Eines der mutmaßlichen Lager in der Provinz Xinjiang.

Foto: AFP / Greg Baker

Es ist keinen Monat her, da bezeichnete der damals scheidende US-Außenminister Pompeo die Ereignisse in der westchinesischen Provinz Xinjiang als Genozid. Viele westliche Medien folgten der Einschätzung des US-Außenministeriums nicht. Zwar wirft man Peking durchaus Menschenrechtsverstöße vor, aber um von einem Genozid zu sprechen, müssten mehr Beweise her. Selbst der liberale "Economist" sprach von einem "so-called genocide" und äußerte Zweifel bezüglich der Bezeichnung.

BBC-Berichte über Vergewaltigungen

Dass in der chinesischen Provinz Xinjiang ein Völkermord stattfindet, wird aber immer offensichtlicher. Der Bericht der Uigurin Tursunay Ziawudun gegenüber dem britischen Fernsehsender BBC ist kaum erträglich. Detailliert schildert die 42-Jährige, wie sie in einem der Lager dazu gezwungen wurde, andere Frauen auszusuchen, die anschließend von chinesischen Männern vergewaltigt wurden.

Die Rede ist von Massenvergewaltigungen, Misshandlungen und schlimmsten Erniedrigungen. Ziawudun war selbst Opfer, und wurde später dazu gezwungen, die Peiniger bei ihren Taten zu unterstützen. Chinesische Männer zahlten Geld, damit ihnen die jüngsten und schönsten Frauen zugeführt wurden.

System, um Menschen zu brechen

Ziawudun verbrachte neun Monate in einem Lager, bevor sie fliehen konnte und in den USA Asyl erhielt. Auch wenn die Vorwürfe nicht unmittelbar überprüfbar sind, decken sich Ziawuduns Angaben mit geografischen und chronologischen Fakten.

Auch eine zweite Frau namens Gulzira Auelkhan bestätigte die Berichte. Nach der Misshandlung seien die Frauen in die Gemeinschaftszelle zurückgebracht worden. "Du kannst niemandem erzählen, was passiert ist. Du kannst dich nicht ausruhen", sagte sie der BBC. Das System sei darauf angelegt, Menschen zu brechen.

"Xinjiang, ein wundervolles Land"

Die chinesische Regierung bestreitet wie immer die Vorwürfe. "Die chinesische Regierung schützt die Rechte und Interessen alle ethnischen Minderheiten", sagte eine Sprecherin des Außenministeriums in Reaktion auf den Bericht der BBC. Zudem lege man besonderes Augenmerk auf die Rechte von Frauen.

Die Staatszeitung "Global Times" berichtete kürzlich von einem Online-Event mit dem Titel "Xinjiang – ein wundervolles Land", an dem Diplomaten aus Simbabwe, Laos und Pakistan teilnahmen. In der offiziellen Sprachregelung Pekings ist von "Ausbildungszentren" die Rede, in denen Uiguren sich fortbilden können.

Die Berichte derer, die die Lager überlebt haben, häufen sich aber immer mehr. Die Schilderung der Vorkommnisse ähneln denen von KZ-Überlebenden: Von schwerer Folter und Gehirnwäsche ist die Rede. Frauen berichten von Zwangssterilisationen.

EU-Politik unverändert

Das Thema wird zwar von Menschenrechtsorganisationen und Aktivisten zunehmend in den Fokus gerückt. An der Politik der EU aber ändert sich nichts. Gerade erst hat die EU unter maßgeblichem Druck der deutschen Regierung unter Angela Merkel ein Handelsabkommen mit Peking geschlossen. Ein Passus zur Verurteilung von Zwangsarbeit wurde auf Druck Pekings gestrichen. Noch immer betreiben zahlreiche westliche Unternehmen Fabriken in Xinjiang, darunter der deutsche Autohersteller Volkswagen.

Immer wieder war es in den vergangenen Jahren in der Provinz zu gewaltsamen Aufständen gegen die Politik Pekings gekommen. In der Folge errichtete Peking ein Lagersystem, um die muslimische Minderheit ideologisch umzuerziehen. Die im November vergangenen Jahres vom Internationalen Netzwerk investigativer Journalisten (ICIJ) veröffentlichten "China Cables" belegen, dass in den KZ-ähnlichen Lagern bis zu 1,5 Millionen Menschen gegen ihren Willen festgehalten werden. (Philipp Mattheis, 4.2.2021)