Mario Draghi kann – und soll – einiges zugetraut werden.
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Mario Draghi ist das, was man in Italien eine "Reserve der Republik" nennt: eine hochangesehene Persönlichkeit in einem gewissen Alter, integer, kompetent, führungsstark – und damit im Grunde geeignet für jedes noch so anspruchsvolle Staatsamt. Er war auch schon lange im Gespräch gewesen als möglicher Nachfolger von Staatspräsident Sergio Mattarella, dessen Amtszeit in einem Jahr endet.

Daraus wird nun wohl nichts – weil ebendieser Mattarella Draghi am Mittwoch als neuen Regierungschef nominiert hat. Dem Ökonomen und Finanzfachmann Draghi ist es zuzutrauen, dass er im stagnierenden, an sich selbst zweifelnden Italien jene Strukturreformen anpackt, die er selbst seit Jahren anmahnt und vor denen bisher jede Regierung zurückgeschreckt ist.

Und er ist mit seiner profunden Kenntnis der Brüsseler Mechanismen auch der richtige Mann, um einen Plan zur Verwendung der Milliardenzuschüsse aus dem EU-Recovery-Fund zu entwerfen, der Italiens Wirtschaft und Infrastruktur modernisiert und fit für die großen Herausforderungen der Zukunft macht.

Zentrales Thema: EU-Corona-Hilfen

Draghi und die 209 Milliarden Euro aus dem EU-Wiederaufbaufonds: Eine solche Doppelchance wird Italien so schnell nicht wieder erhalten. Allerdings: Auch dieser Premier wird mit dem alten Parlament regieren müssen, das nach wie vor von zwei populistischen und tendenziell antieuropäischen Parteien dominiert wird: von der postideologischen Fünf-Sterne-Bewegung und der rechtsnationalistischen Lega, die von 2018 bis 2019 ein Jahr lang zusammen regiert hatten.

Giuseppe Conte war in seiner ersten Regierung (2018–2019) Gefangener von Matteo Salvinis Rechtspopulismus und in seiner zweiten Regierung (2019–2021) Hauptdarsteller der konfusen Beliebigkeit der "Grillini" (Spitzname der Abgeordneten der Fünf Sterne wegen deren politischen Vaters Beppe Grillo) gewesen – in beiden Rollen ist er am Ende gescheitert.

Draghi ist zwar ein ganz anderes Kaliber als Conte – aber stärker als die Mathematik ist auch "Super-Mario" nicht. Die numerischen Kraftverhältnisse im Parlament sprechen – zumindest im Moment – noch gegen ihn. Der Umstand, dass sie in Zukunft nicht mehr den Premier bestimmen können, hat unter den Fünf Sternen einen Schock und Abwehrreflexe ausgelöst.

Auch der Rechtspopulist Salvini konnte sich bisher nicht zu einem klaren Bekenntnis zum ehemaligen EZB-Chef aufraffen. In Rom ist am Mittwoch mit der Nominierung von Draghi der Populismus aus der Regierung verschwunden – nicht aber der Populismus als solcher. (Dominik Straub aus Rom, 4.2.2021)