Der Mensch fällt in den Weltmeeren als Lärmbelästigung auf, doch in Riffen wird es ruhiger.

Foto: Imago/Robert Harding

Der menschliche Einfluss auf den Planeten ist dermaßen gewaltig, dass Geologen längst darüber nachdenken, unsere Ära als neues Erdzeitalter anzuerkennen: das Anthropozän. Ein dabei bislang unterbelichteter Aspekt sind die menschlichen Einflüsse auf die Klangkulisse der Weltmeere. Eine Studie, die diese Woche im Fachmagazin Science erscheint, hat die Forschungsergebnisse der vergangenen vier Jahrzehnte zu diesem Thema ausgewertet.

Im Meer breiten sich Geräusche rasch über weite Distanzen hinweg aus, sie sind ein wichtiges sensorisches Hilfsmittel für Meeresbewohner. Klänge legen unter Wasser oftmals viel weitere Distanzen zurück als Licht. Von wirbellosen Tieren bis zu großen Walen nutzt daher eine Vielzahl an Spezies die Geräuschkulisse, um sich im marinen Ökosystem zu orientieren oder untereinander und mit anderen Arten zu interagieren.

Der Sound des Anthropozäns

Forscher um den Meeresökologen Carlos Duarte, Professor an der King Abdullah University of Science and Technology in Thuwal, Saudi-Arabien, legten nun eine Überblicksstudie zu den akustischen Veränderungen der Ozeane und ihren Auswirkungen vor. Die natürliche Klangkulisse der Weltmeere besteht aus biologischen Sounds, der sogenannten Biophonie, sowie aus geologischen Geräuschen, der Geophonie. Der menschliche Beitrag wird als Anthrophonie bezeichnet und stand im Zentrum der vorliegenden Arbeit.

"Im Gegensatz zur langjährigen Erforschung der Effekte anthropogener Klänge in terrestrischen Ökosystemen haben die ver änderten Klangkulissen der Ozeane bislang recht wenig Aufmerksamkeit erfahren", schreiben die Forscher in der Studie.

Erhöhter Lärmpegel

Nicht nur an Land, auch unter Wasser würde der Mensch die Geräuschkulisse massiv beeinflussen. "Die Klangkulisse der Ozeane im Anthropozän ist fundamental verschieden von jener im vorindustriellen Zeitalter, wobei sich der anthropogene Lärm negativ auf das marine Leben auswirkt", stellen die Forscher um Duarte fest.

Die Aktivitäten des Menschen machen sich unter Wasser vor allem durch viel mehr Lärm bemerkbar: Fischerei, Schifffahrt, Energieerzeugung, seismische Untersuchungen, Militärschiffe, Rammarbeiten oder Bohrungen führen zu einer immer lauteren Kakofonie, die sämtliche andere Unterwassergeräusche übertönt. Durch die menschgemachte Lärmbelästigung wird das Verhalten von Tieren gestört, ihre Physiologie wird beeinträchtigt und in manchen Fällen sogar ihr Überleben erschwert. Im Falle von Meeressäugern gebe es "starke Evidenzen" von negativen Auswirkungen des menschlichen Lärms. Die Forscher fanden in einigen Studien auch Beeinträchtigungen für Fische und Wirbellose, maritime Vögel und Reptilien.

Wo der Ozean still wird

Neben dem schieren Lärm sind aber noch andere Klangphänomene durch den Menschen zu bemerken: Der Klimawandel beeinflusst etwa das Abschmelzen der Eisschilde, was sich auch geräuschvoll bemerkbar macht. In manchen Regionen der Weltmeere wird es hingegen ruhiger durch den Einfluss der Menschen. Die Verschlechterung der Lebensbedingungen in Korallenriffen oder die Jagd auf große Meeressäuger, darunter etwa lautstarke Wale, hat auch zu drastischen Rückgängen von Lebewesen geführt, die einst wesentlich zur maritimen Klangkulisse bei getragen haben.

Für den Erstautor der Studie, Carlos Duarte, ist es ein wichtiges Ziel, den anthropogenen Lärmpegel unter Wasser einzudämmen, um den damit einhergehenden Stress für Meeresbewohner zu mildern.

Rasche Abhilfe

Im Gegensatz zu vielen anthropogenen Stressfaktoren in maritimen Ökosystemen könnte die Lärmbelästigung rasch eingedämmt werden, wie die Autoren der Studie betonen – etwa durch Richtlinien für die Lautstärke von Schiffsturbinen. Während Probleme wie der Eintrag von organischem Material in die Weltmeere oder Emissionen von Kohlendioxid in die Atmosphäre längst nicht gelöst sind, wenn der Eintrag oder die Emissionen gestoppt werden, könnte man die Lärmverschmutzung in den Ozeanen relativ rasch beheben: Sobald die Lärmquellen verschwunden sind, ist das Problem sofort gelöst.

"Die veränderten Klangkulissen der Ozeane sind zum vernachlässigten Problem in der globalen Veränderung der Weltmeere geworden", schreiben Duarte und Kollegen. "In einer Ära, in der die Gesellschaft immer stärker auf die ‚blaue Ökonomie‘ als Quelle für Ressourcen und Wohlstand blickt, ist es wichtig, die maritimen Klangkulissen verantwortungsvoll zu managen und die nachhaltige Nutzung der Ozeane sicherzustellen." (Tanja Traxler, 5.2.2021)