Zahlreiche Erkrankte wurden verlegt, weil in einem Spital bei Lissabon die Sauerstoffversorgung für Intensivpatienten komplett zusammenbrach.

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Portugals Gesundheitssystem geht angesichts der Covid-Pandemie in die Knie. Das Krankenhaus Amadora-Sintra in einem westlichen Vorort der Hauptstadt Lissabon ist zum Symbol des drohenden Kollapses geworden. Das Krankenhaus, in dem so viele Covid-Patienten behandelt werden wie sonst nirgends, sorgte vergangene Woche für Schlagzeilen, weil die Sauerstoffversorgung für die Intensivpatienten zusammenbrach. Das System war trotz der Installation eines zweiten Sauerstofftanks einfach überfordert. Anstatt wie vorgesehen maximal 120 Covid-Patienten mit Sauerstoff zu versorgen, waren es um die 300. Über 100 Patienten mussten eiligst in andere Hospitäler verlegt werden.

Nirgends in Europa ist die Lage derzeit so schlimm wie in Portugal. In rund 80 Prozent des Landes herrscht "extremes Ansteckungsrisiko". Der Rest weist ein "hohes Risiko" auf oder gilt sogar als "sehr risikoreich". Nur noch zwei Landkreise im Südwesten haben ein "moderates Risiko".

In der Hauptstadt wurden in den letzten 14 Tagen pro 100.000 Einwohner 1.965 neue Fälle gezählt. In manchen Orten im Landesinneren sind es sogar über 7.000. Im Landesschnitt sind es 1.429. Zum Vergleich: Österreich liegt bei 246. In den letzten 24 Stunden verstarben in Portugal 240 Menschen. Vor wenigen Tagen waren es gar über 300. Portugal hat zehn Millionen Einwohner – und laut Regierungsangaben insgesamt bereits über 9.000 Tote zu beklagen. Nach Angaben des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) sind es sogar über 13.000.

Intensivstationen überbelegt

Die Intensivstationen sind mit über 1.000 Covid-Patienten in ganz Portugal längst überbelegt. Eigentlich verkraftet das Gesundheitssystem nur 500 Covid-Intensivpatienten, so lauteten die Angaben aus dem Gesundheitsministerium noch vor wenigen Wochen. Jetzt können andere Krankheiten als Covid nicht mehr behandelt werden. Und es fehlt an Personal. Nach Angaben der Ärztekammer haben sich bereits 23.000 der 50.000 Ärzte mit Covid infiziert. Beim Pflegepersonal sieht es noch schlimmer aus. "Betten haben wir, aber es mangelt beim Management der menschlichen Ressourcen", muss Gesundheitsministerin Marta Temido eingestehen.

Der Sprecher der Ärztekammer, José Miguel Guimaraes, macht die Politik der Regierung unter dem sozialistischen Premier António Costa für die katastrophale Lage verantwortlich. "Wir Ärzte sind uns einig, dass die hohe Infektionsrate durch das Fehlen von Einschränkungen zu Weihnachten verursacht wurde", sagt er. "Wir wurden nicht müde, davor zu warnen, was passieren könnte", fügt er hinzu.

Vorprogrammierte Katastrophe

Tatsächlich war Portugal bis Ende Dezember vergleichsweise glimpflich durch die Pandemie gekommen. Dann entschied die Regierung, einen Großteil der Beschränkungen aufzuheben, um "Weihnachten zu retten". Es herrschte Reisefreiheit im ganzen Land, um Familienbesuche zu ermöglichen. Auch die Beschränkung der Zahl der Besucher wurde aufgehoben. Zusammen mit der Ankunft des britischen Stamms des Covid-Virus war die Katastrophe vorprogrammiert.

Mittlerweile vermelden die Ärzte die Infektion ganzer Familien, vom Enkel bis zu den Großeltern – Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen inbegriffen. Seit Mitte Jänner herrscht erneut Lockdown, die Grenzen Portugals sind geschlossen.

Österreich und Spanien haben Portugal Hilfe angeboten. Österreich wolle Intensivpatienten übernehmen, gab Bundeskanzler Sebastian Kurz gestern bekannt. Dabei werde es sich um hochkritische Einzelfälle handeln. Deutschland hat bereits am Mittwoch 26 Ärzten und Pfleger aus den Reihen der Bundeswehr nach Lissabon entsandt. Sie brachten unter anderem 50 Beatmungsgeräte mit. Mindestens 21 Tage sollen sie im Großraum Lissabon zum Einsatz kommen. (Reiner Wandler, 4.2.2021)