Dem Vernehmen nach soll Familienmensch Mario Draghi nicht gerade erpicht auf den schwierigen Job des italienischen Ministerpräsidenten gewesen sein. Doch wenn Italien ruft, dann folgt man und tritt an.

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Die Pandemie besiegen, die Impfkampagne zu Ende führen, auf die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger eingehen und dem Land zu einem Neustart verhelfen – das werden unsere Herausforderungen sein", erklärte Mario Draghi am Mittwoch nach seiner Unterredung mit dem italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella. Den Auftrag zur Regierungsbildung habe der ehemalige EZB-Chef "unter Vorbehalt" angenommen. Doch diese Aussage ist nichts weiter als die übliche Formel in dem ausgeklügelten Geburtsritual für ein neues italienisches Kabinett.

Allerdings: Die Erleichterung, mit der die Nominierung Draghis in weiten Teilen der Wirtschaft, an den Finanzmärkten und in Brüssel aufgenommen wurde, stand im Kontrast zu den widersprüchlichen und zum Teil konfusen und ablehnenden Kommentaren der im italienischen Parlament vertretenen Parteien. Dass der frühere Chef der Europäischen Zentralbank in den nächsten Tagen tatsächlich eine Regierung "im Vollbesitz ihrer Funktionen" aus der Taufe heben kann, wie sich das Mattarella wünscht, war zumindest am Mittwoch noch keine ausgemachte Sache.

Zerreißprobe

Zu einer Zerreißprobe wird der Regierungsauftrag für die bei der Parlamentswahl 2018 (in den Umfragen aber längst nicht mehr) stärkste politische Kraft Italiens, die Fünf-Sterne-Bewegung: Sie stellt über ein Drittel der Abgeordneten und Senatoren. Als Wut- und Protestbewegung gegründet, hatten die Fünf Sterne die Wahlen mit Attacken auf die "Eliten", das "Establishment", die "Banken", die "Multis" und die "poteri forti" – die im Verborgenen wirkenden "starken Mächte" – gewonnen. Der vormalige Chef von EZB und auch italienischer Notenbank Draghi verkörpert dieses Feindbild auf geradezu idealtypische Weise.

Mehrere Parlamentarier der Fünf Sterne haben bereits am Mittwoch angekündigt, dass sie eine von Draghi angeführte Regierung der nationalen Einheit nicht unterstützen werden; andere wiederum erwiderten, dass man nun an das Wohl des Landes denken und den ehemaligen EZB-Chef sehr wohl unterstützen müsse. Möglicherweise werden die Fünf Sterne zur Klärung der Frage eine Onlineabstimmung unter ihren Anhängern durchführen – ein Vorgehen, das schon im Herbst 2019 bei der Bildung der Regierung Conte II, einer Koalition mit den Sozialdemokraten, gewählt wurde.

Kritik und Unterstützung

Auf großes Unbehagen stößt die künftige Regierung Draghi auch an den politischen Rändern: Sowohl die radikale Linke als auch die postfaschistischen Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni haben in den vergangenen Tagen mehrfach betont, dass sie einer Regierung unter Draghi das Vertrauen verweigern werden.

Unterstützung dürfte der designierte Premier dagegen vom sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), von Matteo Renzis Italia Viva und von Silvio Berlusconis Forza Italia erhalten. Möglich ist auch eine Unterstützung "von außen" durch die rechtsnationale Lega von Matteo Salvini.

Die parlamentarische Zustimmung für die künftige Regierung wird jedoch auch von ihrer personellen Zusammensetzung bestimmt werden. Draghi hat zwei Optionen: Er kann ein Technokraten-Kabinett zusammenstellen, wie dies zuletzt Mario Monti 2011 getan hatte. Oder er könnte eine Art große Koalition bilden und einige Ministerposten mit Vertretern der ihn unterstützenden Parteien besetzen. Würde zum Beispiel der bisherige Premier Giuseppe Conte ein prestigereiches Ministerium bekommen, würde das vielen "Grillini" (der Spitzname der Fünf-Sterne-Mandatare in Anlehnung an Parteigründer Beppe Grillo) die Unterstützung erleichtern.

Neustart nächste Woche?

Ist Draghi bei seinen nun beginnenden Verhandlungen mit den Parteien erfolgreich, könnte er bereits am Wochenende zu Mattarella zurückkehren und ihm eine Ministerliste vorlegen. Dann würde der Staatspräsident die neuen Minister vereidigen. Die Vertrauensabstimmungen in der Abgeordnetenkammer und im Senat über die neue Regierung könnten in diesem Fall Anfang nächster Woche stattfinden. (Dominik Straub aus Rom, 3.2.2021)