Selbstgemachte Videos über mehr oder weniger gute Scherze haben im Internet manchmal Millionenzugriffe. Sie können aber auch vor das Strafgericht führen, wie vier junge Männer in Wien erkennen müssen.

Foto: EPA / SASCHA STEINBACH

Wien – Für die vier Angeklagten war es nach ihrer Aussage lustig, was am 8. Dezember in einer Wohnung in Wien-Ottakring passiert ist. Einen "Prank", wie junge Menschen heutzutage einen Streich nennen, wollten sie ihrem 18-jährigen Opfer spielen, berichten die Teenager dem Schöffengericht unter Vorsitz von Anna Marchart. Darum stülpten sie dem Opfer einen Müllsack über den Kopf, fesselten Hände und Füße mit Klebeband und drohten ihm diverse Qualen an. Die Staatsanwaltschaft teilte den juvenilen "Humor" nicht und klagte die drei 19-Jährigen und einen 17-Jährigen, der die Aktion mit seinem Handy filmte, wegen Freiheitsentziehung und schwerer Nötigung an.

Nun machen aggressive frustrierte junge Männer einen wesentlichen Teil der Klientel bei Jugendstrafsachen aus, die vier Angeklagten entsprechen den üblichen Verdächtigen aber nicht. Alle sind unbescholten, drei von vier machen eine Ausbildung, auch ihre Familien sind so zahlreich erschienen, dass Vorsitzende Marchart einige Verwandte auffordern muss, den Saal zu verlassen, um den vorgeschriebenen Elefantenabstand zwischen den Sitzplätzen garantieren zu können.

"Sehr dummer, idiotischer Streich"

"Wir haben uns einen sehr dummen, idiotischen Streich überlegt", gibt Erstangeklagter M. zu. Und: "Wir hatten leider kein Mitgefühl." Der Zweitangeklagte hatte das Opfer, das bis dahin eigentlich auch zur Clique gehört hat, unter einem Vorwand in seine Wohnung gelockt. Dort angekommen, öffnete Nummer zwei den anderen drei die Wohnungstür. Nummer eins und drei waren vermummt, die 17 Jahre alte Nummer vier dackelte mit dem Handy hinterher.

Im Wohnzimmer fielen, wie auf den Videoaufnahmen dokumentiert ist, die drei 19-Jährigen über das Opfer her. Als er gefesselt war, drohten sie ihm Folter an. Beispielsweise mit einem Bügeleisen. "Das ist eine Szene aus einem bekannten serbischen Film", versucht M. zu verdeutlichen, dass er davon ausging, das Opfer habe wissen müssen, dass die Sache nicht ernst gemeint sei. "Das macht es lustiger, wenn es aus eine Film ist?", zeigt Marchart sich irritiert. "Nein, aber wir haben den Film gemeinsam gesehen."

Der Erstangeklagte beteuert auch, man habe ein Loch in den Müllsack geschnitten, nachdem das Opfer schreiend auf die Erstickungsgefahr hingewiesen habe. "Haben Sie ihn auch geknebelt?", fragt die Vorsitzende. M. zögert kurz, Marchart hilft nach: "Mit einer Mandarine im Mund?" Die Erinnerung findet der Erstangeklagte offenbar lustig, wofür ihn die Vorsitzende rügt. "Das hat nur eine halbe, maximal eine Minute gedauert, dann hat er sie ausgespuckt", stellt M. danach fest.

Buttermesser und Wetzstein

Auch mit dem Buttermesser und einem Wetzstein, die er aus der Küche holte, habe er keine bösen Absichten gehabt. Das Messer brauchte er "für ein Triumphfoto" neben dem Gefesselten, erklärt er. Das Bild gibt es tatsächlich, dass das Opfer darauf "Daumen hoch" zeigt, wie die Angeklagten behaupten, kann der Senat aber nicht erkennen. "Man sieht, dass er Daumen hat", hält die Vorsitzende fest. Dass dem Opfer auch mit sexueller Gewalt gedroht worden sei, bestreitet keiner der Angeklagten. Aber, wie es der Drittangeklagte formuliert: "Wir sagen das öfters unter Freunden, dass wir uns was in den Anus schieben."

Das Opfer, das mit M.s Cousine zusammen war und diesen im Vorfeld der Beziehung sogar viermal gefragt hat, ob das in Ordnung sei, geht bei seiner Zeugenaussage davon aus, es sei bei dem Überfall um diese Beziehung gegangen. "Komm, erzähl die Wahrheit, was hast Du mit meiner Cousine gemacht?", soll M. ihn gefragt haben, was für die Staatsanwältin eine schwere Nötigung ist. Außerdem soll der Erstangeklagte dem Opfer klargemacht haben: "Du beleidigst meine Ehre, du verunreinigst mein Blut!"

Den Vorwurf der Nötigung bestreiten aber alle Angeklagten – ein Teil wusste ohnehin von der Beziehung, andere kannten die Cousine, die als Zeugin die Aussage verweigert, gar nicht. Auch auf den vorgeführten Filmchen ist nur zu hören, wie das Opfer fragt, ob es um die Cousine gehe, was M. zwar bejaht, jedoch ohne irgendwelche Fragen dazu zu stellen.

Durch Anrufe gerettet

Das Opfer sagt, er habe an diesem Abend Todesangst gehabt und sei noch immer in psychotherapeutischer Behandlung. Gerettet hätten ihn die Anrufe einer Freundin – seiner Wahrnehmung nach eine Stunde nach Beginn der Tortur, laut Angeklagten 30 bis 40 Minuten nach ihrem Erscheinen. Den Angeklagten fiel auf, dass das Handy ständig vibrierte, daher hoben sie ab. Der 18-Jährige sagt, er habe geschrien, sie solle die Polizei alarmieren, und nannte die Adresse. Zuvor habe ihm M. noch gedroht, er "steche ihn ab", wenn er nicht sage, alles sei in Ordnung. Wie die Verteidiger Rudolf Mayer, Mathias Burger und Roland Friis festhalten, erwähnte das Opfer diese Drohung unmittelbar nach der Tat bei der Polizei aber nicht.

Die Angeklagten bestreiten, irgendwas in diese Richtung gesagt zu haben. Im Gegenteil, man habe die Fesseln des Opfers gelöst und danach beruhigend auf ihn und die Freundin am Telefon eingewirkt und das ganze als Scherz dargestellt. Der "Kameramann" war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr da – er hatte offenbar Skrupel bekommen und war gegangen.

Video als "lustige Erinnerung"

"Hatten Sie den Eindruck, dass das Opfer das als Spaß empfindet?", will die Vorsitzende von diesem Angeklagten wissen. "Am Anfang nicht wirklich, dann schon. Er hat gelächelt und den Daumen hoch gezeigt." – "Warum sind Sie geblieben?" – "Ich wollte es nur filmen, da M. mich darum gebeten hatte." Veröffentlicht sollte das Werk nie werden, beteuern alle Angeklagten. Es sollte lediglich "eine lustige Erinnerung" an einen "großen Prank" werden, meint der Erstangeklagte dazu.

Die drei älteren Angeklagten erhalten bei einem Strafrahmen von null bis zehn Jahren jeweils eineinhalb Jahre bedingte Haft. Der minderjährige Kameramann kommt mit sechs Monaten bedingt besser davon, diese Strafe scheint nicht im Leumundszeugnis auf. Zusätzlich erhält das Quartett Bewährungshilfe verordnet. Während die Angeklagten akzeptieren, legt die Staatsanwaltschaft Berufung gegen die Strafhöhe ein, die Entscheidung ist daher nicht rechtskräftig.

"Dass Sie es lustig fanden, glaub ich Ihnen sogar", begründet Marchart das Urteil. "Was mich ein wenig schockiert: Sie haben noch immer null Opfer-Empathie. Ich setze da meine ganze Hoffnung in die Bewährungshilfe." Dass die Verteidiger, um den Strafrahmen zu senken, bei der Freiheitsentziehung keine "besonderen Qualen" erkennen konnten, sieht die Vorsitzende gänzlich anders. "Das Opfer hatte, zu Recht, Todesangst." (Michael Möseneder, 2.2.2021)