Luxemburg/Stuttgart/Ort im Innkreis – Eine deutsche Regelung zu Fernsehwerbung könnte mit dem EU-Recht in Konflikt stehen. Das Verbot, in ein bundesweit ausgestrahltes Programm Werbung aufzunehmen, die nur regional gezeigt wird, gehe möglicherweise zu weit, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Mittwoch im Streit eines österreichischen Modeunternehmens, der Fussl Modestraße, mit einem deutschen Fernsehsender. Im konkreten Fall muss nun das Stuttgarter Landgericht entscheiden. (Az. C-555/19)

"Das Verbot, im Rahmen bundesweit ausgestrahlter deutscher Fernsehprogramme Werbung nur regional zu zeigen, könnte gegen das Unionsrecht verstoßen. Dieses umfassende Verbot könnte nämlich zum einen über das hinausgehen, was erforderlich ist, um den pluralistischen Charakter des Fernsehprogrammangebots zu wahren, indem den regionalen und lokalen Fernsehveranstaltern die Einnahmen aus der regionalen Fernsehwerbung vorbehalten bleiben, und zum anderen könnte es zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung der nationalen Fernsehveranstalter und der Anbieter von Werbedienstleistungen im Internet führen," heißt es in der Pressemitteilung des Gerichtshofs.

Berufung auf die Änderung des Rundfunkstaatsvertrags

Fussl Modestraße Mayr ist ein oberösterreichisches Mode-Einzelhandelsunternehmen mit Sitz in Ort im Innkreis und hat auch in Deutschland Filialen. Die Firma streitet sich mit der SevenOne Media GmbH, der Vermarktungsgesellschaft der ProSiebenSat.1-Gruppe, darüber, ob ihr Werbespot auf ProSieben nur in Bayern laufen darf. So sah es der Vertrag der beiden Unternehmen vor, doch SevenOne Media verweigerte die Erfüllung unter Berufung auf die Änderung des Rundfunkstaatsvertrags von 2016, die ein solches Vorgehen verbiete.

In die bundesweit in ganz Deutschland ausgestrahlten Programme darf demnach keine Werbung aufgenommen werden, die nur in einzelnen Regionen gezeigt wird. So sollen Einnahmequellen für regionale Sender bleiben, die es ihnen ermöglichen, zur Pluralität des Fernsehprogramms beizutragen. Es gibt allerdings eine Öffnungsklausel, die es den deutschen Bundesländern ermöglicht, regionale Werbung im Rahmen des bundesweiten Programms zu erlauben.

Fussl Modestraße zog gegen SevenOne Media vor das Landgericht Stuttgart. Dieses setzte das Verfahren aus und bat den Europäischen Gerichtshof um Auslegung des EU-Rechts. Der EuGH entschied nun, dass ein solches Verbot zwar den freien Dienstleistungsverkehr einschränkt, aber dennoch gerechtfertigt sein kann. Es müsse aber geeignet sein, die Erreichung des Ziels der Medienpluralität zu gewährleisten und dürfe nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist.

Möglicher Widerspruch

Dabei könnte es einen Widerspruch geben, und zwar weil das Verbot nur für Fernsehsender gelte und nicht für Werbung im Internet. Es ist nun die Aufgabe des Landgerichts, den konkreten Fall zu prüfen. Die Stuttgarter Richter sollen auch klären, ob die im Staatsvertrag vorgesehene Öffnungsklausel tatsächlich so erlassen und durchgeführt werden kann, dass das Ziel Medienpluralität in der Praxis erreichbar ist.

Der Vorstandssprecher und Finanzvorstand des Medienkonzerns ProSiebenSat.1, Rainer Beaujean, reagierte auf das Urteil aus Luxemburg so: "Wir begrüßen die Feststellung des höchsten europäischen Gerichts, dass das Verbot von regional zugeschnittener Werbung in bundesweit ausgestrahlten TV-Programmen weiter auf dem Prüfstand stehen muss." Beaujean ergänzte: "Wir brauchen in Deutschland eine zeitgemäße Regulierung und mehr Chancengleichheit im Werbemarkt, die heimische Unternehmen im internationalen Wettbewerb fördern und nicht behindern." Gegenwärtig sei es ausschließlich dem Medium TV verwehrt, Werbung regional auszuspielen. "Globalen Digitalkonzernen ist dies im Internet jedoch erlaubt." (APA/AFP, 3.2.2021)