BIG-Geschäftsführer Hans-Peter Weiss will die Austrian Real Estate, eine Tochter der BIG, börsenfit machen. Das heißt aber nicht, dass sie privatisiert werden soll, so Weiss.

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Mit der BIG-Tochter Austrian Real Estate (ARE) will Hans-Peter Weiss, Geschäftsführer beider öffentlicher Unternehmen, vor allem eines: Kapital gut anlegen. Das komme letztlich dem Steuerzahler zugute. Aber nicht alle sehen das so: Im Ibiza-Untersuchungsausschuss waren im vergangenen Jahr auch Projektpartnerschaften mit Privatinvestoren Thema. DER STANDARD hat beim BIG-Chef nachgefragt, was es damit auf sich hat. Und auch über die Corona-Pandemie, den Trend zum Homeoffice und Mietstundungen wurde im Interview gesprochen.

STANDARD: Ist die ARE nun da, um leistbaren Wohnraum zu schaffen, oder nicht?

Weiss: Natürlich spielt leistbarer Wohnraum eine Rolle, aber nicht die einzige. Wir entwickeln Liegenschaften bestmöglich im Interesse des Eigentümers – also im Interesse der Steuerzahler. Es gibt ein paar Standorte, die aufgrund ihrer Lage sehr hochwertig einzustufen sind – deshalb auch entsprechende Preisniveaus. Das sind aber Standorte, die historisch zu unserem Bestand gehören. Aktiv erworben haben wir diese nicht. Wo wir aktiv am Markt Liegenschaften kaufen, schauen wir, dass das Standorte sind, die auch günstigere Mieten und Kaufpreise ermöglichen.

STANDARD: Was heißt günstig?

Weiss: Wenn man den Durchschnitt der Wohnungen nimmt, die wir derzeit in Vermietung haben, sind wir bei 9,50 Euro. Nimmt man die Sozialwohnungen, die wir ermöglichen, dazu, halbiert sich der Wert fast. Das sind schon sehr günstige Mieten ...

STANDARD: … und auch im Interesse des Steuerzahlers.

Weiss: Die ARE agiert am Markt, wir entwickeln unsere Liegenschaften zu Marktbedingungen. Die Bundesimmobiliengesellschaft verwaltet öffentliche Liegenschaften, Unis, Schulen und so weiter. Die ARE wurde gegründet, um sich auf den Markt zu fokussieren, seit fünf Jahren fokussiert sie sich auch stark auf das Thema Wohnen. Ziel ist, Kapital gut verzinst anzulegen. Also geht es auch darum, Immobilien zu entwickeln und mit Gewinn weiterzuverkaufen. Was hat der Steuerzahler davon? Im vergangenen Jahr haben wir eine Dividende von fast 65 Millionen Euro ausgeschüttet. Unmittelbar nach der Gründung 2013 waren wir bei 20 Millionen.

STANDARD: Schöne Zahlen. Kein Wunder, dass private Investoren gerne mit der ARE Projekte machen.

Mit der Signa gemeinsam verwirklicht die ARE ein Großprojekt im 22. Wiener Stadtbezirk. Vienna TwentyTwo heißt das Projekt, so soll es einmal aussehen.
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Weiss: Wir kooperieren, weil wir so größere Projekte wie ganze Stadtteilentwicklungen umsetzen können. Es geht um Risikostreuung und Know-how. Stadtteilentwicklungen haben viele Kategorien. Wir können das Thema Bildung sehr gut, das Thema Wohnen auch. Aber das Thema Hotel können wir beispielsweise weniger gut, es gehört aber zu fast jeder größeren Projektentwicklung dazu. Deshalb ist es hilfreich, jemanden an Bord zu haben, der hier Experte ist.

STANDARD: Im Ibiza-Untersuchungsausschuss wurden andere Mutmaßungen angestellt. Sie würden privaten Investoren zu Gewinnen verhelfen. Die grüne Abgeordnete Nina Tomaselli recherchierte, dass Sie an zahlreichen Projekten mit 49 Prozent beteiligt sind, der private Partner mit 51 Prozent. Umgehen Sie so das Vergaberecht?

Weiss: Wir haben Anteile an Projektgesellschaften von 20 bis 100 Prozent. Da ist alles dabei, in den meisten Fällen ist es einfach das Verhandlungsergebnis. Aber wenn wir über eine Beteiligung von etwa 50 Prozent sprechen, versuchen wir einen Aspekt mitzudenken, der bei der Gründung der ARE relevant war: Wo wir nicht die Mehrheit halten, werden wir bei der Schuldenrechnung nicht dem Sektor Staat zugerechnet. Wenn alle anderen Ziele erfüllt sind, machen wir das auch noch – aber genau in dieser Reihenfolge. Und zum Vergaberecht: Dem unterliegt eine Projektgesellschaft der ARE grundsätzlich nicht, egal, ob die ARE die Mehrheit oder die Minderheit einer Projektgesellschaft hält.

Die grüne Abgeordnete Nina Tomaselli machte die Beteiligungspolitik der Austrian Real Estate (ARE) im Ibiza-Untersuchungsausschuss zum Thema.
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STANDARD: Ihre Projektpartnerschaften reichen inzwischen auch ins Ausland.

Weiss: Das einzige ARE-Projekt im Ausland ist in München. Wir stoßen in Österreich auf der Suche nach attraktiven Entwicklungsmöglichkeiten teilweise an unsere Grenzen, wir wollten uns im Rahmen eines Pilotprojektes den Markt in einem benachbarten Land ansehen. München ist ein sehr interessanter Markt für die Immobilienwirtschaft, gleichzeitig von Österreich aus betreubar. Wir loten gerade aus, ob der Schritt ins Ausland zu uns passt. Wenn ja, werden weitere Projekte geprüft.

STANDARD: Wo?

Weiss: Vor allem im süddeutschen Raum.

STANDARD: Auch in Osteuropa?

Weiss: Das schließe ich aus.

In München probt die ARE derzeit den Schritt ins Ausland.
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STANDARD: Jedenfalls scheint die ARE recht börsenfit. Ist an den kolportierten Plänen, die ARE zu privatisieren, etwas dran?

Weiss: Börsenfit heißt auch, dass das Unternehmen gewissen Berichts- und Transparenzstandards genügt. Eine Privatisierung war nie geplant. Die ARE bewegt sich in einem Umfeld, wo Projektpartner und Konkurrenten private Unternehmen sind. Sie muss sich deshalb auch wie ein Privatunternehmen bewegen können.

STANDARD: Die BIG bewegt sich in einem anderen Umfeld, stand letzthin aber auch in der Kritik. Nämlich wegen des Postsparkassen-Deals mit René Benkos Signa. Der Vorwurf: Nachdem sich die BIG in dem historischen Gebäude in Wien per Baurechtsvertrag über 99 Jahre quasi eingemietet hatte, wurde die Immobilie von der Signa massiv aufgewertet.

Weiss: Wir wollten das Haus kaufen, der aktuelle Eigentümer war nicht bereit zu verkaufen. Deshalb haben wir das Baurecht erworben. Der Impuls kam von den Universitäten, inzwischen ist ja die Universität für angewandte Kunst bereits eingezogen. Die Akademie der Wissenschaften und andere Unis werden bald folgen. Die Angewandte war sehr an dem Haus interessiert. Wegen der Lage, aber auch weil das Haus eine architekturhistorische Bedeutung hat, wie sie wenige Häuser in Österreich und Mitteleuropa haben. Und weil es für eine wie die jetzt angedachte Nutzung sehr geeignet ist – und es gibt sehr gute Mietkonditionen für unsere Nutzer. Der Erwerb des Baurechts stellt eine immobilienwirtschaftliche Entscheidung dar, die Anleihe ist eine Kapitalmarkttransaktion, die außerhalb unseres Einflussbereichs liegt.

STANDARD: Welchen Kaufpreis wären Sie bereit gewesen zu zahlen?

Weiss: Ein möglicher Kauf wurde von vornherein abgeblockt, es war von der Eigentümerseite her kein Thema.

STANDARD: Jetzt wurde ein neuer Deal mit einer Signa-Tochter publik, diesmal geht es um den Verfassungsgerichtshof, der seine Räumlichkeiten in der Renngasse erweitern will. Die BIG sollte Mieter werden, der Verfassungsgerichtshof Untermieter.

Weiss: Die Geschichte ist aber nicht mehr aktuell. Der Verfassungsgerichtshof hatte die Räumlichkeiten des Bank Austria Kunstforum für eine Ausstellung ins Auge gefasst, wird diese letztlich aber in Containern auf der Freyung realisieren.

An der Renngasse 2 residiert das Verfassungsgericht. Eigentümer ist die Signa, die BIG ist Mieter und vermietet an den VfGH weiter. Über die mögliche Ausweitung des Mietvertrags berichtete DER STANDARD hier.
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STANDARD: Öffentliche Einrichtungen konnten ihre Mieten auch während der Corona-Pandemie begleichen. Aber wie ging es Ihren privaten Mietern?

Weiss: Es gab Mieter, die aufgrund von Geschäftsraumschließungen um Stundungen oder Erlass angesucht haben. Stundungen haben wir sofort und ganz unbürokratisch gewährt. Den Erlass von Mieten haben wir im Einzelfall geprüft. Bisher sind 211 Einheiten betroffen. Die meisten Fälle gehen auf den ersten Lockdown zurück, aber nicht ausschließlich. Deshalb kann ich auch noch keine ganz genauen Zahlen nennen.

STANDARD: Lockdowns und Homeoffice verändern auch die Art, wie wir wohnen. Trends, die für einen Immobilienentwickler relevant sind.

Weiss: Sicher, es sind aber keine neuen Trends, die Pandemie hat sie nur beschleunigt. Am Wohnungsmarkt hat man schon vorher aufgrund des Preisdrucks smarte Wohnungen gebraucht, die energieeffizient sind, gut mit dem Nutzer kommunizieren und auch die Möglichkeit geben, die Räume ein Stück weit flexibel zu gestalten. Da werden wir mit den Kenntnissen aus der Pandemie einen noch stärkeren Fokus darauf legen.

STANDARD: Keine Wohnung mehr ohne Arbeitszimmer?

Weiss: Auch ohne Pandemie hätte wohl jeder von uns gerne ein Zimmer mehr, das ist aber primär eine Frage der Leistbarkeit. Wie kann man mit einfachen und effizienten Maßnahmen die Wohnung so gestalten, dass man sie temporär in kleinere Einheiten aufteilen kann? Das kann beispielsweise eine verschwindende Glasschiebetür sein, die die Einheiten auch akustisch abtrennt.

Bevor Weiss Geschäftsführer der Bundesimmobiliengesellschaft wurde, war der studierte Forstwirt bei den Esterhazy-Betrieben und bei den Bundesforsten beschäftigt.
Foto: Andy Urban

STANDARD: Für hybrides Arbeiten würde es reichen, wenn es ein paar Arbeitsplätze in der Wohnhausanlage gibt. Es muss ja nicht jeder einen eigenen haben.

Weiss: Wohnhausanlagen brauchen insgesamt mehr zentrale Einrichtungen. Richtig, eine Möglichkeit wären Räume, die sich temporär für Homeoffice nutzen lassen. Das würde dann ein bisschen wie ein Coworking-Space aussehen. Auch sollte man über Videokonferenzräume nachdenken.

STANDARD: Sie sprachen von mehreren Trends, die durch Corona beschleunigt würden.

Weiss: Menschen ziehen schrittweise wieder aus der Stadt hinaus, sie suchen den Weg aufs Land. Gerade die Räume rund um Wien erfahren einen Zuzug, der durch Corona noch einmal verstärkt wird. Das heißt aber nicht, dass die Urbanisierung der letzten Jahrzehnte gebremst wird. Die Stadt bleibt der Nukleus, der entscheidende Aspekt wird aber sein, wie schnell ich aus den attraktiven Wohnlagen in die Stadt, zur Arbeit, zu Kultureinrichtungen und Freizeitmöglichkeiten komme. Diese Fragen werden wir weiter forcieren müssen.

STANDARD: Was ist der richtige Ansatz?

Weiss: Man muss in Großräumen denken. Der Großraum Wien hört aber nicht an der Stadtgrenze auf. Wir müssen auch Orte, die 50 oder 60 Kilometer weit entfernt sind, gut anbinden. (Aloysius Widmann, 4.2.2021)