Drei Jahre nach der BVT-Affäre samt U-Ausschuss beschäftigen Ex-Verfassungsschützer erneut die Ermittler.

Foto: APA/Punz

Er legte eine Art "Lebensbeichte" ab, hieß es medial nach seiner Befragung durch die Polizei: Martin W., ehemaliger Abteilungsleiter im Verfassungsschutz, belastete nach seiner vorläufigen Festnahme sich selbst und andere Beschuldigte. Doch seine Anwältin Caroline Toifl kritisiert nun das Vorgehen der Polizei scharf: Sie will den Ausschluss der Aussagen sowie eine "neuerliche gesetzmäßige Vernehmung" erreichen, sagt Toifl zum STANDARD und dem Ö1-"Mittagsjournal".

So habe ihr Mandant bei seiner Festnahme am 22. Jänner die Aussage verweigert. Der Anwältin sei mitgeteilt worden, dass W. nun in die Justizanstalt überstellt werde. Am nächsten Morgen wurde er dann stundenlang ohne Rechtsanwältin befragt. Das ist auch in den Protokollen zu lesen. Dort heißt es: "Ich werde jetzt von den Beamten zu einem Vorgespräch eingeladen. Ich gebe an, dass ich für dieses Vorgespräch meine Anwältin nicht benötige. Ich würde das Gesprächsklima mit den Beamten als angenehm bezeichnen."

Außerdem: "Grundsätzliche habe ich mit meiner Anwältin vereinbart, dass wir zuerst Akteneinsicht nehmen. Ich bin jetzt trotzdem bereit, freiwillig eine Aussage zu machen. (...) Ich möchte jetzt meine Rechtsanwältin nicht kontaktieren."

Mehrfach ohne Anwältin vernommen

Am Abend desselben Tages ging es dann weiter: W. wurde nun mit Beweismitteln aus Telefonüberwachungen, Observationen und anderen Maßnahmen konfrontiert. Auch hier sagte er laut Protokoll: "Ich bin weiters mit einer Einvernahme ohne meine Anwältin einverstanden." Im Zuge dieser Vernehmungen übergibt der einstige Verfassungsschützer dann ohne Rücksprache mit seiner Anwältin auch Passwörter zu Smartphone und Datenspeicher.

Das Muster setzt sich in der folgenden Woche fort: W., mittlerweile wieder auf freiem Fuß, wird während eines Reha-Aufenthalts von Beamten aufgesucht. Im Protokoll ist zu lesen: "Ich wurde von einem der beiden Vernehmungsbeamten darüber informiert, dass er heute um 10:10 Uhr von der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Toifl (...) angerufen wurde." Dem Beamten habe die Anwältin mitgeteilt, dass "jegliche Kontaktaufnahmen (...) nur mehr im Wege der Kanzlei durchzuführen" seien. "Die Beamten haben mich dann auf die von mir in den Beschuldigtenvernehmungen gemachten Angaben hingewiesen, wonach ich zugesagt hätte, jederzeit für ergänzende Fragen und Vernehmungen zur Verfügung zu stehen."

Arzt fragte, ob alles in Ordnung sei

Der behandelnde Arzt von W., der die Szene beobachtet, soll eingeschritten sein, doch W. sagte ihm laut Protokoll, "dass alles in Ordnung wäre". Daraufhin kommt es zu einer weiteren Einvernahme, in der W. mit belastenden Sachverhalten konfrontiert wird. "Ich habe während der Vernehmung ein Telefonat der Rechtsanwältin erhalten, und diese hat auch einen der Vernehmungsbeamten angerufen. Ich habe nicht abgehoben, da ich keinen Anlass sehe, für diese ergänzende Befragung meine Rechtsanwältin beizuziehen", ist am Ende des Protokolls zu lesen.

Nach der Einvernahme sei ihr Mandant "aufgrund der akuten Belastungsreaktion (...) in einer klinischen Abteilung für Psychiatrie untergebracht worden", sagt Toifl. Die Unterbringung sei von einem Richter bestätigt worden. Sie will nun die Vernehmungsfähigkeit durch einen Sachverständigen prüfen lassen. Die Formulierungen in den Protokollen kenne man "eher aus Polizeistaaten und diktatorischen Regimen" als aus Rechtsstaaten, kritisiert Toifl scharf.

Unregelmäßigkeiten bei anderem Beschuldigten

Sie hat nun gemeinsam mit ihrem Kollegen Volkert Sackmann einen Brief an die Wiener Rechtsanwaltskammer übermittelt. Darin beschwert sich Sackmann, dass auch die Einvernahme seines Mandanten – O., ein weiterer Verfassungsschützer – ohne sein Beisein begann. Laut Sackmann sei auch O.s Ehefrau fixiert worden, um ihr "den Wohnungsschlüssel" abzunehmen. Derartiges sei Sackmann, der früher Staatsanwalt war, "nie untergekommen". "Dass die Medien über Vernehmungsprotokolle und Bericht der Polizei (...) lange vor den Verteidigern verfügen", werde gesondert zur Anzeige gebracht. Das Bundeskriminalamt war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Rechtsanwaltskammer-Präsident Rupert Wolff sagt zum STANDARD, dass die Polizei Hinweise auf eine psychische Erkrankung "vertiefen hätte müssen". Es sei allerdings vorstellbar, dass sie davon nichts merkte. "Natürlich kann jeder auf die Assistenz eines Verteidigers verzichten", erklärt Wolff. Aber es sei "absolut nicht korrekt", Einvernahmen durchzuführen, wenn die Verteidigung auf ihre Präsenz dabei bestehe. (Fabian Schmid, 2.2.2021)