Andreas Scheuer (li.) möchte Minister bleiben. Olaf Scholz (re.) auch.

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Andreas Scheuer (CSU) wird auch in den nächsten Tagen wieder sein Ministerbüro in der Invalidenstraße betreten. Dort steht das Verkehrsministerium, es ist ein imposanter Bau, der 1878 für die Preußische Geologische Landesanstalt errichtet wurde. Und es sieht nicht danach aus, als müsste Scheuer dort bald seine Kisten packen. Er hat den Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Mautdebakel überstanden, was die Opposition naturgemäß überhaupt nicht verstehen kann.

Scheuers Versagen sei so gut dokumentiert, dass es "eigentlich für drei Rücktritte" reiche, sagt Grünen-Verkehrspolitiker Oliver Kirscher. Der Minister habe den Bundestag belogen und mehrfach Haushalts- und Vergaberecht gebrochen. Auch in der SPD heißt es bei vielen: Nie und nimmer hätte Scheuer zum Jahresende 2018 die Verträge mit den Mautbetreibern – darunter die österreichische Firma Kapsch – unterzeichnen dürfen. Denn damals sei ja noch beim EuGH die Klage Österreichs anhängig gewesen.

Beschwere aus Wien

Wien beschwerte sich wegen der geplanten Diskriminierung von Ausländern bei der deutschen Maut. Sie sollten die Straßenverkehrsabgabe zahlen, den Deutschen hingegen sollte sie erstattet werden. Letztendlich wurde der Klage stattgegeben, und Scheuer ist nun mit hohen Schadenersatzforderungen der Mautbetreiber konfrontiert.

Zwei Mal hat er im Ausschuss aussagen müssen und wurde dabei nicht nur von der Opposition hart rangenommen. Auch die SPD-Abgeordnete Kirsten Lühmann löcherte ihn schwer.

Söder soll entscheiden

Doch ihr Fazit fällt verhalten aus: "Der Minister hat mehrfach festgestellt, er habe keine Fehler gemacht und werde daher auch nicht zurücktreten." Allerdings: Ob Scheuer angesichts des Vertrauensverlusts im Amt tragbar sei, müsse CSU-Chef Markus Söder entscheiden. Das ist schon eine Distanzierung. Aber so mancher in Berlin findet, die genervten Sozialdemokraten müssten viel deutlicher sein. Sie wären es auch gern, von Scheuer haben viele die Nase voll. Aber sie können die Glacéhandschuhe nicht so recht abstreifen.

Denn während der Maut-Ausschuss im Herbst 2020 seinem vorläufigen Ende entgegenging, nahm der Wirecard-Untersuchungsausschuss Fahrt auf. Manchmal, wenn beide Ausschüsse parallel tagten, fand das im Bundestag in zwei Sälen nebeneinander statt. Bei der politischen Aufklärung des Wirecard-Skandals steht ein anderer Minister im Mittelpunkt: Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Beleuchtet wird das Versagen der ihm unterstellten Finanzaufsicht Bafin.

Finanzaufsicht versagte

Wie konnte es sein, dass diese nicht merkte, was sich beim einstigen Dax-Darling abspielte? Dass es in dem von den Österreichern Markus Braun (sitzt in U-Haft) und Jan Marsalek (auf der Flucht) geführten Konzern zu Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro kam? "Die Finanzaufsicht hat das offenbar verbrecherische Tun bei Wirecard leider nicht durchschaut", räumt Scholz nun ein und verspricht eine Aufsicht "mit mehr Biss". Vor einigen Tagen mussten der bisherige Chef, Felix Hufeld, und Vizepräsidentin Elisabeth Roegele gehen. Scholz will einen Neuanfang.

Doch das wird ihm den Auftritt im Ausschuss nicht ersparen. Die Abgeordneten wollen ihn persönlich befragen, und das könnte für Scholz unangenehm werden. Er erklärt, von den Vorgängen bei Wirecard bis zum Sommer 2020, als der Betrug aufflog, keine Kenntnis gehabt zu haben. Mehrere Medien aber zitieren aus einem Sachstandsbericht des Finanzministeriums an den Finanzausschuss im Bundestag. Darin heißt es, Scholz sei schon im Februar 2019 darüber unterrichtet worden, dass die Bafin "in alle Richtungen wegen Marktmanipulation ermittelt".

"Äußerst ungehalten" zeigte sich daraufhin der Finanzobmann der Unionsfraktion, Hans Michelbach (CSU). Eine ungehaltene Union aber kann die SPD im Jahr der Bundestagswahl (26. September 2021) überhaupt nicht brauchen, schließlich ist Scholz auch Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten.

Politischer Deal

Und so gilt in Berlin ein politischer Deal: Die SPD fordert nicht den Rücktritt von Scheuer, die Union zeigt bei Scholz Nachsicht. In beiden Lagern fügt man hinter vorgehaltener Hand hinzu: Nach der Bundestagswahl sind eh beide weg. (Birgit Baumann aus Berlin, 3.2.2021)