Der Stützpunkt Stoob steht dort, als sei er schon fertig. Als würden Stühle in der Mensa des Hauptgebäudes nur darauf warten, besessen zu werden. Als würden die Schwerlastregale nur darauf warten, befüllt zu werden. Doch der Anschein trügt. Der Stützpunkt Stoob – ein Stützpunkt der Baudirektion Burgenland in der kleinen Gemeinde nördlich von Oberpullendorf – ist nicht fertig. Der Bau hat nicht einmal begonnen.

Foto: Delta

Und doch, auf dem Bildschirm von Projektmanagerin Sabrina Schubert von der Delta Gruppe steht der Stützpunkt Stoob. Das allerdings nur in einer Software für das Building Information Modeling, kurz BIM.

Planen in 3D

BIM ist ein Konzept, um das Planen, Bauen und Verwalten eines Gebäudes zu digitalisieren. Wie hier beim Stützpunkt Stoob wird in der Planungsphase ein digitaler Zwilling "gebaut". Der soll dabei helfen, Ressourcenverschwendung beim Bau zu minimieren und das Verwalten der fertigen Immobilie zu vereinfachen. Das kleine Nest im Burgenland wird also zum Vorreiter.

Die Architektur-Ansicht, nicht ganz so farbig wie die Entwurfsvisualisierung.
Foto: Delta

Die Ansicht, die am Anfang des Textes beschrieben wurde, ist die klassische Entwurfsvisualisierung. "Die eignet sich wunderbar, um dem Bauherrn unsere Ideen zu präsentieren", sagt Schubert und fährt währenddessen mit ein paar Anschlägen auf der Tastatur durch die digital eingerichteten Räume. Das ist schön und nett, unterscheidet das BIM-Modell aber nicht von einer herkömmlichen 3D-Visualisierung, wie man sie mittlerweile bei jedem Projekt findet.

Updates alle zwei Wochen

Das Gerüst, das sich hinter dieser Vorstellungsansicht befindet, ist wesentlich interessanter. Wenige Klicks später ist der hübsche Bau verschwunden, übrig bleibt auf dem Monitor nur das Skelett, in dem Fall die farblich eher eintönig gehaltenen tragenden Elemente. "Es läuft so ab: wir als Planungsbüro geben unsere Ideen, unseren Entwurf vor. Im BIM-Prozess besteht sogar die Möglichkeit, dass Architektur und Statik parallel in einem gemeinsamen digitalen Modell arbeiten", erklärt Schubert die interdisziplinäre Zusammenarbeit, die durch BIM gefördert werden soll. Mindestens alle zwei Wochen müssen die beteiligten Büros eine aktualisierte Datei schicken, sollten sie etwas verändert haben.

So sieht das Modell aus, wenn man sich nur die statischen Elemente anzeigen lässt.
Foto: Delta

Denn kommt es zu Fehlern im System, warnt die Software gleich vor einem "Issue" (zu deutsch: Problem). Beispiel: Der Entwurf steht, die Statik ebenfalls. Nun kommt der Elektrotechniker und verlegt im Dreidimensionalen alle nötigen Leitungen.

Eine dieser Leitungen läuft aber nun durch ein tragendes Element. Das meldet die Software, und jetzt liegt es am federführenden Planungsbüro, dieses Problem aus der Welt zu schaffen. Der Elektrotechniker erklärt, das Kabel müsse unbedingt so verlaufen, also wird der Statiker gefragt, ob er etwas tun kann.

Die Kabel und Leitungen verlaufen durch eine tragende Wand: ein "Issue", das beseitigt werden muss.
Foto: Delta

Diese Art und Weise der Kommunikation passiert nun Wochen und Monate, bevor der erste Spatenstich erfolgt ist. Ohne BIM wäre die Planung des Elektrotechnikers wahrscheinlich auf einem zweidimensionalen Plan passiert, um die eigentliche Ausführung hätte man sich erst auf der Baustelle Gedanken gemacht.

Der Fuß in der Tür

Den Auftrag, den Stützpunkt Stoob zu bauen, hat die Delta Gruppe und damit das Team rund um Sabrina Schubert Mitte 2020 bekommen. Rund ein Jahr hat das Büro in dem Wettbewerb verbracht, das mit der Aufgabenstellung versehen war, "ein BIM-Pilotprojekt" zu sein. Denn auch im Jahr 2021 sind Vergaben, die die Planung mit BIM fordern, eine Seltenheit.

Aktuell sind es vor allem größere Unternehmen, die sich BIM auf ihren Lebenslauf schreiben können. Für kleine und mittlere Unternehmen ist es eine gehörige Kostenfrage, außerdem fehlt es oft am Know-how, wie mit einer solchen Software umzugehen ist.

Auch die Elektrotechnik ist in BIM einsehbar.
Foto: Delta

Und wenn doch alles da ist, fällt es schwer, einen Fuß in die Tür zu kriegen. "Viele Ausschreibungen, die BIM verlangen, wollen ein BIM-Referenzprojekt sehen", sagt Schubert. "Ohne Referenzprojekt hat man schlechtere Karten, da beißt sich die Katze in den Schwanz, wenn man als Planer die Motivation hat, mit dem Konzept BIM zu arbeiten."

Das ist ein Grund, warum BIM heutzutage noch nicht den Stellenwert hat, den es haben könnte. Für Wolfgang Kradischnig, Geschäftsführer der Delta Holding, mangelt es aber auch an Rückhalt des Gesetzgebers. "Es wäre wichtig, Standards festzulegen. Da geht es nicht einmal darum, eine bestimmte Software anzubieten, sondern zum Beispiel darum, welche Attribute mit welchen Bezeichnungen in der entsprechenden Detaillierungsstufe je Bauteil gefordert sind."

Attribute sind verschiedene Parameter, die die Planer festlegen müssen. Zu diesen Attributen zählen zum Beispiel Deckenhöhe, voraussichtliche Heizkosten, Wandfarbe und viele mehr. Wie viele dieser Attribute vom Planer gefordert sind, entscheidet momentan noch der Bauherr selbst. Mal sind es 50, mal 120 – was mal mehr, mal weniger Aufwand für die Planer bedeutet. Eine Regulierung würde vor allem den Architekten mehr Sicherheit geben.

So soll die Mensa von innen aussehen – wahrscheinlich mit etwas mehr Farbe.
Foto: Delta

Wann wird die Zukunft zur Gegenwart?

Würde BIM zum neuen Standard werden, dürften auch die Facility Manager davon profitieren. Geschulte Fachkräfte könnten mit dem Modell wesentlich effizienter arbeiten und genau sehen, wo etwas hakt oder welche Maschine wann gewartet werden muss. Das Zauberwort ist hier aber "Fachkräfte". Denn zurzeit arbeiten Facility Manager in der Regel mit mehrlagigen Plänen, mal analog, mal digital. Die Umstellung auf BIM dürfte auch in diesem Sektor also noch eine ganze Weile dauern. Vor allem dann, wenn die Planer selbst nur einen Bruchteil ihrer Projekte damit planen.

Der Stützpunkt Stoob ist jedenfalls ein Vorreiter-Projekt. Baubeginn ist der November diesen Jahres, rund ein Jahr später soll der Bau stehen.

Delta-Projektleiterin Sabrina Schubert.
Foto: Erich Sinzinger

Um die Trend-Abkürzung BIM ranken sich also noch viele Ungewissheiten. Trotzdem sind sich Experten einig, dass das Konzept die Zukunft des Bauwesens ist. Die Frage ist nur, wann diese Zukunft zur Gegenwart wird. (Thorben Pollerhof, 21.02.2021)