Bereits Mitte Jänner wurden in Tirol die ersten bestätigten Fälle der britischen Virus-Mutation in Jochberg entdeckt.

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Die Regierung schließt eine Quarantäne für das ganze Bundesland nicht aus. Die Situation sei "ernst", meinte Gesundheitsminister Anschober.

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Wien – Die Verbreitung der südafrikanischen Mutation des Coronavirus in Tirol könnte zu einer Abschottung einzelner Gebiete führen. Ausgeschlossen ist außerdem nicht, dass das ganze Land unter Quarantäne gestellt wird: Die Regierung prüft derzeit mit Experten alle Optionen, wie die APA aus informierten Kreisen am Donnerstag erfahren hat. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bezeichnete die Situation in Tirol davor als ernst. Auch eine Beraterin der Bundesregierung, die Virologin Dorothee von Laer von der Med-Uni Innsbruck, vertrat in Interviews die Ansicht, dass das Land Tirol angesichts des Auftretens neuer lokaler Corona-Varianten für einen Monat isoliert werden soll.

Günther Platter ist anderer Ansicht

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) sieht dafür keinen Grund: "Das gibt die Datenlage nicht her", erteilt er einer Isolation eine Absage. Man müsse "natürlich immer auf der Hut sein", gab er zu bedenken. Dennoch müsse darauf geachtet werden, "dass die Verhältnismäßigkeit gegeben ist".

Die südafrikanische Variante wurde bisher 75 Mal identifiziert – nur mehr fünf Betroffene galten hier noch als aktiv positiv. In den vergangenen drei Tagen habe man sich mit Experten beraten, wobei beschlossen wurde, dass die Kontaktnachverfolgung und das Testen intensiviert werden sollen, so Platter. Es werde täglich evaluiert, welche Auffälligkeiten es gibt. Die britische Mutation wurde in Tirol übrigens bisher bei 21 Personen festgestellt, wovon noch eine Person aktiv positiv sei.

Das Land Tirol hat, wie Gesundheitsminister Anschober am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien sagte, noch am Mittwoch ein "sehr straffes Fünf-Punkte-Programm aufgestellt, mit dem die Situation genau untersucht werden soll". Er habe den Eindruck, dass Tirol "selbstverständlich" der Ernst der Lage klar sei. Am Sonntag "ist Tag der Bilanz", dem möchte er nicht vorausgreifen und weder vorhersagen noch ausschließen, sagte er – bevor bekannt wurde, dass die Abschottung geprüft wird. Dann werde man aber darüber entscheiden, wie umfassend entweder "dieses Paket fortgesetzt werden muss" oder ob es weitere Maßnahmen brauche. "Diese paar Tage abzuwarten, ist notwendig", meinte der Gesundheitsminister.

Virologin will Isolation Tirols

Die Virologin Dorothee von Laer übte scharfe Kritik am Land Tirol im Umgang mit den Corona-Mutanten und warnte vor einem "zweiten Ischgl". Sequenzierungen würden auch zeigen, dass mittlerweile bereits 20 Prozent der Infektionen auf die neuen Varianten zurückzuführen seien. Anschober betonte am Donnerstag, dass die Sequenzierungen beschleunigt und prioritär behandelt werden müssen. Er sei auch mit von Laer "in einem guten und regelmäßigen Kontakt".

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Nach Informationen der APA sind die anderen Expertenberater der Regierung nicht alle der Meinung der Virologin. Es würden unterschiedliche Zahlen vorliegen, die nun geprüft werden müssen. So soll es entgegen den Aussagen von Laers keine eigene Tirol-Mutation des Südafrika-Virus geben. Die Regierung sei sich aber der Problematik bewusst.

Experte Weiss: "Sind nicht auf einer Insel"

Jedenfalls anderer Meinung ist der Innsbrucker Infektiologe und Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin, Günter Weiss. Er hat sich am Donnerstag klar gegen eine möglichen Isolation Tirols ausgesprochen. "Wir sind nicht auf einer Insel, wo wir über so etwas reden könnten und wo es Sinn machen würde. Wir sind mitten auf einem Kontinent, auf dem diese Mutation auch schon in vielen Ländern aufgetaucht ist", sagte Weiss. Man werde nicht verhindern können, dass eine Mutation auch in andere Regionen gelange.

Auch mit einer etwaigen Verlängerung des Lockdowns kann der renommierte Mediziner, der auch dem Beraterstab im Gesundheitsministerium angehört, nichts anfangen. Die Maßnahmen bzw. Lockerungen, die die Bundesregierung diese Woche verkündet hatte, seien "sehr gut und sehr vernünftig" und sollten auch wie vorgesehen bundesweit gelten. Es gehe nun darum, die "Menschen wieder ins Boot zu holen". Derartige Maßnahmen würden hingegen die "Frustration" steigen lassen und dazu führen, dass viele Menschen sagen: "Wir kommen aus dem Schlamassel nie mehr heraus. 'Wir hauen den Hut drauf'".

Anschober fordert "ehestmöglich" Massentests

Massentestungen in Tirol sind "ehestmöglich durchzuführen", forderte Anschober. Er betonte, dass die Mutationen "nicht erst gestern bekannt geworden sind". Wie sie sich im Detail auswirken, "ist für uns alle weltweit ein großes Fragezeichen". Es müsse zeitnah ein Frühwarnsystem aufgebaut werden, besonders wichtig sei auch das Kontaktpersonenmanagement, bekräftige Anschober.

Tirol war auch im ersten Lockdown im Frühjahr abgeschottet. Mitte März wurden bis Anfang April alle Gemeinden unter Quarantäne gestellt und die Grenzen geschlossen. (APA, red, 4.2.2021)