Ivana Stiperski will unsichere Wettervorhersagen und Klimaprojektionen in Berggebieten verbessern.

Foto: Universität Innsbruck / Jordan Mertes

Weit über den Wolken, meist ohne Ankündigung, packt es das Flugzeug und rüttelt es einmal kräftig durch. Noch spürbarer ist dieser Effekt, den wir alle kennen, beim Abflug und Landen. Doch Turbulenz ist nicht nur nervig, sondern vor allem ein wichtiger physikalischer Mechanismus. "Ohne Turbulenz gäbe es womöglich kein Leben auf der Erde", sagt Ivana Stiperski vom Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften der Universität Innsbruck.

Turbulenz sorgt dafür, dass Luftschichten durchmischt werden. Ohne sie hätten wir womöglich unerträglich heiße Temperaturen knapp über der Oberfläche und extrem kalte Schichten wenige Zentimeter darüber, erklärt Stiperski. Die Turbulenz transportiert diese Hitze in die Atmosphäre. Dort beeinflusst sie Phänomene wie die Stärke von Stürmen, die Luftverschmutzung oder die Gletscherschmelze.

Turbulenz ist auch ein wichtiger Aspekt bei der Erstellung von Wettervorhersagen oder Klimamodellen. Doch das Verhalten von Turbulenz richtig vorherzusagen, ist immer noch eine der großen Herausforderungen und eines der ungelösten Probleme der Physik. Bisher nützt man die sogenannte Ähnlichkeitstheorie. Diese funktioniert in flachen Lagen gut. Doch macht es bekanntlich einen Unterschied, ob man sich in den Niederlanden oder so wie Stiperski in Innsbruck befindet – einer Stadt, die alles andere als flach ist.

"Natürlich haben Leute bemerkt, dass Turbulenz hier anders ist, aber nicht verstanden, wie fundamental das ist." Um die Frage zu lösen, wie sich Turbulenz im Gebirge verhält und dabei auch die Ähnlichkeitstheorie zu verallgemeinern, wurde der Forscherin Anfang des Jahres ein ERC-Grant, ein hochdotierter Wissenschaftspreis des Europäischen Forschungsrats, verliehen.

Große Datensätze

"Wir arbeiten mit großen Messdatensätzen, maschinellem Lernen, numerischer Modellierung und theoretischen Konzepten", so Stiperski. Um unsichere Wettervorhersagen und Klimaprojektionen in Berggebieten zu verbessern, will sie die bisherige Theorie mit Variablen ergänzen.

Neben der Steile des Hangs und der Höhe des Gebirges ist das vor allem auch die sogenannte Anisotropie. Diese beschreibt die Richtungsabhängigkeit, eine Eigenschaft von Turbulenz, die besagt, wie diese geformt ist.

Schon früh hatte Stiperski eine Affinität zu allem, was sich über unseren Köpfen abspielt. Da war der Opa, der sie und ihre Schwester auf Wanderungen in ihrem Heimatland Kroatien mitnahm und Wolkenformationen erklärte. Und ihre Mutter, die sie während Gewittern vom Fenster wegzerren musste. "Ich hatte eine richtige Liebe für Gewitter, die mich später zur Meteorologie brachte", sagt die Physikerin heute.

Während ihres Doktoratsstudiums an der Universität Zagreb landete sie beim Thema Wetter im Gebirge. Der Wunsch, auch dort zu leben, brachte sie an die Uni Innsbruck, wo eine Stelle ausgeschrieben war, um die Frage zu beantworten, wie sich Turbulenz im Gebirge verhält. Das Gebirge selbst beschäftigt Stiperski seither auch privat: "Ich glaube, es ist wirklich schwierig, in Innsbruck zu leben und keinen Bergsport zu betreiben." (Katharina Kropshofer, 6.2.2021)