Aus Wut über seinen negativen Asylbescheid drohte ein 20-Jähriger, eine Polizeiinspektion abzufackeln. Vor Gericht gibt er alkohol- und zornesbedingte Erinnerungslücken vor.

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Wien – Yusuf A. ist ein ausnehmend höflicher Zeuge. "Er hat gesagt, Österreich hat ihn verarscht und Österreich hat ihn – verzeihen Sie – gefickt", erklärt der Polizeiinspektor Richterin Alexandra Skrdla, wie er den Angeklagten Mohammed H. am Abend des 27. Oktobers in der Polizeiinspektion in Favoriten erlebt hat. Eine Polizeiinspektion, die der 20-jährige Angeklagte anzünden wollte, wie er im Vorfeld gedroht hat.

Auslöser war, dass der Syrer einen negativen Asylbescheid bekommen hatte. Am Nachmittag des Tattages rief er seinen Bewährungshelfer an – denn im Jahr 2017 wurde der Angeklagte unter einem Aliasnamen wegen eines Suchtmitteldeliktes zu fünf Monaten bedingt verurteilt, wie die Richterin feststellt. Er erhielt bereits damals auch die Weisung, eine Psychotherapie zu besuchen. Die Therapie brach er nach wenigen Besuchen ab. "Die Ärztin hat mich provoziert, deshalb bin ich nicht mehr hingegangen", lässt der athletische junge Mann übersetzen.

"Surreale Situation"

Dem Bewährungshelfer verriet er im vergangenen Herbst jedenfalls telefonisch, dass er die Polizeiinspektion anzünden wolle. Der Sozialarbeiter vereinbarte ein Treffen in einem Gastgarten, um die Situation zu besprechen. "Es war eine surreale Situation", beschreibt der Zeuge. H. sei wütend und beeinträchtigt gewesen, bei seinen Füßen stand ein kleiner Kanister voller Benzin.

Eine Stunde habe er mit seinem Klienten geredet, der währenddessen weiter Whisky trank. Dann habe H. sich samt Kanister auf den Weg zur Polizei gemacht. "Ich habe ihn begleitet und gesagt, wenn er das macht, dann komm ich auch ins Fadenkreuz und da möchte ich vorher noch was trinken", beschreibt der Bewährungshelfer seine Verzögerungstaktik. Man kehrte also in den Gastgarten zurück, der Zeuge konnte seiner Freundin kurz telefonisch sagen, sie solle die Polizei vorwarnen.

Zeitschinden mit Kräuterbitter

Beim zweiten Aufbruch Richtung Polizei ließ H. den Kanister zurück, der Bewährungshelfer dachte bereits, er habe die Lage beruhigen können. Bis H. zu einer Tankstelle abbog und dort den Kübel für das Scheibenreinigungswasser ausleeren wollte, um Benzin einzufüllen. Noch einmal spielte der Zeuge auf Zeit und bat den Angeklagten, im Tankstellenshop zwei Jägermeister zu kaufen, ehe er die Polizei alarmierte, die H. schließlich festnahm.

Der 20-Jährige dürfte tatsächlich in einem Ausnahmezustand gewesen sein, auch Inspektor A. beschreibt das. "Als er von den Kollegen hereingebracht wurde, schrie er: 'Ich zünd euch an! Bringt mich um, wenn ihr Eier habt! Sonst gebt mir eine Pistole und ich mach es selbst!'", berichtet der Beamte. H. habe auch mehrmals mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen. Gleichzeitig habe der Angeklagte aber durchaus strukturiert auf Fragen geantwortet und seine Brandstiftungsabsicht wiederholt. Der Polizist wollte nicht auf einen Amtsarzt warten und ließ H. in ein psychiatrisches Krankenhaus bringen.

Dort stellte die Ärztin einen "akuten Erregungszustand" fest, verbunden mit Suizidankündigungen, worauf sie eine Einweisung wegen Selbst- und Fremdgefährdung verfügte. Auch Blut wurde abgenommen und untersucht – 1,55 Promille wurden gemessen und Cannabiskonsum nachgewiesen.

Angeklagter erinnert sich nicht

Der Angeklagte selbst sagt, er kann sich an die Vorfälle nicht erinnern, da er betrunken gewesen sei. Auch zum zweiten Anklagepunkt könne er nur wenig sagen. Denn zwei Tage nach seiner Einlieferung in das Krankenhaus wurde er der Haft- und Rechtsschutzrichterin Eva E. vorgeführt, die über die Verhängung der Untersuchungshaft entscheiden musste. "Das war zwei Tage später. Waren Sie da immer noch betrunken?", ist Richterin Skrdla von den Gedächtnislücken irritiert. "Wenn ich zornig oder aufgebracht bin, kann ich mich nicht erinnern", entschuldigt sich der Angeklagte.

Er war am 29. Oktober mit der Verhängung der Untersuchungshaft jedenfalls nicht einverstanden und wurde immer aggressiver. Bevor er abgeführt wurde, tobte er noch auf Arabisch, worauf der Dolmetscher festhielt, H. fühle sich ungerecht behandelt. Und habe zu Richterin E. gesagt: "Wenn das Gesetz Sie nicht strafen kann, werde ich selbst einen Weg finden, Sie zu bestrafen."

Keine gute Perspektive

Der psychiatrische Sachverständige Peter Hofmann konnte in seinem Gutachten keine Hinweise auf eine tiefgreifende Persönlichkeitsstörung, die eine Einweisung in eine Anstalt rechtfertigen würde, beim Angeklagten feststellen. Allerdings hielt Hofmann in der von Skrdla verlesenen Expertise fest, H. verfüge über keine soziale Einbettung, keine berufliche Perspektive und habe eine Neigung zum Alkoholmissbrauch.

In seinem Schlusswort bedauert der Angeklagte seine Taten: "Ich möchte mich für alles entschuldigen. Ich will was arbeiten, lernen, studieren", beteuert er. Skrdla verurteilt ihn bei einem Strafrahmen bis zu drei Jahren rechtskräftig zu zwölf Monaten Haft, vier davon sind unbedingt. Die fünf offenen Monate der ersten Vorstrafe widerruft sie nicht, erinnert H. aber an seine Verpflichtung, die Psychotherapie weiter zu machen. (Michael Möseneder, 4.2.2021)