Die Meidlinger Moschee wurde nach dem Anschlag in Wien im November 2020 geschlossen.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – Das nach dem Anschlag in Wien von der Regierung geplante "Anti-Terror-Paket" stößt in der Begutachtung, die am Dienstag endet, bei Juristen in seinen zentralen Punkten auf ziemlich viel Kritik. Bei den strafrechtlichen Änderungen werden sowohl die elektronische Überwachung für Extremisten als auch die Schaffung eines eigenen Straftatbestands zu religiösem Extremismus abgelehnt.

Richtervereinigung und die Oberstaatsanwaltschaft Wien begrüßen aber die Ausweitung der gerichtlichen Aufsicht. Die Richter können sich derartige Möglichkeiten auch in anderen Fällen, etwa bei massiven Fällen häuslicher Gewalt, vorstellen, sie geben aber zu bedenken, dass "damit ein erheblicher zeitlicher Mehraufwand der Gerichte verbunden ist, der zu evaluieren ist".

Kritikpunkt: "Massiver Eingriff" in Privatleben

Die elektronische Überwachung wird als "massiver Eingriff" in das Privatleben und in das Grundrecht auf Datenschutz kritisiert, dessen Notwendigkeit in den Gesetzestexten nicht begründet werde, kritisieren die Richter und verweisen darauf, dass die Untersuchungskommission zum Terroranschlag nicht einen Mangel an Informationen über das (gefährliche) Verhalten des Attentäters nach seiner bedingten Entlassung, sondern einen unzureichenden Umgang mit vorhandenen Informationen und fehlenden Informationsaustausch zwischen Behörden festgestellt hat.

"Die geplante Überwachungsmöglichkeit gaukelt der Öffentlichkeit zusätzliche Sicherheit durch Unterstützung der polizeilichen Präventionsarbeit vor. Zielführender wäre stattdessen eine adäquate Ausstattung der Sicherheitsbehörden, insbesondere polizeilicher Sondereinheiten, und die regelmäßige Vernetzung im Rahmen der gerichtlichen Aufsicht", so die Richtervereinigung in ihrer Stellungnahme.

Kritikpunkt: Neuer Straftatbestand problematisch

Bei der geplanten Schaffung eines neuen Tatbestands sehen die Richter das Problem, dass sich dieser von bereits bestehenden kaum unterscheidet. Ähnliches schreibt auch die Oberstaatsanwaltschaft Wien in ihrer Stellungnahme. Sie habe Bedenken gegen die vorgeschlagene Einführung des neuen Straftatbestandes gegen religiös motivierte extremistische Bewegungen samt Einführung eines neuen Erschwerungsgrundes der religiös-motivierten extremistischen Begehung. Aufgrund der Erfahrungen der Oberstaatsanwaltschaft Wien "besteht keine kriminalpolitische Notwendigkeit für die Einführung des Paragrafen 247b Strafgesetzbuch, weil die von dieser Regelung erfassten Straftaten schon nach geltendem Recht unter die Straftatbestände der §§ 246 (staatsfeindliche Verbindungen) und 247a StGB (staatsfeindliche Bewegung), deren Tatbestandselemente über weite Strecken ident sind, subsumiert werden können".

Außerdem könne die Textierung zum geplanten Paragrafen leicht zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen führen. Die Oberstaatsanwaltschaft empfiehlt der Regierung daher, die Einführung eines neuen Straftatbestandes zu überdenken. Selbiges gelte auch für die beabsichtigte Einführung des Erschwerungsgrundes der religiös-motivierten extremistischen Begehung. "Auch dafür gibt es keine kriminalpolitische Notwendigkeit, weil die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung und die bereits bestehenden besonderen Erschwerungsgründe in der Praxis ausreichen". Vor der Ausweitung "demonstrativ aufgezählter Erschwerungsgründe" warnt auch die Richtervereinigung, weil das zu einer "zunehmenden Überfrachtung führt".

Auch der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt sieht beim neuen Straftatbestand "mögliche Abgrenzungsprobleme zu den bereits bestehenden Straftatbeständen wie dem Tatbestand der Staatsfeindlichen Verbindung nach § 246 StGB und dem Tatbestand der Staatsfeindlichen Bewegung nach § 247a StGB".

Auf Kritik stößt im Begutachtungsverfahren vor allem auch das geplante Verzeichnis aller Funktionsträger und die Möglichkeit einer vertieften Überwachung der Tätigkeit der Religionsgesellschaft. "Die Bestimmung in dieser Allgemeinheit stellt jedoch nichts anderes als einen Generalverdacht in Richtung der islamischen Religionsgesellschaften dar und ist in dieser Form daher als diese Religionsgemeinschaft diskriminierend abzulehnen", schreibt etwa die Richtervereinigung. Kritik daran kommt auch von der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ), die dadurch eine Schlechterstellung gegenüber anderen Religionsgemeinschaften ortet.

Islaminstitut der Uni Wien rechnet mit IGGÖ ab

Das Institut für islamisch-theologische Studien an der Uni Wien hat seine Stellungnahme zum zweiten Teil des "Anti-Terror-Pakets", mit dem das Islamgesetz verschärft werden soll, hingegen zu einer Abrechnung mit der IGGÖ genutzt. Die auf den Weg gebrachte Novelle sieht vor, dass das Kultusamt jährlich Einblick in die Finanzen der Kultus- sowie der Moscheegemeinden erhalten muss. Sollten die Einrichtungen diese nicht vorlegen, drohen Geldbußen bis zu 72.000 Euro. Außerdem will die Regierung ein sogenanntes Imame-Register schaffen, das die Tätigkeit muslimischer Geistlicher in Österreich überwachen soll.

Es stelle sich die Frage, ob sich die IGGÖ wirklich den Interessen der österreichischen Muslime verpflichtet fühlt oder sich nicht vielmehr "zum Instrument der meist aus dem Ausland gesteuerten Verbände machen lässt", findet das Institut. Das zeige sich nicht nur an den "zumeist aus nicht qualifizierten Personen bestehenden Kontrollorganen der IGGÖ (Obersterrat, Schurarat usw.), sondern auch daran, dass die Besetzung der Stellen von Religionslehrkräften weniger nach Qualifikation als vielmehr nach Verbandzugehörigkeit erfolgt", schreibt Islamwissenschafter Ednan Aslan.

"Vom mangelnden Verantwortungsgefühl der IGGÖ zeugt auch der Umstand, dass sie zeit ihres Bestehens Koranschulen, die nicht einmal in der Türkei oder in arabischen Ländern anerkannt waren, in den Rang von Hochschulen erhob und Personen, denen in ihren Ländern der Imam-Beruf mangels Qualifikation verwehrt blieb, hier als Imame zuließ." Aslan attestiert der IGGÖ unstrukturiertes und chaotisches Handeln. "Der Umgang mit den Finanzen einschließlich jener ausländischen Ursprungs, mit Mitgliedsbeiträgen und der islamischen Pflichtabgabe, die Postenvergabe, die Bestellung von Imamen, die Anerkennung ausländischer Zertifikate, die Einsetzung von Lehrkräften – all dies gründete auf schwer nachvollziehbaren Entscheidungen. Dadurch hat die IGGÖ sich selbst und der Gesellschaft geschadet", so das vernichtende Urteil von Aslan.

Islamgesetz 2015

Mit dem Islamgesetz 2015 habe die damalige Bundesregierung "ein richtungsweisendes Signal gesetzt, indem sie klarstellte, dass die Belange der Muslime eine innenpolitische Angelegenheit seien, in die sich ausländische Mächte nicht einzumischen haben". Die Finanzierung von Imamen aus dem Ausland wurde untersagt, und die IGGÖ wurde angehalten, ihre Strukturen unter Berücksichtigung der Erwartungen und Bedürfnisse der einheimischen muslimischen Bevölkerung neu zu ordnen. "Ob das Islamgesetz diesbezüglich tatsächlich greift, muss beobachtet werden, entscheidend ist aber die Entschlossenheit, mit dem Gesetz den Einfluss des Auslands einzudämmen", analysiert der bekannte Islamwissenschafter und begrüßt die vorliegende Gesetzesnovelle. (APA, red, 2.2.2021)