Steffen Baumgart kritisierte den Schiedsrichter und bemängelte den Umgang mit den "Kleinen".

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Essen/Dortmund – Der deutsche Fußball-Viertligist Rot-Weiss Essen steht nach der Sensation gegen Bayer Leverkusen im Viertelfinale des DFB-Pokals. Das 2:1 nach Verlängerung feierten Mannschaft und Fans am Dienstag gebührend. Die meisten hielten sich dabei an die Regeln, aber nicht alle.

Die Fans des Vereins hatten direkt nach Schlusspfiff eine spontane Party in der Essener Innenstadt gestartet, mit Autokorso und Feuerwerk. 27 Ermittlungsverfahren leitete die Polizei ein, insgesamt sei es aber "recht ruhig geblieben". Er habe "Verständnis, dass sich diese Emotionen bahnbrechen müssen", sagte Clubchef Marcus Uhlig: "Kein Verständnis habe ich da, wo es zu Verstößen gegen Corona-Schutzverordnungen kommt."

Geldsegen

Aber es war ein Tag wie kein anderer in Essen. Erstmals seit 27 Jahren steht der Cup-Sieger von 1953 im Viertelfinale. Die schon sicheren zwei Millionen Euro schließen im Corona-Jahr alle Lücken im Sieben-Millionen-Etat. Und mit den Siegen gegen Bielefeld und Champions-League-Teilnehmer Leverkusen hat er nun schon mehr Erstligisten in dieser Saison geschlagen als der Revier-Nachbar FC Schalke 04 in 19 Liga-Spielen.

Uhlig verspürte auch eine gewisse Genugtuung gegenüber einigen Spöttern im Vorfeld, auch wenn diese nicht aus dem Leverkusener Lager gekommen waren. "Nach der Auslosung wurden wir hier und da als Freilos für Leverkusen bezeichnet", sagte er: "Aber wir haben gezeigt: Mit Essen spielt man nicht."

Und so schickt sich, ein Jahr nachdem der 1. FC Saarbrücken als erster Viertligist im Halbfinale scheinbar Einmaliges geschafft hat, ein weiterer Regionalligist an, das Märchen zu wiederholen. Und vielleicht sogar zu Ende zu schreiben. "Ich habe das Hotel in Berlin schon bestellt", sagte Trainer Christian Neidhart mit Blick auf das Finale – freilich augenzwinkernd.

Bei den Leverkusenern ließ Trainer Peter Bosz, der Aleksandar Dragovic durchspielen ließ, keinerlei Ausreden gelten. "Rasen, Regen, Gegner, alles egal!", schimpfte er ungewohnt ungehalten: "Wir müssen das Ding gewinnen." Unglaublich vor allem, dass der Favorit den Sieg noch verspielte, als er nach vier Aluminiumtreffern in der regulären Spielzeit mit dem 26. Torschuss durch Leon Bailey endlich in Führung ging (105.). "Mit unserer Erfahrung darf das nie passieren", sagte Bosz: "Ich bin sauer."

Wutrede

Erbost war auch Steffen Baumgart. Mit lauter Stimme, rotem Kopf und deutlichen Worten nahm sich der Paderborn-Trainer unmittelbar nach dem 2:3 nach Verlängerung bei Borussia Dortmund den Schiedsrichter zur Brust. "Langsam wird es lächerlich. Nicht rauszugehen, um sich das anzugucken, das ärgert mich. Dann machen wir uns zum Affen", klagte Baumgart in einer vielbeachteten Wutrede vor Millionen von TV-Zuschauern in der ARD.

Steffen Baumgart im Gespräch mit Schiri Tobias Stieler.
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Die fehlende Bereitschaft von Tobias Stieler, nach dem im Kölner Videokeller in quälend langer Zeit überprüften BVB-Siegtreffer von Erling Haaland (95.) selbst einen Blick auf den eigens für solche Zwecke am Spielfeldrand postierten Monitor zu werfen, brachte Baumgart auf die Palme: "Wir stehen hier sieben Minuten und frieren uns den Arsch ab – und dann solch eine Entscheidung."

Einmal in Fahrt, legte der 49-Jährige nach: "Respekt bedeutet auch, sich den Scheiß anzugucken und dann eine Entscheidung zu treffen. Das ist respektvoller Umgang mit dem Gegner und nicht mit den Kleinen, den man wieder in den Arsch getreten hat." Mit einer Anspielung auf die Börsennotierung der Borussia verwies er auf die große finanzielle Bedeutung des Pokals für einen Club wie Paderborn: "Das geht hier für uns gerade um zwei Millionen. Ich bin keine Aktiengesellschaft, wir kämpfen um jede müde Mark. Und dann kommt mir so einer so entgegen. Das finde ich arrogant."

Am Tag nach seiner Wutrede befürchtete Baumgart keine Strafe. "Ich habe auf eine Situation aufmerksam gemacht und niemanden persönlich beleidigt. Wenn ich demnächst eine Doktorarbeit schreiben muss, bevor ich zum Interview gehe, dann sollte man mir das sagen", sagte der 49-Jährige am Mittwoch dem MDR. (APA/dpa, 3.2.2021)