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Conte bleibt umstritten.

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Rom – "Wir vertrauen uns nun der Weisheit des Staatsoberhauptes an", twitterte Ex-Premier Matteo Renzi nach dem Scheitern des Erkundungsmandates von Roberto Fico am Dienstagabend. Der Präsident der Abgeordnetenkammer war am Freitag von Staatspräsident Sergio Mattarella damit beauftragt worden, die Möglichkeiten einer neuen Regierung auszuloten,. Sie hätte von den bisherigen Koalitionspartnern getragen werden sollen, unterstützt durch eine Handvoll Fraktionslose und Überläufer aus den Oppositionsparteien. Als Chef dieser Regierung wäre erneut Giuseppe Conte vorgesehen gewesen, wenn auch nicht zwingend.

Vier volle Tage hat der 46-jährige Neapolitaner Fico versucht, alte und neue Koalitionspartner auf ein künftiges Programm, einen künftigen Premier und ein künftiges Kabinett zu verpflichten – aber immer, wenn ein Durchbruch erreicht schien, erfolgte ein neues Veto, meistens von Renzi. Nach mehreren, stundenlangen Verhandlungsrunden kehrte Fico gestern Abend mit einiger Verspätung und mit ziemlich leeren Händen in den Quirinalspalast zurück, um Staatspräsident Mattarella Bericht über seine Mission Impossible zu erstatten.

Conte als Knackpunkt

Auch wenn es Renzi niemals zugeben wird: Die Verhandlungen sind an der Personalie Conte gescheitert: Sämtliche bisherigen und neuen Koalitionspartner wollten an dem parteilosen Juristen festhalten und ihn seine dritte Regierung bilden lassen. Nur einer wollte sich nicht auf Conte festlegen lassen: Renzi. Außerdem forderte der Ex-Premier, der die Krise vor drei Wochen mit dem Abzug seiner Ministerinnen aus der Regierung losgetreten hatte auch den Kopf des Justizministers, der Bildungsministerin und des nationalen Covid-Kommissars.

Nach dem Fehlschlag Ficos liegt die Regie in der Regierungskrise wieder ganz in den Händen von Mattarella. Der Entscheid des Staatsoberhauptes, wie es in Rom nun weitergehen soll, bleibt offen. Man darf aber die Prognose wagen, dass mit dem gestrigen Scheitern der Gespräche die Chancen Contes, an den Schreibtisch des italienischen Ministerpräsidenten im Palazzo Chigi zurückzukehren, erheblich gesunken sind.

Zwei Auswege

Viel Spielraum hat Mattarella nun nicht mehr: Im Wesentlichen existieren noch zwei Auswege aus der Regierungskrise. Der erste: Mattarella kann versuchen, eine Art große Koalition oder Regierung der nationalen Einheit aus der Taufe zu heben. Diese könnte von den bisherigen Regierungsparteien, einschließlich der Kleinpartei Italia Viva von Renzi, sowie von Silvio Berlusconis Forza Italia getragen werden. Denkbar wäre außerdem eine Unterstützung "von außen" durch die Lega von Matteo Salvini. Top-Favorit für den Posten des Regierungschefs wäre der frühere EZB-Chef Mario Draghi. Gute Chancen hätten aber auch die derzeitige Innenministerin Luciana Lamorgese und die ehemalige Präsidentin des Verfassungsgerichts, Marta Cartabia. Es wäre das erste Mal, dass Italiens Regierung von einer Frau geführt würde.

Die zweite Möglichkeit: Mattarella löst das Parlament auf und ordnet Neuwahlen im März oder spätestens im Juni an. Neuwahlen sind aber gleich aus zwei Gründen unwahrscheinlich: Zum einen ist man sich in Rom einig, dass sich das Land mitten in einer dreifachen Notlage – gesundheitlich, wirtschaftlich und sozial – keinen monatelangen Wahlkampf leisten kann, sondern möglichst schnell eine handlungsfähige und entschlossene Regierung braucht. Zum anderen hat der größte Teil der Parlamentarier keine Lust auf Neuwahlen, da wegen der Verkleinerung des Parlaments von 945 auf 600 Sitze die Chancen auf eine Wiederwahl noch nie so schlecht waren. Allein schon deswegen werden die "Onorevoli" und "Senatori" Hand zu einer neuen Regierung bieten, welcher Art und mit welchem Chef auch immer. (Dominik Straub, 2.2.2021)