Alexej Nawalny im Moskauer Stadtgericht.

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Moskau – Die russische Strafvollzugsbehörde fordert für den Regierungskritiker Alexej Nawalny eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren. Der 44-Jährige habe gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen und siebenmal die Meldepflicht bei den Behörden verletzt, hieß es am Dienstag vor Gericht. Zudem fordert die Behörde eine Geldstrafe von 500.000 Rubel (5.400 Euro), meldeten russische Agenturen aus dem Gerichtssaal.

Der Prozess begann am Dienstag mit einem beispiellosen Polizeiaufgebot. Das Moskauer Stadtgericht wurde von Hundertschaften der auf Anti-Terror-Einsätze spezialisierten Sonderpolizei Omon bewacht und weiträumig mit Metallgittern abgesperrt. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete von 100 Festnahmen.

Sperren vor Gerichtsgebäude

Zu dem Prozess kam auch Nawalnys Ehefrau Julia Nawalnaja, die eine schwarze Gesichtsmaske trug. Nawalny stand in einem Glaskasten im Gerichtssaal und sprach mit seiner Frau, wie der Internetkanal "Doschd" berichtete. "Sie haben dich im Fernsehen in meiner Zelle gezeigt und erzählt, dass du ständig die öffentliche Ordnung störst. Böses Mädchen! Ich bin stolz auf dich", sagte Nawalny demnach. Seine Frau war bei den Protesten zuletzt zweimal festgenommen worden.

Die Zufahrtsstraßen zum Gerichtsgebäude waren abgesperrt, es standen zahlreiche Gefangenentransporter bereit. Vor dem Gericht gab es auch Polizei auf Pferden.

Nawalny überlebte im August nur knapp einen Mordanschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok. Der 44-Jährige macht dafür den russischen Präsidenten Wladimir Putin und Agenten des Inlandsgeheimdiensts FSB verantwortlich. Er sieht den Prozess als Strafe des Kreml dafür an, dass er nicht gestorben ist. Putin und der FSB hatten die Vorwürfe zurückgewiesen.

Beobachter erwarten Haftstrafe

Der Vorwurf vor Gericht lautet nun, dass sich Nawalny in der Zeit, in der er sich in Deutschland von dem Attentat erholte, nicht bei den russischen Behörden gemeldet hat, obwohl ihm das nach einem früheren Strafverfahren vorgeschrieben war. Die russische Strafvollzugsbehörde will deshalb nun die Bewährungsstrafe in echte Haft umwandeln lassen. Die Generalstaatsanwaltschaft befürwortete das bereits, Experten erwarten eine Haftstrafe von bis zu zweieinhalb Jahren.

Am Dienstag wird die schwedische Außenministerin Ann Linde zu Gesprächen mit ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow in Moskau erwartet. Sie hat derzeit auch den Vorsitz in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) inne. Ende der Woche trifft sich Lawrow in Moskau zudem mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, der das Vorgehen gegen Nawalny und weitere Oppositionelle mehrfach scharf verurteilt hat. Russland verbittet sich eine Einmischung in seine inneren Angelegenheiten. (APA, 2.2.2021)