Bewegung ist gesund, ganz besonders im Büroalltag. Aber Laufbänder sind meist teuer, laut und nehmen viel Platz weg.

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Bis zu 20.000 Schritte pro Tag sollen am Gehtisch von Walkolution möglich sein.

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Die Frau im Businessoutfit marschiert auf einem Laufband – und tippt auf ihrem Laptop. Bis zu 20.000 Schritte wird sie bis zum Ende ihres Arbeitstages auf dem Gehtisch zurückgelegt haben.

Könnte das der Büroalltag der Zukunft sein? Oder ist es vielleicht eher der Liege-Tisch, der auf Youtube gezeigt wird: Auf Knopfdruck wird der Sessel zur Liege, wie beim Zahnarzt. Gleichzeitig kippt der Schreibtisch, damit man im Liegen weitertippen kann. Monitor, Maus und Tastatur sind so konstruiert, dass sie einem nicht ins Gesicht knallen – hoffentlich.

All das wirkt natürlich etwas utopisch. Noch. Denn wie schädlich es ist, den ganzen Tag auf einem Sessel zu sitzen, der im Homeoffice noch dazu meist nicht die ergonomischen Mindeststandards erfüllt, ist unbestritten.

Sitzen als Risiko

Wo es am Rücken ziept und zieht, ist zum Smalltalk-Thema geworden. Aber nicht nur Rückenweh, auch Zivilisationsleiden wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes sind auf einen Lebensstil zurückzuführen, in dem man sich zu wenig bewegt.

Sitzen ist das neue Rauchen, heißt es daher oft, ähnlich schlecht für die Gesundheit. Stimmt das? "Statistisch gesehen ist Sitzen sogar noch schlimmer als Rauchen", sagt der deutsche Internist Eric Söhngen, der den eingangs erwähnten Gehtisch "Walkolution" entwickelt hat. Gerhard Vavrovsky, Facharzt für Physikalische Medizin am Herz-Jesu-Krankenhaus, formuliert es ähnlich drastisch: "Sitzen ist ein Risikofaktor für früheres Sterben."

Um zu verstehen, warum das viele Sitzen im Beruf, aber auch in der Freizeit so schlecht ist, muss man wissen, was im Körper bei Bewegung passiert. Arbeitende Muskeln senden Mykoine aus. Das sind Botenstoffe, die beispielsweise Entzündungsreaktionen im Körper mitregulieren und das Immunsystem stärken. All das fehlt dem Körper bei Bewegungsmangel.

Gehen im Homeoffice

Sitzen sollte auch aus anderen Gründen kein Dauerzustand sein. Denn dabei wird der Körper abgeknickt, sagt Eric Söhngen. Das verlangsamt den Blutfluss, komprimiert den Bauchraum und führt dazu, dass Verdauung und Atmung chronisch beeinträchtigt werden. In den Beinen drohen auf Dauer Probleme mit den Blutgefäßen. Und die Gesäß- und Oberschenkelmuskeln würden durch die ständige Kompression geschädigt.

Was tun? Zuerst einmal: Aufstehen – und so viel wie möglich gehen. "Das Minimum sind 8000 Schritte, noch besser sind 12.000", rät Mediziner Vavrovsky seinen Patienten. Und im Büroalltag sollte man alle 30 Minuten für einige Minuten aufstehen. "Das ist vermutlich ein riesengroßer Überlebensvorteil", sagt Vavrovsky.

Internist Söhngen ist sogar während des STANDARD-Interviews am Gehen. Seinen ersten Gehtisch hat er sich als Student aus einem Laufband gezimmert. Damit schnalzte aber die Stromrechnung in die Höhe. Auch die Lautstärke war ein Problem. Später tat sich Söhngen mit einem Möbelhersteller zusammen. Nun bietet sein Unternehmen nichtmotorisierte und daher geräuscharme Gehtische an, die man angeblich sogar ins Großraumbüro stellen kann, ohne dass sich die Kollegen beschweren.

Billig ist das nicht. Kostenpunkt: ab 3400 Euro. Trotzdem: Durch Corona hätte sich der Umsatz verfünffacht, weil die Laufbänder auch ins Homeoffice passten. Damit seien nun zum Beispiel Programmierer in ihren vier Wänden in Bewegung. Eine Berliner Schauspielerin würde so am liebsten ihre Texte lernen. Auch in manchen deutschen Uni-Bibliotheken stehen jetzt Gehtische.

Rauf aufs Trampolin

So weit ist man in den meisten Unternehmen noch nicht. Dafür sind wenigstens höhenverstellbare Tische, die zu Stehtischen werden können, heute oft Standard. "Aber der Stehtisch macht es nicht aus", sagt Physiotherapeutin Dorothea Haslinger: "Die Leute bleiben sitzen, wenn sie es nicht anders gelernt haben." Daher sei wichtig, das in den Unternehmen zu thematisieren.

Das Arbeiten im Gehen finden Expertinnen und Experten durch die Bank sinnvoll – in vielen Fällen aber unrealistisch. Sinnvoll sei als erster Schritt schon die Anschaffung eines höhenverstellbaren Schreibtisches und eines ergonomischen Bürosessels, "der eine aktive Unterstützung des Muskelkorsetts ermöglicht", meint der Orthopäde Florian Dirisamer. Und Arbeiten im Liegen? "Da beansprucht man gar keine Muskulatur mehr." Bei Rückenschmerzen könne das helfen. Für Gesunde? Nicht ratsam.

Wichtig ist vor allem die Abwechslung. Da kann schon helfen, die Sitzposition zu verändern. Oder sich den Laptop auf ein Kastl zu stellen. Wichtig sei aber, dass man beim Stehen die Möglichkeit hat, ein Bein abzustellen, betont Haslinger, "so wie an einer Bar". Sonst wird es belastend für die Lendenwirbelsäule.

Es gibt sie also in jeder Preiskategorie – die Alternativen zum Sitzen. Der limitierende Faktor: der Bildschirm, auf den die meisten auch in Zukunft den Großteil ihres Tages schauen müssen. Aber was spricht dagegen, beim Telefonieren mal Trampolin zu springen – oder beim Lesen kopfzustehen? (Franziska Zoidl, 16.2.2021)