Joe Biden und seine Vizepräsidentin Kamala Harris werden laut Experten mit Widerstand aus Ministerien zu rechnen haben.

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Im Gegensatz zu ersten Verordnungen und Erlässen seiner Amtszeit hat US-Präsident Joe Biden am Dienstag nicht gleich Entscheidungen seines Vorgängers Donald Trump außer Kraft gesetzt. Mit seinen Unterschriften lässt er diesmal nur gewisse Grenzschutzmaßnahmen überprüfen, die aber bis zu einer möglicherweise negativen Bewertung in Kraft bleiben.

So werden nun die euphemistisch "Migrant Protection Protocols" genannten Maßnahmen unter die Lupe genommen, die während der Trump-Ära dafür gesorgt haben, dass mehr als 60.000 Asylsuchende nach Mexiko gebracht wurden und dort auf ihren Asylbescheid warten. Zwar werden unter Biden nun keine zusätzlichen Personen mehr über die Grenze gebracht, doch dürfen die zuvor Betroffenen auch nicht automatisch einreisen und in den USA ihr Verfahren abwarten. Menschenrechtler argumentieren, dass so vor allem Familien kriminellen Banden in Mexikos Grenzstädten ausgeliefert bleiben.

Per Verordnung setzte Biden zudem eine interministerielle Arbeitsgruppe ein, die dafür sorgen soll, dass jene Kinder, die unter Trumps Null-Toleranz-Politik an der Grenze von ihren Eltern getrennt worden waren, wieder mit ihren Familien vereint werden können. Damit will der US-Präsident die "moralische und nationale Schande" beseitigen, wie er das Vorgehen nennt.

Schnellabschiebungen

In Kraft bleibt vorerst auch die Notverordnung "Title 42", mit der Trump ermöglichte, dass in Zeiten der Coronavirus-Pandemie Menschen nach illegalen Grenzübertritten rasch nach Mexiko gebracht werden können. Dadurch sollte eine Ausbreitung des Virus an Grenzstationen und in Einwanderungsgefängnissen verhindert werden.

Mit früheren Verordnungen griff Biden härter durch: Er stoppte den Bau der 16 Milliarden US-Dollar teuren Grenzmauer, hob das generelle Einreiseverbot für Menschen aus einigen mehrheitlich muslimischen Ländern auf und setzte eine hunderttägige Abschiebepause durch, die allerdings zwischenzeitlich von einem texanischen Richter unterbrochen wurde. Während der Pause von der Pause brachten Beamte der Einwanderungsbehörde wieder Menschen in Schubhaft.

Beobachter sprechen in US-Medien davon, dass es die neue Regierung schwer haben wird, die Beamten im Heimatschutz-Ministerium auf ihre Seite zu ziehen. Denn das Ministerium sieht anders aus, als es der neue Minister Alejandro Mayorkas noch aus seiner Zeit als stellvertretender Leiter in der Regierung Barack Obamas kennt.

Während Trump im Weißen Haus tätig war, erlebten die Einwanderungsbeamten, wie sie mehr Macht und politische Aufmerksamkeit bekamen. "Es gibt Leute in der Behörde, die sind mit Trumps Politik einverstanden", zitiert die New York Times Tom Homan, Trumps Chef der Einwanderungsbehörde ICE. Die Gewerkschaft der ICE-Beamten hat bereits angekündigt, nicht alle Direktiven von Biden anzunehmen.

Hunderttausende warten

Und die neue Regierung hat noch ein weiteres Problem bei der Umsetzung ihrer Pläne in Sachen Einwanderungspolitik. Denn nachdem Donald Trump im April die legalen Migrationswege in die USA de facto gekappt hat – offiziell, um US-Arbeitsplätze zu schützen –, stapelten sich die Anträge für Einreisegenehmigungen in den US-Konsulaten. Diese wiederum schlossen aber vorübergehend wegen der Coronavirus-Pandemie im Frühjahr.

Nun will Biden die USA weitgehend wieder öffnen und sendete positive Signale an Flüchtlinge, ausländische Arbeiter und Asylsuchende. Doch laut Experten warten mittlerweile 380.000 Einwanderungsanträge auf Bearbeitung. Die Behörden könnten Jahre brauchen, um alle Ansuchen abzuarbeiten, den Menschen bleibt Unsicherheit. (Bianca Blei, 3.2.2021)