Holzabfälle, Biomüll, Altpapier, Klärschlamm: Alles, was die Tonnen hergeben, soll künftig in einer neuen Anlage in Wien-Simmering in Kraftstoff verwandelt werden.

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Müll ist etwas, mit dem man in Allgemeinen nicht gerade positive Eigenschaften verbindet – unvermeidbar, aber lästig. Die energetisch derzeit sinnvollste Nutzung von Restmüll ist es, ihn zu verbrennen und die dabei gewonnene Wärme zum Heizen zu verwenden.

Im Rahmen des Projekts Waste2Value wollen Forscher des Kompetenzzentrums BEST (Bioenergy and Sustainable Technologies) aus Graz zeigen, dass sich viele Abfälle auch zu höherwertigen Energieträgern verarbeiten lassen. Beispielsweise zu Wasserstoff, Alkohol oder Diesel. Dafür entsteht auf dem Gelände der Sondermüllverbrennungsanlage in Wien-Simmering derzeit eine Testanlage, in der Reststoffe zu klimaneutralen Kraftstoffen umgewandelt werden sollen.

Das Projekt läuft im Rahmen des von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) geförderten und vom Wirtschafts- und vom Klimaschutzministerium finanzierten Comet-Programms bis März 2023 und verfügt über ein Budget von neun Millionen Euro. Neben BEST und Wien Energie sind der Anlagenbauer SMS Group, die Wiener Linien, Wiener Netze, die Österreichischen Bundesforste, der Papierhersteller Heinzel sowie die technischen Universitäten Wien und Luleå als Partner beteiligt.

Die neue Anlage mit einem Megawatt Leistung wird eine Grundfläche von 30 mal 15 Meter haben und etwa so hoch sein wie ein vierstöckiges Wohnhaus. Der Stahlbau steht bereits, im Sommer 2021 soll der Betrieb starten. Als Verbrennungsprozess kommt eine sogenannte Zwei-Bett-Wirbelschicht-Technologie zum Einsatz.

Zweikammernprozess

Dabei findet der Prozess in zwei getrennten Kammern statt. In einer Kammer wird bei rund 900 Grad Celsius aus dem Brennstoff ein Synthesegas erzeugt, das unter anderem Wasserstoff, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid und Methan enthält. In der zweiten Kammer verbrennt zeitgleich ein Teil des Brennstoffs. Die dabei entstehende Wärme wird der ersten Kammer zugeführt und trägt dazu bei, den Vergasungsprozess aufrechtzuerhalten.

Weltweit gibt es nur wenige Großanlagen mit dieser Technologie. Sie funktionieren jedoch nur mit mehr oder weniger hochqualitativem Holz. Außerdem kommen sie ausschließlich zur Stromerzeugung zum Einsatz, was sich angesichts der niedrigen Strompreise wirtschaftlich kaum lohnt.

"Das Besondere an unserer Anlage ist es, dass sie mit vielen unterschiedlichen Stoffen betrieben werden und unterschiedliche Wertstoffe produzieren kann", sagt Projektleiter Markus Luisser von BEST. "Außerdem ist sie in die bestehende Sondermüllverbrennung von Wien Energie integriert."

Unterschiedliche Brennstoffe

Als Brennstoffe eignen sich etwa Holzabfälle, Biomüll, Gülle, Altpapier, landwirtschaftlicher Tiermist oder Klärschlamm. Auch Plastikreste kommt im Prinzip infrage. Diese Vielseitigkeit stellt zugleich die größte Herausforderung für die Entwickler dar. Denn unterschiedliche Brennstoffe weisen unterschiedliche Verbrennungseigenschaften auf. So beträgt das Gewicht der Asche, die bei der Holzverbrennung entsteht, nur wenige Prozent des Gewichts des Ausgangsmaterials. Bei der Verbrennung von Klärschlamm sind es dagegen rund 50 Prozent.

Nicht alle Stoffe kondensieren bei denselben Temperaturen, was die Stabilität der Prozesstemperatur beeinflussen kann und die Gefahr von Korrosion im Inneren mit sich bringt. Entsteht zu viel Schwefeloxid, kann das die Katalysatoren zerstören. Kommt der Abfall unsortiert in die Anlage, was der Normfall ist, verkompliziert sich die Sache zusätzlich.

Die optimale Einstellung der Prozessparameter herauszufinden ist deshalb eine der zentralen Forschungsaufgaben von Waste2Value. Gemeinsam mit der TU Wien betreiben die Forscher von BEST seit längerem eine kleine Testanlage im Labormaßstab. "Wir starten also nicht bei null", sagt Luisser. "Wir wissen, dass das Verfahren funktioniert. Aber wie gut es funktioniert und wie es sich im Dauerbetrieb über mehrere Monate hinweg bewährt, das werden wir erst mit der neuen Anlage herausfinden."

Abfälle für den Busbetrieb

Grundsätzlich wird sich in ihr alles verarbeiten lassen, was auch herkömmliche Müllverbrennungsanlagen verbrennen können. Die Grazer Forscher werden allerdings mit vergleichsweise unkompliziertem Ausgangsmaterial wie Hackgut beginnen und sich dann langsam an anspruchsvollere Stoffe herantasten.

"Wir werden graduell Abfälle zumischen, um zu sehen, welche Leistung die Anlage erbringen kann und wie schnell man sie hoch- und runterfahren kann", erklärt Luisser. Welche Wertstoffe man letztlich gewinnen will, hängt in erster Linie von den Standortbegebenheiten ab. So könnte man aus dem Synthesegas zwar beispielsweise Wasserstoff extrahieren. Das ist aber nur sinnvoll, wenn vor Ort auch geeignete Infrastruktur zur Verwendung, zur Lagerung bzw. zum Transport zur Verfügung stünde. Das Gleiche gilt für Methan als Endprodukt.

In der Müllerverbrennung in Wien ist das wirtschaftlich vernünftigste Szenario die Erzeugung von synthetischem Diesel aus dem Synthesegas mittels des Fischer-Trops-Verfahrens (Kohlenmonoxid und Wasserstoff reagieren im Beisein eines Katalysators zu Kohlenwasserstoffen und Wasser).

Der hochreine Diesel lässt sich vor Ort aufbereiten und dem Treibstoff von Fahrzeugen beimischen. Ein Projektziel ist es, mit dem erzeugten Diesel Busse der Wiener Linien zu betanken. "Wir nehmen Wiener Abfälle und Wiener Klärschlamm, wandeln diese in Diesel um und lassen damit die Busse der Wiener Linien fahren", sagt Luisser. "Das ist ein schöner Ringschluss." (Raimund Lang, 5.2.2021)