Mit Pfefferspray wurde in den Polizeikessel gespritzt.

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Die Demo "Grenzen tötet" wurde rigide von der Polizei aufgelöst.
DER STANDARD

Nach der Demo gegen Abschiebungen in Innsbruck am Samstag häufen sich schwere Vorwürfe, weil Grund- und Menschenrechte der Protestierenden verletzt worden seien. Die Polizei sei unverhältnismäßig hart gegen friedliche Demonstranten vorgegangen. Das zeigen auch Videos und Bilder, die die Innsbrucker Parlamentarierin der Grünen, Barbara Neßler, dem STANDARD zur Verfügung stellte. Die Demo wurde unter dem Titel "Grenzen töten" angemeldet – und nicht untersagt.

Nachdem man "Fontänen von Tränengas" (Pfefferspray, siehe Anmerkung in der Infobox am Ende des Artikels) auf eingekesselte Demonstranten gesprüht hat, soll auch nach der Festnahme von 15 der 600 Personen einiges fragwürdig gelaufen sein. In 40 Protokollen beschreiben Inhaftierte und Demonstranten, dass sie nicht hätten telefonieren dürfen und ihre Anwälte nicht zu ihnen gelassen worden seien. In Polizeistationen in Hall und Völs mussten sie sich vor – nicht immer gleichgeschlechtlichen – Beamten entkleiden und vorbeugen.

Unter den Eingekesselten und Inhaftierten waren auch viele Frauen.
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Unter den Verhafteten waren sieben Frauen. Eine beschreibt, wie sie um Wasser und eine Toilette gebeten habe und ignoriert worden sei, eine andere soll wegen Tampons in ihrem Rucksack von Beamten ausgelacht worden sein. Die Dienstnummer hätten die Beamten verweigert. Die Demonstranten wollten sich ihrerseits nicht ausweisen.

Keine Abstandsregel

Zudem sei es unmöglich, zu siebent in einer Zelle die Abstandsregel einzuhalten. Seit Dienstag sind alle 15 Inhaftierten wieder frei, zwei wurden über 48 Stunden festgehalten. Bei der Polizei gibt es Befragungen und Einvernahmen zum Einsatz.

Neßler ist "entsetzt, weil so etwas in Innsbruck bisher absolut nicht üblich war. Es darf nicht zu einem Vertrauensverlust der in Bevölkerung gegenüber der Polizei kommen, gerade in diesen Zeiten nicht!"

"Es darf nicht zu einem Vertrauensverlust der in Bevölkerung gegenüber der Polizei kommen", sagt die grüne Nationalratsabgeordnete Barbara Neßler.
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SPÖ und Grüne bringen Anfragen bei Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) ein. "Ich erwarte von Innenminister Nehammer deutlich mehr als schöne Worte. Von den von ihm angekündigten Evaluierungen hat niemand etwas, wenn es zu keinen Konsequenzen kommt. Entweder er hat den Polizeiapparat nicht im Griff, oder er unterstützt entgegen seinen Ansagen die Anliegen der Corona-Leugner-Szene", kritisiert Neßler, die eine Bevorzugung der Corona-Maßnahmen-Kritiker, die in Wien am Wochenende unbehelligt demonstrierten, sieht. Sie fordert eine Untersuchung des Einsatzes, der wieder "gezeigt hat, dass wir die ausgelagerte und weisungsfreie Untersuchungs- und Beschwerdestelle gegen Polizeigewalt benötigen". Diese wurde bereits vereinbart und solle nun möglichst schnell installiert werden. (Colette M. Schmidt, 4.2.2021)