurrenz allerdings auch.

Ich selbst habe meine Suche mittlerweile ebenfalls ins Ausland verlagert und mich für eine Marketing-Agentur in Johannesburg, Südafrika, beworben. Noch immer warte ich auf eine Rückmeldung, aber wer weiß, vielleicht habe ich ja am anderen Ende der Welt mehr Glück. (Lisa Anna Hager, 6.2.2021)