Thomas Mahler fällt oft mit sehr direkten Aussagen auf.

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Thomas Mahler ist Game-Director der in Wien beheimateten Moon Studios, Macher von Ori and the Blind Forest und dessen Fortsetzung. Mahler ist seit jeher für seine kontroversen Aussagen bekannt. 2015 sprach er der heimischen Entwicklerszene alles Talent ab, 2016 kritisierte er lautstark den Umgang von Nintendo mit Drittherstellern. 2021 platzt ihm aufgrund der seiner Meinung nach etablierten Lügen in der Gaming-Szene der Kragen. Dampf lässt er in einem Forum ab. Kritik lässt nicht lange auf sich warten.

Keine Lügen mehr

Thomas Mahler ist ein Arbeitstier, wie er in einem Interview mit dem STANDARD im Jänner 2020 betonte. "Ich arbeite oft von sechs bis drei Uhr früh", war dort zu erfahren. Der Erfolg gibt ihm recht. Nach nur zwei Spielen und unzähligen Auszeichnungen ist er eine etablierte Marke in der Szene, die auch gehört wird. Speziell dann, wenn er mal wieder eine seiner kantigen Aussagen tätigt.

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Sechs Absätze lang mokiert sich Mahler über die Lügen, die sich seiner Meinung nach in der Entwicklerszene etabliert haben. "Mit Molyneux hat alles angefangen. Er war der Meister im Versprechungen-Machen. Wenn du dann sein Spiel gekauft hast, war es ein komplett anderes Erlebnis als jenes, das dir versprochen wurde." "Onkel Molyneux", erzählt Mahler, habe über zehn Jahre hinweg mit seinen Lügen Spieler und Journalisten um den Finger gewickelt, und es brauchte sehr viele schlechte Spiele, bis man ihm nicht mehr zuhörte.

Als zweites Beispiel nennt er No Man's Sky. Wegen dieses Spiels habe er 2014 die Chance auf die Coverstory eines großen Magazins verloren. Damals zeigte er sich einsichtig. "Es war von Minecraft im Weltall die Rede, mit unendlich vielen Möglichkeiten. Mir war klar, das würde mehr Klicks bringen, weil es das größere Spiel wird. Als das Spiel dann erschien, wurde klar, dass alles auf Lügen basierte, und der Typ, der ehrlich über sein Produkt sprechen wollte, bekam einen Tritt in die Eier." 2020 bekam No Man's Sky nach unzähligen Updates, die dem Spiel nachträglich mehr Möglichkeiten verpassten, sogar eine Auszeichnung als "Best Ongoing Game". Für Mahler eine Verhöhnung.

"No Man's Sky" war erst Jahre nach dem Release 2014 ein gutes Spiel. Einen Preis gab es 2020.
Foto: Hello Games

Und dann kam "Cyberpunk 2077"

"Das CD-Projekt-Red-PR-Department hat gut von Molyneux gelernt. Jedes Video von Cyberpunk 2077 war bis ins kleinste Detail perfekt inszeniert und hat in den Köpfen der Spieler ein Bild gemalt, das unwiderstehlich war. Es hätte nur noch gefehlt, dass sie behaupten, das Spiel könne Krebs heilen." Am Ende hielt das Spiel laut Mahler nur ein Bruchteil der Versprechungen und war auf Konsole gerade mal spielbar.

Alle drei Beispiele, sagt Mahler, zeigen gut, wie man Spieler und andere Entwickler zu Deppen degradiert hat. Die Journalisten der Branche spielten jedes Mal mit, betont er.

Selbst merkt er gegen Ende des Textes an, dass seine Aussagen nicht verbittert klingen sollen. Es sei ihm aber wichtig, dass er nicht andere Entwickler anpatzen möchte. "Ich schimpfe auf Lügner und Leute, die bewusst mit Täuschungen arbeiten. Verkauft mir keine Features, die es nicht gibt. Zeichnet kein Bild, das ihr nicht liefern könnt. Lügt mich einfach nicht an."

Wahl der Plattform

Den Text veröffentlicht hat er auf der Website Resetera, einem Forum für Journalisten, Entwickler und Gaming-Enthusiasten. Viele der User stimmen ihm zu, aber es gibt natürlich auch Gegenstimmen. So seien die Beispiele schlecht miteinander vergleichbar, und auch Ori 2 habe mit Abstürzen zu kämpfen gehabt, wie mehrere User schreiben. Speziell die direkte Art löst bei so manchem Kommentar Verwirrung aus. "Das sind Aussagen, die ich nicht von einem Spieleentwickler erwartet hätte. Ich dachte, die sollten es besser wissen," schreibt User dunkzilla.

Den Vorwurf eines Forum-Users, mit solchen Aussagen die Wut auf Entwickler zu ermutigen, entkräftet Mahler. Es sei ein interessantes Thema, um darüber zu diskutieren. "Gamer Rage" wie zuletzt gegen CD Projekt Red oder auch Naughty Dog in Form von Hassmails und Todesdrohungen seien "fucking bullshit", und keiner dieser Entwickler solle belästigt werden. Zehn Seiten lang wird noch über die Aussagen diskutiert, dann schließt ein Moderator das Topic mit der Begründung, man müsse einige Aussagen prüfen, nämlich ob sie gegen die Richtlinien verstoßen.

Das bessere "Diablo"

Nach den beiden Ori-Teilen arbeitet Thomas Mahler aktuell an einem Action-RPG, wie man es etwa von Diablo oder Torchlight kennt, dem er aber viele eigene Elemente beimischen will. Der österreichische Entwickler, dessen Mitarbeiter über die ganze Welt verstreut arbeiten, will zu seinem neuesten Projekt aber noch nicht viel verraten. In einem Interview mit der Gaming-Website "Shock2" ließ er nur wissen, dass der Prototyp schon seit etwa zwei Jahren fertig ist – und "das Kampfsystem ist jetzt schon besser als alles andere auf dem Markt". Dafür nehme er auch schlaflose Nächte in Kauf, weil es tatsächlich sein Traumprojekt sei. Dann wollen wir hoffen, dass diese Aussagen der Wahrheit entsprechen, der gute Mann bald mehr von seinem revolutionären Spiel zeigen kann und dabei trotzdem auf seine eigene Gesundheit nicht vergisst.

Update

Ein paar Stunden nach diesem Artikel schrieb Thomas Mahler eine Entschuldigung für seine harschen Worte. "Einen Tag später habe ich viele Reaktionen auf mein Posting gelesen und muss eingestehen, den falschen Ton getroffen zu haben." Er entschuldigt sich speziell bei den mit Namen erwähnten Entwickler und gelobt, aus seinem Fehler gelernt zu haben.

Zahlreiche Reaktionen auf seine ursprüngliche Aussage zeigen aber, dass er vielen Spielern aus der Seele gesprochen hat. Zwar gab es unterschiedliche Meinungen, was die Auswahl der Beispiele betraf, aber das laute Aussprechen, eines mittlerweile widerkehrenden Missstandes der Gaming-Branche, honorierten viele Kommentare. (aam, 4.2.2021)