Foto: Carlo Allegri

Der Kurs von Gamestop sinkt wieder. Um etwas mehr als 30 Prozent ging es am Montag bergab. Das indiziert, dass das Spiel bald vorbei sein könnte. Die Hedgefonds haben ihre Wetten auf den sinkenden Kurs wohl geschlossen und ziehen weiter. Was bleibt, sind unzählige Anleger, die überteuerte Aktien halten. Short Selling ist dadurch jedenfalls bekannt geworden. Doch ist diese Strategie immer schlecht?

Frage: Beim Short Selling verkauft jemand Aktien, die er sich ausborgt (gedeckter Leerverkauf) oder gar nicht besitzt (ungedeckter Leerverkauf), in der Hoffnung, die Papiere später billiger zurückkaufen zu können? Ist das eine faire Strategie?

Antwort: Die Möglichkeit von Leerverkäufen sieht Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Bank International, nicht als schlechtes Instrument an. Weil diese auch zur Marktbereinigung beitragen.

Frage: Inwiefern?

Antwort: Fangen große Investoren an, Aktien eines Unternehmens leerzuverkaufen, dann zeigt das laut Brezinschek, "dass die Finger in eine Wunde gelegt werden". Investoren glauben nicht mehr an das Unternehmen oder die Strategie. Gefordert wären dann die Eigentümer, ein Sanierungskonzept vorzulegen.

Frage: Bei Gamestop ist das ja so passiert ...

Antwort: Genau. Gamestop hat im September Experten engagiert, um das Unternehmen auf Vordermann zu bringen. Einige Großinvestoren glaubten nicht an einen Strategiewechsel und haben die Leerverkäufe gestartet. Dann kamen die Kleinanleger und wetteten dagegen.

Frage: Glauben die Privatanleger denn mehr an das Unternehmen?

Antwort: Nein. Sie wollten den Hedgefonds Verluste bescheren. Das ist gelungen. Würde Gamestop jetzt eine Kapitalerhöhung ankündigen, würde sich zeigen, ob die Anleger zum Unternehmen stehen. "Das wäre ein guter Markttest", sagt Brezinschek.

Frage: Oft wird jetzt von der Demokratisierung des Kapitalmarkts gesprochen, weil viele Privatanleger sich engagieren. Ist das so?

Antwort: Wohl nicht. Von den vielen Gamestop-Anlegern wird kaum jemand Interesse am Unternehmen haben. Andernfalls würden die Anleger auf die Daten von Gamestop achten und erkennen, dass ein so hoher Aktienkurs wie derzeit rund 200 Dollar nicht gerechtfertigt ist.

Frage: Short-Selling-Attacken gibt es immer wieder. Warum?

Antwort: "Getroffen werden meist ehemalige Stars, die die Zeichen der Zeit nicht erkannt haben", sagt Brezinschek. Die prominentesten Beispiele sind das US-Energieunternehmen Enron oder der Finanzdienstleister Wirecard, wo Short Seller zu Betrugsaufdeckern wurden. Ebenso die Mortgage-backed Securitys, die zur Finanzkrise führten.

Frage: In Österreich sind ungedeckte Leerverkäufe verboten. Gut so?

Antwort: In Österreich sei der Kapitalmarkt laut Brezinschek zu klein und zu wenig liquid, als dass ungedeckte Leerverkäufe sinnvoll wären. Ungedeckte Leerverkäufe sind an und für sich nicht kritisch, aber spekulativ. Er plädiert für Grenzen. Es sollte Quoten dafür geben, auf welchen Prozentsatz der Aktien die Strategie gefahren werden darf.

Frage: Was wird bleiben vom Spiel der Kleinen gegen die Hedgefonds?

Antwort: Verbrannte Finger. Brezinschek geht von einem raschen Ende des Gamestop-Spiels aus. Die Hedgefonds schließen ihre Wetten, tausende Kleinanleger halten dann völlig überteuerte Aktien. Dann werde es wieder heißen, der Kapitalmarkt sei schlecht. Dass viele Privatanleger jetzt genauso zocken, wie der eine oder andere Investor, wird ausgeblendet. Der eigentliche Sinn der Aktie, dass dem Unternehmen Eigenkapital zur Verfügung gestellt wird, wird dadurch im Moment völlig ignoriert. (Bettina Pfluger, 3.2.2021)